Das Sonntagsgespräch WBG-Chef Andreas Auth: Google schaltet und waltet seit Jahren nach Gutsherrenart

US-Richter Denny Chin hat die Klage der Authors Guild wegen unerlaubten Kopierens von Büchern durch Google zurückgewiesen [mehr…]: Dieses Verfahren und die Verbreitung von Snippets (also kurzen Auszügen) widerspreche dem amerikanischen Urheberrecht nicht und kurbele die Buchkäufe durch diese „Appetit-Häppchen“ eher an.

Andreas Auth (Foto), geschäftsführender Direktor der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt, beobachtet das Vorgehen von Google seit Jahren kritisch. Schon 2006 erwog er eine Klage gegen die amerikanische Datenkrake, die sich über europäisches Urheberrecht generös hinwegsetzt. Was bedeutet das aktuelle Urteil für ihn?

Andreas Auth

BuchMarkt: 2006 haben wir ein Interview mit dem Titel „Google auf die Finger sehen“ gemacht: Damals ging es um Ihren Versuch, Google wegen Urheberrechtsverletzungen zu verklagen. Müsste man heute nicht genau anders herum formulieren: Google sieht uns auf die Finger? Und zwar immer und überall?

Andreas Auth]: Die Zeit ist nicht stehen geblieben. Seit 2006 hat Google seine führende Stellung als internationale Suchmaschine ausgebaut und eine Fülle zusätzlicher Anwendungen eingeführt, mit deren Unterstützung Daten und Informationen in einer unglaublichen Fülle eingesammelt, bewertet und verdichtet werden, um sie letztendlich für kommerzielle Zwecke zu nutzen. Durch das Mobile Computing und die rasante Einführung von Smartphones und Tablets können darüber hinaus die Profile der Nutzer durch Bewegungsdaten angereichert werden. Darüber, wie gläsern der Bürger wirklich ist, wird heftig diskutiert. Persönlich bin ich der Meinung, dass schnellstmöglich internationale Rahmenbedingen geschaffen werden sollte, um klar abzugrenzen, was erlaubt ist und was nicht.

Letzte Woche hat Richter Denny Chin die Klage der Authors Guild wegen unerlaubten Kopierens von Büchern durch Google zurückgewiesen. Ist damit jetzt jeder Zug abgefahren? Kann Google nun schalten und walten nach Gutsherrenart? Richter Chin sieht ja mit den Snippets einen „signifikanten Nutzen für die Allgemeinheit“. Muss ich mir als Autor gefallen lassen, diesen Nutzen kostenlos und gegen meinen Willen zu stiften?

Das „nun“ war sicherlich ironisch gemeint. Google schaltet und waltet seit Jahren nach Gutsherrenart. Unabhängig von Gerichtsverfahren, Verfügungen und kritischer Berichterstattung werden z.B. seit Jahren die Bestände von Bibliotheken im großen Stil ohne Zustimmung der Urheber und Rechteinhaber digitalisiert, zum Nachteil derer, die die Werke in der Regel mit erheblichem zeitlichen und finanziellen Einsatz erschaffen haben. Auch wenn die Authors Guild Berufung einlegen wird und der Rechtsweg weiter beschritten wird, glaube ich nicht, dass am Ende etwas Wesentliches am Urteil verändern wird. Dies liegt daran, dass die Gerichte in den USA den Begriff des „Faire use“ zunehmend weit auslegen. Sehr positiv darf man werten, dass das Urteil wenigstens deutlich gemacht hat, dass nicht gesamte Werke oder große Textpassagen veröffentlicht, sondern nur kleine, nicht Sinn stiftende Textschnipsel verwendet und diese nicht für werbliche Zwecke genutzt werden dürfen.

Nun ist der Richterspruch ja in den USA erfolgt. Was heißt das für Deutschland?

Aufgrund des Territorialitätsprinzips arbeitet Google faktisch in allen Ländern sehr ähnlich, so dass die negativen Auswirkungen in Deutschland genauso groß sind wie in allen anderen Ländern. Natürlich hätte der deutsche Gesetzgeber die Möglichkeit, die Praxis in Deutschland weiter einzuschränken oder sogar zu unterbinden. Würde so entschieden werden, könnte Deutschland seinen hohen Rechtsstandard weiter absichern, wie es z.B. auf anderen Feldern bereits gelebt wird – man denke nur an das starke Persönlichkeitsrecht in Deutschland. Aufgrund der öffentlichen Stimmungslage sehe ich derzeit wenig Initiativen hierfür.

Chin meinte, die Snippets – also kurze Ausschnitte aus Büchern, die die Google-Suche sichtbar macht – seien eher ein Kaufanreiz für Bücher. Sehen Sie das auch so?

Was ich oder andere glauben, ist eigentlich egal, denn wir haben keinen Einfluss darauf. In vielen Blogs wird über diese Frage heftig diskutiert. Viele Autoren sind der Meinung, wenn ihr Werk – gerade im fachlichen Umfeld – ausgewertet werden soll, dann soll hierfür das Werk vorab gekauft oder die digitalen Rechte eingeholt werden. Ich persönlich bin der Meinung, dass die negativen Auswirkungen deutlich überwiegen werden und das es zunehmend schwerer wird, die Kosten eines Buchs durch den Verkauf der Bücher und ihrer Inhalte zu decken!

Was könnte oder müßte die deutsche Politik jetzt Ihrer Meinung tun? So richtig – außer sich ein wenig aufplustern – tut sie ja nicht einmal, wenn die NSA ganz Europa bespitzelt. Außer, es geht um das Handy von Angela Merkel…

Viele Politiker verstehen mittlerweile die Risiken, die mit zunehmender Geschwindigkeit aus einem ungeregelten Internet erwachsen und zwar auf ganz unterschiedlichen Feldern. Jedem ist klar, dass die Herausforderungen nicht national, wahrscheinlich nicht mal europäisch, sondern nur international geregelt werden können. Ich meine, das ist die einzige wirkliche Chance, um einen Teil des Internets in den Griff zu bekommen.

Wie wird das Urteil in den USA die Verlagswelt Ihrer Meinung nach verändern?

Durch das Urteil wird die Monopolstellung von Google weiter gefestigt. Sucht man in Büchern oder will man z.B. nach bestimmten Textpassagen oder Begriffen recherchieren, wird Google Books die erste Adresse sein. Bisher hat sich Google noch nicht als erfolgreicher Händler bzw. Buchverkäufer hervorgetan. Sollte diese Kompetenz hinzuwachsen, wird Google den Verlagen die Rahmenbedingungen diktieren, davon bin ich überzeugt.

Die Fragen stellte U. Faure.

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