Peter Kurzeck: öffentliche Schreibung

Peter Kurzeck, Sandra Oster

Seit einer Woche liest Peter Kurzeck seinen umfangreichen Roman Vorabend öffentlich im Literaturhaus Frankfurt vor und lässt mitschreiben.

Jeden Werktag von 10 bis 16 Uhr bis zum 17. September findet diese „öffentliche Schreibung“ statt, Gäste sind willkommen. Vier Damen und Herren haben sich in dieser Woche in den Dienst des Schriftstellers und des Stroemfeld Verlags gestellt, um das auf 1200 Seiten geschätzte Werk voran zu bringen. Die Idee kommt aus dem Verlag, erst kurzfristig wurde der neunwöchige Termin mit dem Literaturhaus abgestimmt.

Nach den Büchern Übers Eis (1997), Als Gast (2003), Ein Kirschkern im März (2004) und Oktober und wer wir selbst sind (2007) ist Vorabend der fünfte Band der auf 12 Bücher bemessenen autobiographisch-poetischen Chronik Das alte Jahrhundert.

Die Verlagsvorschau über diese 12 Bände wurde von Peter Kurzeck mit Randbemerkungen versehen und liegt für Interessierte zur Orientierung aus.

Wenn man das Manuskript des Autors sieht, leuchtet einem sofort ein: mit Scannen ist da wenig zu machen. Die mit Schreibmaschine getippten Texte sind über und über mit handschriftlichen Korrekturen verschiedener Farbe und Größe versehen, so sind Seiten-Labyrinthe entstanden, die wohl nur vom Autor durchmessen werden können.

„Vor sechs Wochen habe ich in Frankreich noch Korrektur gelesen, das Buch ist eigentlich bis auf die letzten drei Seiten fertig. Aber selbst jetzt, beim lauten Vorlesen, fällt mir noch das eine oder andere ein“, erläutert Peter Kurzeck. Nach den ersten Ausdrucken des nun mit Computer getippten ist absehbar, wie dick das Buch tatsächlich wird.

„Diese Art der Manuskriptverarbeitung ist eigentlich ein Notbehelf, aber interessant. Man muss natürlich anders vorgehen als bei einer Lesung, die Satzzeichen mit angeben. Aber man gewöhnt sich daran“, kommentiert der Autor. Koordinator Alexander Losse vom Stroemfeld Verlag hat Erfahrung mit Peter Kurzecks Manuskripten, ist selbst mit an der Schreibarbeit beteiligt. Zehn freiwillig Schreibende haben sich bereits gemeldet, gerne nimmt der Verlag weitere Helfer auf die Liste, Geld fließt nicht – dass sollten die Interessenten wissen.

Bereits das zweite Mal sitzt Sandra Oster am Laptop, den sie selbst mitgebracht hat, so ist es gedacht: Jeder freiwillige Schreiber bringt sein eigenes Gerät mit, eine feste Tastatur steht außerdem zur Verfügung. Gespeichert wird die Arbeit auf einem USB-Stick, gesichert wird sie mehrfach.

Sandra Oster hat sich bei einem Praktikum im Stroemfeld Verlag mit Peter Kurzecks Büchern beschäftigt, ist ein Fan seiner Literatur geworden. Wie ist die Arbeit mit dem Chef so? Auf diese Frage müssen beide lachen; „Ich bin kein Chef“, wehrt Peter Kurzeck ab. Pausen werden nach gegenseitiger Absprache eingelegt, wenn man zuhört, begreift man: Da arbeitet ein Team. Manchmal fragt die Schreiberin nach ihr unbekannten Namen, der Autor antwortet geduldig, erläutert das eine oder andere. Peter Kurzeck liest melodisch und verständlich, weniger laut und naturgemäß anders als bei einer öffentlichen Lesung. Nach einer Zeit stören die Satzzeichen die Zuhörenden, die leise kommen, eine Weile bleiben, still wieder verschwinden, wenig.

Es gibt auch die Möglichkeit, Fragen an den Autor zu stellen, eine junge Frau nimmt die Gelegenheit eines Absatzes im Text wahr. „Haben Sie sich alles aufgeschrieben und Tagebuch geführt?“ „Nein, ich schreibe die Sachen auf, die ich nicht los werde. Es würde mir schwerer fallen, solche Dinge nicht aufzuschreiben“, erklärt Peter Kurzeck und nennt Beispiele. Wie geht ein Mensch morgens über die Straße? Wie riecht Milchkaffee im Paris der 60er Jahre? Als Zettel nutzt er alles, was es gibt, berichtet kurz von einem Aufenthalt in der Villa Massimo in Rom, da dienten ihm unterwegs die papiernen Hüllen von Teebeuteln als Notizblättchen.

Bereits 2008 las Peter Kurzeck aus Vorabend, damals wurde das Buch schon angekündigt. Doch so schnell sind die Dinge nicht zu bewältigen. Außerdem: „Ich schreibe aus Freude. Das Manuskript ist wie ein Spielzeug, das man nicht gern aus der Hand gibt.“ Nun ist der Erscheinungstermin für Frühjahr 2011 vorgesehen.

JF

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