Berlin: Gute Stimmung bei der Verleihung des Internationaler Literaturpreises im Haus der Kulturen der Welt

Ein Fest für die Literatur. Gestern Abend hat das Berliner Haus der Kulturen der Welt in Zusammenarbeit mit der Stiftung Elementarteilchen bereits zum fünften Mal den Internationale Literaturpreis [mehr…] verliehen. Das wurde mit einer Langen Nacht der Shortlist auf der weitläufigen Dachterrase des Hauses der Kulturen der Welt gefeiert.

Das Besondere des Preises ist, dass er nicht nur die Autoren, sondern auch die Vermittlungsarbeit der Übersetzer würdigt. Bernd M. Scherer, der Intendant des Hauses verglich in seiner Begrüßung die Leistung der Übersetzer mit einer Sisyphusarbeit. „Wer an dieser Aufgabe nicht verzweifelt, hat die Chance zu gewinnen.“ In diesem Jahr ging der Preis an den aus Nigera stammenden und in den USA lebenden Autor Teju Cole und Christine Richter-Nilsson. Ausgezeichnet wurde Teju Cole für sein im Suhrkamp Verlag erschienenes Erzähldebüt Open City. Christine Richter-Nilsson hat das Werk aus dem Englischen übersetzt.

Der Autor schickt in Open City seinen Romanhelden Julius in New York auf den Weg der Selbstfindung. Teju Cole widerstehe dabei der Versuchung, im Namen einer sozialen Klasse oder ethnischen Gruppe zu argumentieren, und spreche nur für sich selbst, heißt es in der Laudatio von Jury-Mitglied Hans Christoph Buch, die Claudia Kramatschek, ebenfalls Mitglied der Jury, vorgetragen wurde. „Die hinter der Fassade politischer Korrektheit lauernde, subtile Diskriminierung von Arabern und Schwarzen lehnt er ebenso vehement ab wie den unter seinen Brüdern und Freunden verbreiteten Antizionismus mit gleitendem Übergang zum Antisemitismus.“ Buch lobte den Roman für seine detailgenaue, rhythmisierte Prosa, deren Sog den Leser mitreißt, aber auch „für eine andere, schwer zu benennende Qualität. Früher sagte man Ehrlichkeit dazu, aber Begriffe wie existenzieller Ernst oder Wahrhaftigkeit sind angemessener, denn der Autor dieses Erstlingsbuchs trumpft nicht mit seinem Können auf, im Gegenteil: Er beherrscht die selten gewordene Kunst, sich selbst und die im Roman geschilderte Welt, einschließlich seines Protagonisten, in Frage zu stellen und damit für Leserinnen und Leser kritisierbar zu machen.“ Der Übersetzerin sei es gelungen, die sprachliche Gestalt des Texts wiederzugeben, so Buch weiter. „Stilsicher nutzt sie die Register der Sprache, um Coles kunstvolle Verflechtungen von essayistischer Reflexion und aufgeladener Bildgenauigkeit zu rekonstruieren.“

Begonnen hatte der Abend mit einer Festrede des schwedischen Schriftstellers Aris Fioretos, Vize-Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, über Integration, Entwurzeltsein und die Kraft der Literatur. Die Festrede beginnt so: Lieber Roman, schwer zu erkennen, wer du heute bist, unmöglich zu sagen, was du morgen sein könntest, aber aus der Vergangenheit wissen wir, dass du, seit die Zeitungen begonnen haben, dich in ihren Feuilletons abzudrucken, in den meisten denkbaren Formen aufgetreten bist, von Familiensagas voller Säbelrasseln und Samowaren bis zu Eigenbrötlern, die sich an gottverlassenen Ufern Steine in den Mund stopfen, was mich dazu verleitet, da ich heute Abend endlich einmal feierlich über dich reden darf, von deiner Zukunft mit Hilfe von sieben Topoi, wie die Rhetorik sie einst nannte, zu träumen, also sieben „Orten“ oder „Stationen“ eines Gedankengangs, denn so viele Kontinente gibt es ja auf Erden, und da wir uns gerade in einem Haus der Kulturen der Welt befinden, sollten wenigstens ebenso viele Ecken ihres Domizils erkundet werden, weshalb ich damit anfangen möchte, was zu jedem Zuhause gehört, nämlich mit der Frist. Am kommenden Sonntag, dem 16. Juni, lohnt sich der Gang zum Kiosk. Dann wird der Berliner Tagesspiegel die Rede abdrucken.

ml

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