Ist die Ausbildung vor Ort in Gefahr? Peter Cremer über die aktuelle Situation der Buchhandelsfachklasse in Köln

Ist die Ausbildung vor Ort in Gefahr? Weil es zu wenig neue Buchhandelsazubis gibt, soll in Düsseldorf eine Landesfachklasse eingerichtet werden. Damit droht auch die Schließung des Berufsschulstandorts in am Kölner Joseph-DuMont-Berufskollegs. Dabei geht es jedoch nicht nur um den Erhalt der Schule in Köln (und Dortmund) sondern insgesamt um die prekäre Situation fehlender Auszubildenden im Buchhandel.

Die Auswirkungen des Internets auf den Buchhandel machen sich auch in den Ausbilungszahlen bemerkbar. BuchMarkt hat den Kölner Bildungsgangleiter Peter Cremer zur aktuellen Situation befragt.

Welche Gründe gibt es für die mögliche Schließung der Buchhandelsklasse?

Peter Cremer mit dem Aktionsbutton pro Ausbildung
(c) Cremer

Zum einen die seit zwei Jahren viel zu geringe Schülerzahl. Der Richtwert für die Klassenbildung liegt bei 22. In Köln werden zurzeit zwölf (!) Auszubildende in einer Klasse beschult.
Zum anderen der Antrag des Berufskollegs Bachstraße (Düsseldorf) zur Einrichtung einer Landesfachklasse. Dieser Antrag wurde vorab nicht kommuniziert, das heißt, es haben keine Gespräche zwischen den Betroffenen stattgefunden. Insofern wurde der Bildungsgang Buchhandel am JDBK in Köln vom Vorgehen der Düsseldorfer Schule überrascht. Für Düsseldorf als künftigen Standort sprechen ausschließlich die zurzeit insgesamt höheren Schülerzahlen. Dies ist allerdings nur eine Momentaufnahme, deren grundsätzliche Validität durchaus in Frage gestellt werden kann, besonders wenn man die dauerhaft normierende Kraft der möglichen Entscheidung im Blick hat.

Welche Rolle spielt Seckbach dabei?

Das Angebot zum Besuch der (kostenpflichtigen) Berufsersatzschule des Börsenvereins in Frankfurt Seckbach spielt unmittelbar überhaupt keine Rolle. Mittelbar ist jedoch die Entscheidung der großen Filialisten (insbesondere von Thalia und der Mayerschen Buchhandlung), ausschließlich den Standort Seckbach zu nutzen, problematisch für alle anderen Standorte in der Bundesrepublik, die (kostenfreie) staatliche Angebote zur Verfügung stellen, da so die Zahl potenzieller Schülerinnen und Schüler deutlich vermindert wird.

Bilden Buchhändler nicht mehr genügend aus? Warum?

Zwei Begründungen für die Entscheidung, nicht oder nicht mehr auszubilden, hört man immer wieder: Die Qualität der Bewerberinnen und Bewerber lasse zu wünschen übrig bzw. die Zukunftsaussichten in einem sich dauernd und schnell verändernden Markt seien zu wenig vorhersehbar. Beide Aussagen halte ich für nicht zielführend: Denn Qualitäts- oder besser Kompetenzdefizite können ja gerade durch die duale Ausbildung (in Betrieb und Schule) behoben werden. Und: In einer sich ständig verändernden Welt gehört der stetige Wandel ebenso wie lebenslanges Lernen implizit zu jedwedem wirtschaftlichen Handeln. – Inwiefern auch ökonomische (Kosten-)Gründe eine tragende Rolle bei der Entscheidung, nicht auszubilden, eine Rolle spielen, kann ich von außen nur schwer beurteilen.

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch der Blick auf die statistischen Werte, die Buch und Buchhandel in Zahlen präsentiert: Bundesweit scheint der Trend zu immer weniger Ausbildungsverhältnissen gestoppt. Für 2014 war sogar eine leichte Steigerung zu vermelden. Allerdings stellt sich die Frage, ob es da regional unterschiedliche Trends gibt oder ob es einzelne Großbetriebe sind, die das Zahlenwerk an dieser Stelle maßgeblich beeinflussen? Problematisch ist zudem, dass zunehmend buchhändlerische Betriebe Einzelhandelskaufleute ausbilden und beschäftigen. Wie sonst ist es zu erklären, dass beim Mediacampus in Seckbach inzwischen auch die Ausbildung zur Kauffrau/zum Kaufmann im Einzelhandel angeboten und von Ausbildungsbetrieben genutzt wird? Da muss es also eine entsprechende Nachfrage im Markt geben. – Eine mehr als merkwürdige Entwicklung, vor allem, wo doch eben erst das Berufsbild Buchhändlerin/Buchhändler im Einvernehmen aller am Neuordnungsprozess Beteiligten erfolgt ist!

Welche Gründe sprechen für eine Buchhandelsklasse in der Nähe?

Gerade die kleineren und mittleren Betriebe schätz(t)en das Angebot der qualitäts-orientierten und ortsnahen Beschulung, da durch Minimierung von Reisezeiten zum Schulort auch die Verfügbarkeit der Auszubildenden für die betriebliche Ausbildungsarbeit gewährleistet wird. – Im Rahmen der Organisation von Lernzeiten in der Schule gibt es keine Grenzen für kreative Ideen, solange die gesetzlich vorgeschriebenen Standards erfüllt werden. Darüber möchten wir u. a. am 10. März in Köln mit den Verantwortlichen aus den Ausbildungsbetrieben sprechen.

Welche Schwierigkeiten ergeben sich für Azubis und ausbildende Sortimenter, wenn es nur noch eine Landesfachklasse gibt – oder im schlimmsten Fall die Ausbildung ausschließlich in Seckbach möglich wäre?

Dass es in einem Flächenland wie Nordrhein-Westfalen kein staatliches Angebot für die Beschulung von Buchhändlerinnen und Buchhändlern geben wird, das halte ich für ausgeschlossen. Genau aus diesem Grund gibt es ja das Angebot zur Einrichtung einer Landesfachklasse. Eine ausschließliche Beschulung aller NRW-Auszubildenden in Seckbach ist weder denkbar noch wünschenswert. – Allerdings fördert der unter ökonomisch-quantitativen Aspekten entwickelte Zentralisierungsgedanke die Gefahr, dass Betriebe eben gar nicht mehr ausbilden, weil die Auszubildenden zu weit entfernt vom Standort des Ausbildungsbetriebs die Schule besuchen müssen. Möglicherweise gibt es auch qualitativ begründete Entscheidungen einzelner Betriebe. Diese spielen jedoch in der aktuellen Standort-Diskussion keine Rolle.

Was müsste geschehen, damit der Standort in Köln erhalten werden kann?

Diese Frage ist ebenso einfach zu beantworten wie die Umsetzung in der Realität schwierig ist: Werden am Standort Köln 22 Auszubildende für das nächste Schuljahr angemeldet, bleiben erprobte und qualitativ hochwertige (da branchenspezifische) Angebote des JDBK erhalten. Das heißt: Wir stehen bereit – wenn die Betriebe Ausbildungsverträge in ausreichender Zahl abschließen!

In der Pressemeldung hieß es, die Ausbildungszahlen sind ausschlaggebend für den Standort der Landesfachklasse. Ihre Einschätzung: Warum sind im Augenblick mehr Azubis in Düsseldorf?

Diese Frage müssen Sie den Betrieben stellen. – Die Daten, die das Adressbuch für den deutschsprachigen Buchhandel liefert, sprechen eine eindeutige Sprache: Potenzielle Ausbildungsbetriebe gibt es landesweit in allen Regionen und Einzugsgebieten in genügender Anzahl. Buch und Buchhandel in Zahlen belegt zudem eindrucksvoll, dass die wirtschaftliche Situation der Branche, besonders im stationären Bereich, sich entspannt, ja sogar: sich (leicht) verbessert! – Jetzt müssen nur noch Taten folgen. – Deshalb kann ich den Betrieben nur zurufen: Bilden Sie aus und sichern Sie so Ihre Zukunft!

Es gibt ja schon viele Reaktionen auf die aktuellen Meldungen. Sind schon viele Stellungnahmen und Solidaritätsadressen bei Ihnen eingetroffen?

Seitdem wir die Problematik so offensiv kommunizieren, erreichen uns viele wohlmeinende Stellungnahmen und Solidaritätsadressen, die uns bestärken, alles zu versuchen, die drohende Schließung des Schulstandortes Köln zu verhindern. – Die Unterstützung durch den Börsenverein, von Verlegern, Zwischenbuchhändlern und engagierten Sortimenten ist geradezu atemberaubend. Stellvertretend für die Vielzahl der eingegangenen Zuschriften möchte ich an dieser Stelle das Schreiben der Kurt Wolff Stiftung anführen, die immerhin für 69 (!) renommierte Verlage spricht: download(KWS.pdf)

Auch der Zuspruch, der durch die vielen Kommentare und Reaktionen von Buchhändlerinnen und Buchhändlern unter http://de-de.facebook.com/jdbkkoeln zum Ausdruck kommt, ist überwältigend. Natürlich tut das gut! Allein: Die Folgeschritte sind nun entscheidend, denn: Ohne Schülerinnen und Schüler gibt es kein ortsnahes schulisches Ausbildungsangebot.

Welche Reaktionen beobachten Sie bei den Azubis?
Nach kurzer Schockstarre findet auch unter den Schülerinnen und Schülern eine deutlich spürbare „Jetzt erst recht-Stimmung“ Ausdruck. Die zahlreichen Stimmen aus der Branche machen wir öffentlich, Ausdrucke von Mails, die Briefe … alles füllt die Buchhandels-Pinnwand, sodass auch die Auszubildenden hautnah erfahren können: Da wird sich gekümmert, da wird Flagge gezeigt, da wird etwas für uns getan, denen sind wir wichtig! Und so wie das Lehrerteam sich freut, so stolz sind auch unsere Auszubildenden, nämlich darauf, Teil einer Branche zu sein, die – um es mit den Worten des Nobelpreisträgers Albert Camus zu sagen – der Ohnmacht ein DENNOCH anhängt!

Die Fragen stellte Friederike v. Raison

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