Madeleine Albright: Erinnerungen an Prag

Madeleine Albright

Gestern konnte in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt am Main ein besonderer Gast begrüßt werden: Madeleine Albright.

Im Gespräch mit Felicitas von Lovenberg erfuhren die Zuhörer, warum sie das Buch Winter in Prag, gerade im Siedler Verlag erschienen, entstanden in Zusammenarbeit mit Bill Woodward und aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Norbert Juraschitz, geschrieben hat und was es für sie bedeutet.

Madeleine Albright wurde 1937 als Marie Jana Korbelová in Prag geboren. Die Familie floh 1939 nach London, kehrte 1945 nach Prag zurück und verließ 1948 die Tschechoslowakei, um sich in Denver (Colorado) niederzulassen.

Die Veranstaltung, organisiert in Kooperation mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, dem US-Generalkonsulat Frankfurt und The American Academy in Berlin war ausgebucht – nicht alle Interessierten fanden im Saal Platz.

Generaldirektorin Elisabeth Niggemann begrüßte den hohen Gast, dann trat Jeffrey Hill, Leiter der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit im US-Generalkonsulat, ans Mikrofon und hieß seine ehemalige UN-Botschafterin und erste Außenministerin der USA willkommen. Madeleine Albright sei eine seiner Heldinnen, verriet Hill.

Erst 1996, kurz vor ihrem Amtsantritt als Außenministerin, erfuhr Madeleine Albright, dass sie jüdische Wurzeln hat. „Hier beginnt die Geschichte“, sagte Albright. Sie sprach mit ihren drei Töchtern, die ebenfalls an der Familienhistorie interessiert waren. Sie setzte sich auch mit ihren beiden Geschwistern in Verbindung. „Das Buch hat verschiedene Ebenen“, sagt Albright. Jüdische und tschechoslowakische und ganz persönliche Geschichte spielen eine Rolle und die Erkenntnis, dass es keine hundertprozentig richtigen Entscheidungen gibt, die Welt nicht Schwarz-Weiß ist sondern eine Unmenge von Grautönen aufweist.

Madeleine Albright fand in einem Karton Aufzeichnungen ihres Vaters, des Diplomaten Josef Korbel. Eine aufregende Entdeckung. Er hatte die Geschichte eines jungen Mannes geschrieben, der nach Spuren seiner Vergangenheit suchte. Doch ihre Eltern hatten nie mit ihr darüber gesprochen, dass viele Familienmitglieder Holocaust-Opfer waren. „Ich dachte immer, meine Großeltern waren eines natürlichen Todes gestorben“, sagte Albright. Sie schilderte die Umstände, als sie von ihrer wahren Familiengeschichte erfuhr. „Es war eine schwierige Zeit“.

Für Winter in Prag, im Untertitel Erinnerungen an meine Kindheit im Krieg, hat Madeleine Albright viel recherchiert, ist an die Orte ihrer Kindheit und Jugend zurückgekehrt. In Prag erhielt sie in den 1990er Jahren viele Akten über ihren Vater, im ehemaligen Londoner Appartement der Familie Korbel wollte man ihr nicht glauben, dass sie je da gewohnt hat. „Doch es war die selbe grüne Farbe, die ich aus meiner Kindheit kannte“, erinnerte sich Albright.

Das Buch ist auch eine Erklärung der tschechischen Geschichte. Die Autorin setzt sich mit der Rolle von Edvard Beneš auseinander, sieht ihn als differenzierte Persönlichkeit. „Beneš stand vor vielen Problemen und musste entscheiden, ob er allein gegen Hitler kämpfen oder den Frieden möglichst erhalten wollte“, sagte Albright.

„Ich wollte fair sein in meinem Buch und will, dass die Menschen verstehen, wie schwierig es manchmal ist, Entscheidungen zu treffen. Politik ist kein Schachspiel“, erklärte die ehemalige Außenministerin.

In Prag fühle sie sich zu Hause – als sie nach langer Zeit das erste Mal wieder über die Karlsbrücke lief, war ihr, als sei sie nie weg gewesen.

Die Autorin hatte nach diesem ernsten, aber auch humorvollen Gespräch keine Zeit zum Ausruhen: Die Schlange der Menschen, die das Buch von Madeleine Albright signieren lassen wollten, war groß. Sie nahm sich für alle Zeit.

JF

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