Das Autorengespräch Thomas Montasser über Dichtung und Wahrheit seiner Doppelexistenz als Literaturagent und Schriftsteller

Freitag hier immer ab 14 Uhr ein Autoren-Gespräch. Heute befragt Johannes Thiele, Verleger von Thiele und Sanssouci, Thomas Montasser (Foto).

Er ist Literaturagent und Autor (Ein ganz besonderes Jahr sowie jüngst Monsieur Jean und sein Gespür für Glück) und spricht über Wohl und Wehe einer Doppelbegabung.

Johannes Thiele: E.T.A. Hoffmann war ein poetischer Feuerkopf, aber auch Kritiker, Zeichner und Karikaturist, Komponist und Kapellmeister, im Hauptberuf Jurist. Franz Kafka arbeitete als Obersekretär in der Versicherungsgesellschaft „Assicurazioni Generali“, bezeichnete dies als seinen „Brotberuf“ und beschrieb die letzten Arbeitsminuten des Tages als „Sprungbrett der Lustigkeit“ in die dichterische Existenz. An Milena Jesenská schrieb er: „Mein Dienst ist lächerlich und kläglich leicht. Ich weiß nicht, wofür ich das Geld bekomme.“ Wie ist das bei dir? Sagt sich der erfolgreiche Literaturagent „Und abends tu ich dichten“?

Thomas Montasser

Thomas Montasser: Die erwähnten Referenzen liegen zwar weit jenseits des Angemessenen, aber natürlich habe ich mich auch schon oft gefragt, wieso um alles in der Welt ich nach langen und fordernden Arbeitstagen für andere Autoren schlussendlich auch noch selbst in die Tasten haue. Die Antwort ist an sich ganz einfach: Es ist eine Besessenheit und eine Lust am Schöpferischen. Ich liebe es, gemeinsam mit meinen Autoren die möglichst besten Themen und Texte zu finden – aber bei mancher Geschichte spüre ich dann, dass sie zu niemandem so gut passt wie zu mir. Die hebe ich mir dann auf, um sie selbst zu erzählen. Denn Dichten ist letztlich nichts anderes als all die Ideen, die fliegen wollen, aus dem Gefängnis des Stillschweigens zu entlassen.

Nun will ich mal unterstellen, dass die Ideen zu Ein ganz besonderes Jahr oder auch Monsieur Jean und sein Gespür für Glück nicht in Zusammenarbeit mit anderen Autoren entstanden sind. Sie sind für mich „Montasser pur“. Oder muss ich mich da von einer Illusion verabschieden?

Überhaupt nicht. Sie sind jedenfalls der Teil von Montasser, der mir selbst die Tage verschönert. Ich bin nun einmal ein etwas sentimentaler, unbedingt altmodischer und dabei sehr lebenslustiger Zeitgenosse. Alles Aspekte, die in Ein ganz besonderes Jahr oder in Monsieur Jean deutlich eingeflossen sind. Aber es gibt natürlich auch andere Seiten oder sagen wir: Saiten an mir, die gelegentlich zum Schwingen gebracht werden müssen und die dann zu düstereren Werken führen. Schreiben ist für mich auch ein Rückzugsritual. So wie viele Autoren den Austausch brauchen, zum Beispiel mit ihrem Agenten, weil ihnen sonst in der Einsam- und der Schweigsamkeit der Dichterstube die Decke auf den Kopf fällt, so brauche ich, der ich den ganzen Tag lang dauerkommuniziere, in stillen Stunden den schweigsamen Austausch mit meinen Geschichten.

Nun bleibt der in sich und seine Geschichten gekehrte Autor ja nicht in seinem Stübchen bei der „stillen Lampe“ (wie einst Eduard Mörike), sondern geht heute auch hinaus in die Welt. Spätestens bei Lesungen und anderen Veranstaltungen konfrontiert er sich mit der Öffentlichkeit – etwas, das du ja auch mit viel Lust und spürbarem Talent machst, wie ich jüngst bei einer Veranstaltung in einer kleinen Münchner Buchhandlung erleben konnte. Wie wichtig ist dir, mit deinen Geschichten direkt zu den lesenden Zeitgenossen zu gehen? Ist das notgedrungen oder lustgetrieben?

Da rührst du an einen problematischen Punkt: Mir machen Lesungen großen Spaß, ich könnte zweimal die Woche auftreten. Es ist ja die beste Möglichkeit, eben nicht nur Texte zu verfassen, sondern Geschichten zu erzählen. Der Dichter wird zum Erzähler. Man muss das mögen, sonst sollte man es bleiben lassen. Aber wenn man es mag und wenn man vor allem auch sein Publikum mag, dann ist das im Idealfall ein Genuss für alle Beteiligten. Man macht sich ja gewissermaßen zu Komplizen. Der Haken in meinem Fall ist, dass mir die Zeit dazu fehlt. Hauptberufliche Schriftsteller tun sich da leichter. Wie ist das bei dir? Präsentierst du deine eigenen Werke gerne vor Publikum?

