„Ende der Hypnose. Vom Netz und zum Buch“ – ein Plädoyer von Roland Reuß

Ein solches Buch hat es lange nicht gegeben – und dabei ist es längst überfällig: Abgewogen und doch leidenschaftlich argumentierend für die Kultur des Buches statt geifernd sich in Kommentarfunktionen austobend:

Stroemfeld hat die brillante Analyse Ende der Hypnose. Vom Netz und zum Buch von Prof. Roland Reuß, streitbarer Literaturwissenschaftler und mit Peter Staengle Herausgeber der Franz Kafka-Faksimile-Edition, veröffentlicht: ein kleines bibliophiles Taschenbuch, in dem nicht allein die vielbeschrieenen gesellschaftliche Folgen der Digitalisierung reflektiert werden; Reuß brilliert mit Argumenten für’s gedruckte Buch und Lesen, die jeder in der Branche kennen sollte. Deshalb haben wir in den letzten Wochen ein paar Kernsätze herausgepickt – und heute präsentieren wir die letzte Folge. Natürlich mit dem Hinweis: Unbedingt den „Rest“ auch noch lesen!

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Die tendenziöse, ideologisch zugerichtete Floskel von der Content-Industrie bzw. der Content-Mafia zielt als Feldgeschrei denn auch weniger auf die Gewinne der Großen als auf die, die als Autoren die Unterstützung eines Verlags im Rücken haben und deshalb materiell und spirituell bedeutend unabhängiger sind als die, die isoliert das ›Netz‹ mit ihren Einsichten füttern. Viele meinen ja schon, daß das kontinuierlich-intermittierende Befüllen der Kommentarfunktion einer beliebigen Nachrichtenseite so etwas wie Autorschaft begründe – und fühlen sich dann mißachtet, wenn Lektorate in Verlagshäusern das nicht auch so sehen.

Neid, nicht der Impuls auf Verteilungsgerechtigkeit, liegt der Parole in Wahrheit zugrunde. Gerade wer weiß, wie technisch und finanziell anspruchslos es ist, einen blog zu führen, hat ein scharfes Bewußtsein von der zusätzlichen Autorität, die den publizierten Worten durch einen Verlag zuwächst. Die Energie, die es braucht, etwas herauszuheben (das die wörtliche Bedeutung von ›urheben‹), teilt sich dem Herausgehobenen im innersten Kern mit. Das ist dann eben nicht mehr nur die Äußerung eines Einzelnen, sondern eine, deren Veröffentlichung eine materielle und ideelle Solidarisierung anderer bereits erfahren hat. Ein intelligentes Lektorat vorausgesetzt, werden sogar die Texte besser.

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