Das Autorengespräch Mario Giordano über den Erfolg von Tante Poldi und „das Grundbedürfnis nach Geschichten“

Immer Freitags hier ein Autorengespräch: Diesmal mit Mario Giordano über Tante Poldi und die Früchte des Herrn, der vorige Woche erschienen ist. Es ist der zweite Roman der sizilianischen Krimiserie, die Mario Giordano für Lübbe geschrieben hat. Das war Anlass für Fragen an den Autor.

Mario Giordano: „Tante Poldi“ schreibe ich für alle Leserinnen und Leser, die sich womöglich in dieser Figur wiederentdecken und nach einem langen Tag oder im Urlaub gut unterhalten werden möchten.

Mario Giordano: „Ich glaub, dass mehr gelesen wird als je zuvor“

Gibt’s was Neues für Tante Poldi – Fans?

Aus ermittlungstechnischen Gründen kann ich dazu leider keine Auskünfte geben. Nur soviel: Es geht um Wein, um einen knackigen Winzer, um eine Wahrsagerin, verschwundene Seen und ganz ganz viel Amore.

Mit welchem Argument kann eine Buchhändlerin das Buch am besten verkaufen?

Argumente? Tja… Weil es lustig ist? Gut erzählt? Weil die Geschichte einer Figur erzählt wird, die zwischen Schwermut und Lebensfreude pendelt und nicht bereit ist, sich vom Leben oder den Widrigkeiten des Alltags und des Alters unterkriegen zu lassen? Weil es pralle „Stellen“ gibt? Weil man etwas über Sizilien und die Sizilianer erfährt? Ehrlich gesagt, bin ich da so kurz nach Erscheinen des Buches ein bisschen überfragt. Die Poldi ist eine Herzensfigur, da tue ich mich ein bisserl schwer mit Argumenten.

Was hat Sie eigentlich zur Idee von Tante Poldi inspiriert?

Wie der Neffe im Roman wollte ich schon lange eine fulmiante, opulente deutsch-sizilianische Familiensaga schreiben – und bin immer wieder grandios daran gescheitert. Bis mir eben die Idee kam, die ganze Sache heiter-ironisch aufzuziehen, mit einer Hauptfigur, die durch eine verstorbene Tante inspiriert ist.

Die gab’s wirklich? In Italien? Ihr Familiennname Giordano suggeriert das….

…ich bin aber in Deutschland geboren und aufgewachsen und habe Italienisch als Jugendlicher lernen müssen. Aber ich bin mehrmals im Jahr dort und liebe Sizilien. Allerdings geht mir da auch vieles auf die Nerven. Die „Tante Poldi“-Reihe gibt mir die Gelegenheit, launig über Sizilien und die Sizilianer zu erzählen.

Aber es soll ein Krimi sein?

Natürlich ist es ein Krimi, aber es ist mehr, nämlich auch ein kleiner Reiseführer, die Geschichte einer Frau reiferen Alters, die sich nicht unterkriegen lässt, eine Liebesgeschichte zwischen Tante und Neffe und eine Geschichte über das Scheitern als Grundvoraussetzung für allen Erfolg.

Sie waren bis Mitte des Vorjahrs „Head of Content Development“ bei Bastei Lübbe. Hat es Sie als Profi überrascht, dass diese Idee so gut angekommen ist?

Natürlich überrascht mich der Erfolg dieser Reihe, denn ich bin lange genug Autor, um zu wissen, dass der Buchmarkt seine eigenen seltsamen Gesetze hat. Aber das ist ja gleichzeitig auch die Chance für jedes neue Buch.

Ich dachte immer, Krimi sei gar nicht Ihr Genre?

Krimi und Thriller sind sogar sehr mein Genre. Ich schreibe ja für den „Tatort“, bei Bastei Lübbe erschien zuletzt meine Thriller-Trilogie „Apocalypsis“, ich habe die Romanvorlage und das Drehbuch zu „Das Experiment“ geschrieben. Und sogar mein Bilderbuch „Ein Huhn, ein Ei und viel Geschrei“ erzählt einen Bauerhofkrimi. Insofern bin ich im Spannungsgenre durchaus zu Hause. Ich gehe die Sache halt dieses Mal von der heiteren Seite an.

Was bedeutete eigentlich diese Berufsbezeichnung „Head of Content Development“?

Als Leiter der Stoffentwicklungsabteilung bei Bastei Lübbe habe ich mit meinem Team digitale Romanserien für den deutschen, amerikanischen und chinesischen Markt entwickelt.

Und was hat Sie jetzt wieder auf die reine Autorenseite gezogen?

Ich tue wieder genau das, was ich seit 25 Jahren am liebsten tue und am besten kann: Ich schreibe Romane und Drehbücher. Und bin sehr zufrieden damit.

Durch Klick auf Cover zum Buch

Lohnt sich das überhaupt noch angesichts des Konkurrenzdrucks von allen Seiten, auch für Autoren?

Konkurrenzdruck empfinde ich nicht. Ich schreibe und gebe mir Mühe und bin sehr glücklich, dass mich dieser Beruf ernährt. Erfolgreicheren Kollegen neide ich nichts. Das würde meine Bücher weder besser noch erfolgreicher machen.

Ganz naiv gefragt: Wird überhaupt noch gelesen?

Ich glaube, dass mehr gelesen wird als je zuvor. Und ich bin überzeugt, dass es noch mehr werden wird. Die Frage ist nur, was? Die Vertriebswege verändern sich durch den digitalen Buchmarkt und das Selfpublishing rasant, aber das sehe ich eher als Chance und Herausforderung denn als Gefahr. Ich halte das Bedürfnis nach Geschichten für ein Grundbedürfnis des Menschen, gleich nach Essen, Trinken, Schlaf, Fortpflanzung und Körperpflege. So lange sich das nicht ändert, wird es Geschichten und auch Bücher geben. Und solange es dafür einen Markt und Vergütungsmodelle gibt, auch professionelle Geschichtenerzähler.

Durch Klick auf das Foto von Mario Giordano zu seiner Webseite.

Die Fragen stellte Christian von Zittwitz. Letzte Woche erzählte Martin Walker über sein Buch „Germany 2064“ [mehr…].

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