Halb zieht es ihn, halb sinkt er hin. Ich habe großartige Lesungen vor geradezu frenetischem Publikum erlebt, aber auch mal in der Adventszeit in einer Berliner Lehmanns-Filiale vor achteinhalb Leuten gelesen, die erkennbar eher am Punsch interessiert waren als an meiner Geschichte. Interessant an uns beiden finde ich, dass wir professionell in unserer Branche arbeiten, der eine als Literaturagent, der andere als Verleger, dass wir aber auch selbst schreiben und publizieren. Kommen wir also noch einmal auf die „Doppelbegabung“ zurück. Pflicht und Kür, Standbein und Spielbein, das scheint für uns beide seinen Reiz zu haben. Oder machen wir uns etwas vor? Glaubst du, Talent zu haben, weil du vielleicht zuviel Erfahrung und Einblick in den Literaturbetrieb hast? Nach dem Motto: „Was die können, kann ich schon lange. Und besser!“?

Ui, vermintes Gelände! Wer will das schon so von sich selbst sagen. Jeder Autor muss ja doch zumindest soweit an sich selbst glauben, dass er davon ausgeht, seine Texte könnten – außer ihm selbst – irgendjemanden interessieren. Da sind wir als Verlegerautoren oder Agentenautoren nicht die Ausnahme. Ich denke schon, dass uns die professionelle Textsicherheit, die wir nun einmal seit Jahrzehnten trainieren, auch bei eigenen Werken hilft. Lustigerweise ist meine Erfahrung aber im übrigen, dass man als „schreibender Agent“ eher skeptisch beäugt wird: Ob der das kann? Mit anderen Worten, wo mancher vielleicht einen „Heimvorteil“ vermutet, würde ich eher von einem professionellen Malus sprechen. Und es würde mich schon sehr wundern, wenn du den nicht auch schon gelegentlich gespürt hättest.

Touché! Natürlich sind alle ganz höflich und sagen mir die vielleicht unschöne Wahrheit nicht direkt ins Gesicht. Und ich will auch niemandem etwas unterstellen. Aber mein Gefühl sagt mir doch, dass es da auch Missgunst, Neid oder einfach ungute Gefühle gibt. Ist mir aber letztlich egal. Wie reagieren denn deine Autoren, von denen ja nicht wenige Abonnements für Bestsellerlisten haben? Gibt’s da Schulterklopfen oder hochgezogene Augenbrauen?

Die meisten verstehen meine eigene Schreiberei als eine gute Art von Bodenhaftung. Wer selber schreibt, kennt die Kümmernisse, Schwierigkeiten und Probleme des Autorendaseins. Ob es nun um den Text selbst geht, um den Umgang mit dem Verlag, die Resonanz beim Publikum oder um das meist bizarre Missverhältnis von Aufwand und Honoraren. Und das ist auch tatsächlich ein ganz wichtiger und praktischer Aspekt meines Schreibens, dass ich nämlich mittendrin bin und dass ich auch über kreative Aspekte mit den Autoren sprechen kann. Für Neid gibt es in meinem Fall ja auch gar keinen Grund. Zum eigenen Bestseller hat es bisher nicht gereicht. Wer weiß, falls ich mal eine Sternschnuppe sehe, könnte es gefährlich werden …

Mit Neid meinte ich nicht in erster Linie kommerziellen Erfolg (da besteht auch, was mich betrifft, weder Anlass noch Berechtigung). Aber spielen wir’s mal etwas weiter … die Sternschnuppe … die Versuchung … der Wunsch … der definitive Durchbruch des Autors Thomas Montasser. Ich weiß, es ist alles spekulativ und vielleicht auch nicht fair, danach zu fragen – doch würde sich für dich etwas Wesentliches ändern, wenn in die „Einsam- und Schweigsamkeit der Dichterstube“ gleißendes Licht fiele und das Spielbein zu tanzen anfinge?

Wer weiß das zu sagen? Vielleicht würde ich mir doch noch den Wunsch erfüllen, auch noch Verleger zu werden, und dir deinen wunderschönen Verlag abkaufen! Aber nein, deine verlegerische Selbständigkeit würdest du nicht aufgeben, und ohne dich wär’s ja nur noch halb so schön. Ich denke, die Frage nach der „dichterischen Freiheit“ in diesem Wortsinn stellt sich einfach noch nicht. Dafür macht mir dann das Agentsein doch zu viel Spaß. Wie ist das bei dir? Tagträumst du vom reinen Dichterleben? Mit Daniela (Thiele, Verlegerin des Thiele Verlags; Anm. d. Red.) hättest du ja immerhin schon die perfekte Muse.

Na, in puncto schöner Muse spielen wir beide in einer Liga! Okay, so machen wir’s … dein nächstes Buch wird ein Bestseller, mein Verlag wird dadurch teuer, so dass du viel Geld hinblättern musst, wenn du ihn mir abkaufst, aber du hast es ja … wir tauschen die Rollen, ich darf dann bei dir Romane veröffentlichen, meine Muse küsst mich, deine Muse küsst dich … Schöne Aussichten! Autoren im Zimmer mit Aussicht! Champagner in Strömen! Montasser und Thiele am Ziel ihrer Wünsche! Und ein glanzvoller Schlusspunkt für heute. Lieber Thomas, danke für dieses Gespräch!

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