Das Sonntagsgespräch Albrecht Götz von Olenhusen: Satire – eine Ehrensache

Albrecht Götz von Ohlenhusen
Foto: M.Goessmann
djv-blickpunkt Stuttgart

Satire – eine Ehrensache. Beiträge zur Rechts- und Zeitgeschichte heißt das neueste Buch von Dr. Albrecht Götz von Olenhusen. Diese Aufsatzsammlung – und einige seiner launigen Beiträge zu des öfteren gar nicht launigen Vorfällen erschienen zuerst in BuchMarkt – hat der Verlag Medien und Recht in München publiziert.
Götz von Olenhusen, Rechtsanwalt in Freiburg i.Br., Lehrbeauftragter der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf und Vorstandsmitglied der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, ist Autor mehrerer Bücher. Als Verteidiger im Tannöd-Prozess gegen Andrea Maria Schenkel (Edition Nautilus) zeigte er, wie grotesk doch so manches Gerichtsverfahren sein kann…

Ulrich Faure: Sie haben unter dem schön doppeldeutigen Titel „Satire – eine Ehrensache“ Ihre Beiträge zur Rechts- und Zeitgeschichte als Buch veröffentlicht (Verlag Medien und Recht, München 2010). Wie würden Sie es einschätzen: Hat sich Verhältnis Satiriker und Rechtsordnung eher verschärft oder entspannt?

Albrecht Götz von Olenhusen: Generell ist die Beziehung heutzutage entspannter als noch vor Jahren. Da empfahl Henscheid künftigen Satirikern, erst mal tüchtig mit dem Sparen zu beginnen – wegen der exorbitant hohenSchmerzensgelder für die armen Opfer der Satire. Speziell kanns gespannter zugehen als etwa in den Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als ein Karl Kraus oder ein Kurt Tucholsky sich cum grano salis in relativ freier Rede bewegen konnten. Andererseits: Manche politische Satire war damals oft gefährdeter als heute. Derzeit regiert so etwas wie eine Neue Empfindlichkeit von Gruppen und Grüppchen und anderen Sensibelchen, die ihre fragwürdigen Privatsphären außer gegen autorisierte rühmliche Homestories unbedingt schützen möchten. Oder sie als Geldquelle betrachten.

Ulrich Faure: Als juristischer Laie schüttelt man über so manchen Richterspruch den Kopf: Unser Kolumnist Rainer Dresen mußte vor den Kadi, weil er als Random House-Justitiar angeblich einem PoD-Autor den Titel „Elfenmond“ geklaut habe; das Verfahren wurde auf Steuerzahlers Kosten über mehrere Instanzen geführt, bis Dresen endlich von den absurden Vorwürfen freigesprochen wurde. Da fragt man sich doch: Haben sie die noch alle?

Albrecht Götz von Olenhusen: Titelschutz ist heute nach wie vor ein beliebtes Kampffeld – und Titelklau auch ziemlich verbreitet – im Falle „Elfenmond“ war freilich mancher ziemlich weit hinter demselben. Ihre ja irgendwie sehr schön beleidigend gemeinte Frage, ob „die“, wen immer Sie da meinen, noch alle haben, kann ich, so gern ich’s auch täte, jedenfalls personell nicht präzise genug beantworten. Ich kann mir aber „den einen“ oder „die anderen“ gut vorstellen…

Ulrich Faure: Weitgehend absurde Züge hatte auch der von Ihnen für die Bestseller-Autorin Andrea Maria Schenkel (Edition Nautilus) geführte Plagiats-Prozess, oder, genauer gesagt: dass Sachbuchautor Peter Leuschner mit einer Plagiatsklage um die Ecke kam, als Schenkels Buch ganz unerwartet alle Bestseller-Listen stürmte. Dabei war doch eigentlich jedem normal denkenden Menschen klar, dass die von Frau Schenkel verwendeten historischen Fakten gemeinfrei sind. Was treibt solche Autoren zu solchen Klagen?

Albrecht Götz von Olenhusen: Plagiatsprozesse, auch z.B. der um „Da Vinci Code“ in London oder der jüngste Casus um Rowlings Bestseller haben oft die Funktion, einem nicht so glücklichen Autor ein Forum zu verschaffen, das seiner Werbung und gepeinigten Seele nützt. Einfach sind solche Verfahren leider nicht – zumal dann, wenn sie mit publizistischer Begleitmusik geführt werden, um einem vermeintlichen einträglichen Beteiligungsanspruch etwas Nachdruck zu verleihen.

Ulrich Faure: Im Medienalltag ist die Grenze zwischen Satire und sensationshaschenden Frechheiten mittlerweile oftmals fließend. Wo hört die Satire auf, oder anders gefragt: Wo hört für Sie der Spaß auf, wann tritt der Jurist in Ihnen auf den Plan?

