Berlin: „Indie“ an Roland Reuß verliehen

Zum Abschluss der Woche unabhängiger Buchhandlungen wurde gestern Abend in Berlin der erste Indie, der Preis der unabhängigen Buchhandlungen an den Literatur- und Editionswissenschaftler Roland Reuß (Foto) [mehr…] verliehen.

Der Preis geht an Personen, Institutionen oder Buchhandlungen, die sich in besonderer Weise um den unabhängigen Buchhandel verdient gemacht haben.

David Mesche, Mitinhaber der Buchbox in Berlin, begrüßte den Preisträger im Admiralspalast und berichtete zunächst vom Erfolg der von ihm initiierten Woche der unabhängigen Buchhandlungen [mehr…]: Über 500 Buchhandlungen hätten sich mit teils „verrückten Aktionen“ beteiligt. Der Erfolg habe die Wahrnehmung verändert, so Mesche. Es sei deutlich geworden, dass der unabhängige Buchhandel viel leistet. „In welchem Bettengeschäft kann man sich schon nachts einschließen lassen?“

Der Publizist Roger Willemsen, der ein rasantes Plädoyer für den unabhängigen Buchhandel hielt, freute sich, gemeinsam mit dem Publikum bei der Geburtsstunde des Indie dabei zu sein, und prophezeite dem Projekt eine große Zukunft.

Es gebe keine andere Branche, die auf solch energische Weise selbstlos sei, sagte Willemsen. Unabhängige Buchhändler sorgten dafür, dass der kostbare Rohstoff des Enthusiasmus im Buchmarkt erhalten bleibt. „Eine Buchhandlung kann ein Individuum sein, ein Individuum, das man immer wieder gerne besucht.“

Unabhängige Buchhändler aus ganz Deutschland hatten Kandidaten für den Indie nominiert, aus denen die Jury, bestehend aus Thomas Böhm, Jo Lendle, Marion Brasch, Stefan Weidle und Torsten Casimir, drei Preisträger ermittelte. Vertreter des dritten Preisträgers, der Buchhandlung Lessing und Kompanie aus Chemnitz, konnten an diesem Abend nicht anwesend sein. Sie hätten durch ihre Fotoblogaktion „Kunden und ihre Lieblingsbücher“ die Kunden in den Vordergrund der Sortimentsarbeit gestellt, zitierte Willemsen aus der Begründung. „Sie haben die Branche mit ihrer Idee belebt und wurden Vorbild für viele andere ähnliche Aktionen.“

Besonders freute sich Roger Willemsen über den zweiten Preisträger, Margarete und Michael Riethmüller, Inhaber der Buchhandlung RavensBuch. „Bei Ihnen war ich schon zu Gast“ sagte er. „Überschwenglicher kann man ihre Arbeit nicht loben.“ Ausgezeichnet werden Margarete und Michael Riethmüller, „weil sie an ihren beiden Standorten Ravensburg und Friedrichshafen zum Erhalt einer vielfältigen Literaturszene beitragen und die Gründung der Buy Local Initiative vorangetrieben haben.“

Thomas Böhm, der scheidende Programmleiter des internationalen literaturfestivals berlin, riet in seiner Laudatio auf den Preisträger allen Buchhändlern, die Bücher von Roland Reuß zu lesen und neben der Kasse zu arrangieren. Es sei das Tolle an Reuß’ Büchern, dass er nicht nur eigene Gedanken entwickelt, sondern dem Leser auch Texte anderer Autoren öffnet, sagte Thomas Böhm bevor er Reuß eine Kiste voller Buchgutscheine überreichte, die unabhängige Buchhandlungen aus ganz Deutschland gespendet hatten.

Die erwähnten Titel von Roland Reuß: Die perfekte Lesemaschine (Wallstein), Fors. Der Preis des Buches und sein Wert und Ende der Hypnose. Vom Netz und zum Buch (beide Stroemfeld).

Es sei gut, dass die Buchhändler aus ihrer Erstarrung erwacht seien, sagte Roland Reuß. Slogans wie „Das Buch ist tot“, lanciert von Steve Jobs, hätten sich negativ auf die Stimmung ausgewirkt. Reuß engagierte sich in seiner Dankesrede einmal mehr gegen die Marktmacht von Amazon und anderer Konzerne und plädierte für Mischkalkulation, dezentrale Distribution und den Erhalt der Buchpreisbindung. Die „Gehirnwäsche“ fange schon mit einem Ausdruck wie „Amazon Preis“ an, der suggeriere, dass Amazon den Preis festsetzt. Es gelte, extrem aufmerksam zu sein.

Außerdem müsse in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die Leistung der unabhängigen Buchhändler geschaffen werden. Buchhändler seien Kulturscouts, bekämen aber keine gesellschaftliche Anerkennung. „Auch früher konnten Buchhändler nicht Millionär werden, aber sie hatten eine gute Reputation. Die muss wieder hergestellt werden“, so Reuß. „Ein kulturelles Desaster kann nur durch Bewusstseinsänderung geschaffen werden.“

Damit habe Reuß einen Resonanzraum geschaffen, freute sich Thomas Böhm und kündigte für das nächste Jahr eine neue und größere Ausgabe der Woche unabhängiger Buchhandlungen an.

ml

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