Interview mit Eichborn-Betriebsrats-Vorsitzendem Claus Mirlach

Keiner, der in den letzten Tagen nicht die Vorgänge um Eichborn verfolgt hätte. Vieles wurde da zunächst hinter vorgehaltener Hand getuschelt, Fakten waren eher Mangelware. buchmarkt.de hat Betriebsratsvorsitzenden Claus Mirlach um Klartext gebeten.

buchmarkt.de: In den offiziellen Verlautbarungen zu Eichborn klingt alles immer ein bisschen nach heiler Welt: Sitzverlegung, gesicherte Zukunft… Ganz direkt gefragt: Wenn nur 13 Eichbörner nach Berlin gehen, was bleibt von der Grundsubstanz des Verlages?

Claus Mirlach

Claus Mirlach: Unabhängig davon, wie viele Mitarbeiter jetzt nach Berlin gehen – die 13 Mitarbeiter, die Sie ansprechen, haben ja auch Änderungskündigungen bekommen und müssen noch für Berlin gewonnen werden – ist es für Eichborn in erster Linie wichtig, dass die Finanzierung für eine Zukunft steht. Matthias Koch hat hier von Anfang überzeugend dargelegt, daß er Willens und in der Lage ist, am Moritzplatz mit nachhaltigem Engagement ein Zentrum für Kultur und Kreativität zu schaffen, was auch Verlagen in ihrer programmatischen Unabhängigkeit eine Perspektive ermöglicht. Im Gegensatz zu Ludwig Fresenius, der in seiner Handlungsfähigkeit durch aktienrechtliche Hürden leider nur sehr eingeschränkt seine unternehmerischen Akzente setzen konnte.

Wie eigenständig kann ein Eichborn Verlag mit seinen Programmschwerpunkten auf Belletristik und Sachbuch – vernachlässigen wir mal die Humorsparte – unter dem Dach von Aufbau sein, der ja ebenfalls auf Belletristik und Sachbuch spezialisiert ist?

Gegen den Einheitsbrei hat der Eichborn Verlag in über 30 Jahre Eigenständigkeit gelebt. Und im Meistern von Krisen sind wir sicherlich Weltmeister. Die Bandbreite von Provokationen bis zur Geschmacklosigkeit – daher ist der Humorbereich ganz und gar nicht vernachlässigbar! – und hochliterarische Wagnisse (wie die Andere Bibliothek) glaubhaft unter einem Dach abzubilden, sind doch keine Selbstverständlichkeit. Der Versuch einer Disziplinierung über Sinus-Schemata und Strukturgedöns waren in der jüngster Vergangenheit sicherlich Kardinalfehler, die auch von beispiellosem Mangel an Inspiration zeugen. Zumindest hat man damit auch die Erde verbrannt, auf der Eichborn hätte wachsen können.

In den Presseerklärungen steht immer etwas von Interessensausgleich für die Mitarbeiter. Das klingt nett, täuscht aber doch ein bisschen über die Tatsache hinweg, dass nun 35 hochqualifizierte Leute ihren Job verlieren, oder?

Mal abgesehen davon, daß ein Interessensausgleich für das Unternehmen geschlossen wird und nicht ‚nur’ für die Mitarbeiter, sind das auch für jeden Einzeln ganz persönlich bittere Momente. Wer Eichborn verlassen wird, hat aber nicht nur gute Qualifikationen in seinem Arbeitsfeld, sondern auch in den viele Jahre der Wellentäler erfahren, was es heißt, sich für ein Unternehmen mit Herz und Leidenschaft reinzuhängen. Den Eichbörnern wurde immer unterstellt, wir sind ein ‚unregierbarer Haufen’. Das nehmen wir als Kompliment, den wenn es um die Sache (Eichborn) geht, muß man sich nicht nur krumm, sondern auch quer legen.

Das alles klingt, als hätte der Betriebsrat nicht allzuviel erreicht. Noch Ende Januar sagten Sie: „Für uns gibt es aktuell keine Grundlage zu einem Umzug nach Berlin“ und forderten ein Konzept. Gibt es das inzwischen?

Das Konzept besteht momentan hauptsächlich aus der Vision der Familie Koch. Und die Ansätze, wie das Gebilde dann funktionieren soll, sind erkennbar. Als Betriebsrat haben wir sehr spät und nur auf Nachfragen Informationen von der Geschäftsführung bekommen. Wir konnten von unserer Seite viele Hinweise zur Ausgestaltung geben. Herr Koch handelt als freier Unternehmer und wird als Finanzier auf die Ausarbeitung der Details (Handlungsrahmen der leitenden Mitarbeiter in Programm, Presse, Lizenzen, Marketing, sowie den Geschäftsbesorgungsverträgen) drängen. Mit Ralf Alkenbrecher hat er ja auch einen, der schon meines Wissens früher bei S. Fischer im Vertrieb belegt hat, wie man Mitarbeiter gewinnt und motiviert. Und Marketing zum Beispiel hängt ja auch mehr vom Budget und vor allem Einfallsreichtum ab.

Die ganze „Casa Eichborn“ ist eigentlich etwas merkwürdig kommuniziert worden: Zuerst war von einer Vertriebskooperation mit Aufbau die Rede, dann fiel der Begriff „Liebesheirat“, und dann gab es jede Menge Gerüchte, die sich mehr oder minder alle bestätigten. Nach Konzept klingt das alles nicht…

Eichborn und Aufbau sind in ihrer Ausrichtung programmatisch und traditionell sehr unterschiedliche Verlage. Die notwendigen Prozesse erfolgreich zu gestalten und zusammen zu führen, erfordert viel Hirnschmalz und Motivation. Die Situation ist für beide Verlage (mal abgesehen von den Vertriebskooperationen, die ja beide praktizieren) neu. Aber es wird nicht das Rad neu erfunden. Dass dies gelingen kann, da kann man auf die MitarbeiterInnen von Eichborn und Aufbau vertrauen. Das ist Business, keine ‚Liebesheirat’. Da ist mir auch nur ein Fall bekannt (Kuss an Annika).

Diese Änderungverträge für die 35 betriebsbedingt gekündigten Mitarbeiter – was hat es damit auf sich? Und was sind die Kriterien, wer sie angeboten bekommt?

Hier sollen zügig Gespräche mit Eichbornmitarbeiterinnen (Gehalt und Eichbornjahre sollen wohl übernommen werden) vom Aufbau Verlag und der Aufbau Media geführt werden. Es ist aber auch selbstverständlich, dass ich mich zu den Absichten und Vorgehensweise anderer Unternehmen nicht äußere.

Was sind jetzt die nächsten Schritte, und was kann der Betriebsrat noch tun?

Mit dem Interessensausgleich ist auch der Rahmen für die Sozialplanhöhe verhandelt worden. Die Einzelheiten, die ein Sozialplan vorsieht, werden im Laufe diese Woche von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ausgehandelt.

Gehen Sie selbst mit nach Berlin?

Nein. Die Optimierungen greifen ja, siehe Vertriebskooperationsvertrag, im Vertrieb und später im Bereich Auslieferung. Bisher habe ich hierzu kein Gesprächsangebot. Außerdem bin ich nicht nur familiär in Rhein-Main verwurzelt. Nach so vielen bewegten Jahren bei Eichborn kümmere ich mich vielleicht mal um meine Immobilien, ziehe mit Schafen durch Wetterau. Pressesprecher wäre auch mal was. Hauptsache es macht Freude und hat Qualität.

Die Fragen stellte Ulrich Faure.

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