Albrecht Götz von Olenhusen: Der Jurist arbeitet mit der schnöden Faustregel der „Schmähkritik“. Alles, was unterhalb der Gürtellinie liegt, kann problematisch werden. Aber wo liegt diese Linie ? Bei manchen schon in Höhe des Nabels,bei anderen am Knie oder in der Nähe anderer Weichteile. In Österreich ist „der Schmäh“ eine hoch geschätzte Eigenschaft der treffenden Verbalisierung. Manchmal verstehen deutsche Gerichte gar keinen Spaß. Im Fall Dr. Sommer vs. „Wirtschaftswoche“, Düsseldorf, zum Beispiel fand ich die Ansicht des Bundesgerichtshofs, die Verfremdung des Gesichts sei eine gekonnte satirische Collage, einfach überzeugend. Aber die hohen Verfassungsrichter sahen das hehre Antlitz des Herrn Sommer ganz anders. Das war nicht vorhersehbar, schon gar nicht bei einem Prozess seit dem Jahre 2000 und den unterschiedlichsten Ergebnissen. Da wird Rechtskunde zum reinen Roulette.

Ulrich Faure: In Ihrem Buch geht es nicht allein um „branchenrelevante“ Prozesse: Sie schreiben auch über Leni Riefenstahl oder den ehemaligen Telekom-Chef Ron Sommer. Wie kommt es, dass Gerichte eine zunehmende Menge absehbar absurder Prozesse überhaupt zulassen? Haben die nichts Besseres zu tun?

Albrecht Götz von Olenhusen: Ein Kollege hat hier gutgemeinten Rat zur Hand, den Rechtsweg für solche Fälle einfach zu verrammeln. Aber es gibt eben, allgemein gesprochen, immer wieder hartnäckige KlägerInnen mit finanziellemHintergrund, querulatorischer Natur oder großzügiger Rechtsschutzversicherung. Und die Gerichte müssen es dann eben so nehmen wie es kommt. Manche sehr filigrane Entscheidung kann dann als vielleicht nicht mal beabsichtigte Arbeitsbeschaffung für nicht ausgelastete Juristen dienlich sein. Und sich dann emsig fortpflanzen.

Ulrich Faure: Juristische Texte sind im allgemeinen ja eher staubtrockene Angelegenheiten. Wie bewahrt man sich den Sinn für Humor und beim Schreiben eine lockere Hand, wenn der Job eigentlich ganz anderes fordert?

Albrecht Götz von Olenhusen: Tut mir leid: Juristische Texte sind ganz im Gegenteil sehr spaßig – nur ihre Autoren sind es nicht immer – im übrigen: die Hand muss auch auf allen Rechtswegen möglichst locker sitzen, notfalls direkt im Gesicht.

Ulrich Faure: Sie sind auch Spezialist für ein gar nicht spaßiges Thema: Raubdrucke. Wie reimt sich denn das nun wieder auf Ihr ernstes Verhältnis zu Spaß und Satire?

Albrecht Götz von Olenhusen: Raubdrucke sind auch nichts anderes als eine Spielart abweichenden Verhaltens. Vom abstrakten System her gedacht ist der Unterschied zu den Normabweichungen bei Satire marginal. Im übrigen gehört der Raubdruck der Jahre seit 1968ff. heute zur Historie. Der urheberrechtliche Straßenraub findet heut auf anderen Feldern sehr profitabel statt. Da ist ein modernes Urheberrecht gefragt – zwischen Open Access,Google oder den internationalen „rechtsfreien Räumen“ des Copyrights ist ein wirksames System notwendig, aber noch nirgends in Sicht.

Ulrich Faure: Sie schreiben über Raubdrucke, Satire, Rundfunk- und Versorgungsrecht, geben so launige Bücher wie „Kunst aufräumen“ (Kein & Aber) heraus, sind Mitglied der einstmals am BuchMarkt-Messestand gegründeten MÄRZ-Gesellschaft: Wie habe ich mir Ihren Bücherschrank vorzustellen? Wo liegen Ihre literarischen Vorlieben?

Albrecht Götz von Olenhusen: Die literarischen Vorlieben sind wechselnd und vergleichsweise weit gestreut. Der Bücherschrank ist leider ziemlich voll. Das reicht von klassischer Literatur seit dem18. Jahrhundert bis z.B. Werken von Franz Jung oder Budd Shulberg, von Edlef Koeppen bis H.M. Enzensberger, von Siegfried Kracauer bis Walter Benjamin, von Karl Kraus über Jörg Schröder bis Wiglaf Droste, um nur einige zu nennen.

Ulrich Faure: Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind ein relativ neuer Tummelplatz für Juristen, und oftmals ist hier der Knackpunkt: Stellt eine Aussage eine (richtige oder falsche) Tatsachenbehauptung auf, oder ist sie durch Meinungsfreiheit gedeckt? Oft ist da der richtige Gebrauch des Konjunktivs ziemlich hilfreich. Was würden Sie als Jurist der schreibenden (oder lektorierenden Zunft in dieser Hinsicht raten?

Albrecht Götz von Olenhusen: Der Konjunktiv hilft nicht immer, den Irrealis aus dem Griechischen kennt die deutsche Sprache nicht so richtig. Rotstift oder Schere im Kopf sind nicht die empfehlenswertesten Handwerkszeuge. Ansonsten: Ein gutes Archiv, stählerne Nerven und ein durch Rechtshändel erprobtes Gemüt des Verlegers und seiner Redakteure und Autoren.

Ulrich Faure: Worauf reagieren Sie völlig humorlos?

Albrecht Götz von Olenhusen: Auf moderne (meist) deutsche Comedies, soweit bei ihnen Witz und Humor mathematisch gesprochen gen Nullpunkt tendieren. Aber in solchen Fällen hilft die Fernbedienung.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert