Neue Hoffnung nach gescheiterter Spendenaktion: Argon Verlag denkt über weitere Aktionen nach und bietet Erfahrungsbericht als Leitfaden an

Der Spendenstand

Die Argon-Spendenaktion für das ungekürzte „Little Brother“-Hörbuch von Cory Doctorow ist gescheitert – so die schnelle Nachricht vieler Medien am gestrigen Mittwoch. Doch nicht das Scheitern an sich, sondern die Erkenntnisse aus den Gründen sind für die Branche interessant.

Das ambitionierte Projekt sollte die Produktion des Hörbuchs und die kostenfreie Verbreitung im Internet ermöglichen (siehe dazu auch unser Interview mit Argon-Marketingchef Kilian Kissling [mehr…]): Innerhalb von drei Wochen sollte genügend Geld zusammenkommen, um die von Sprecherlegende Oliver Rohrbeck gelesene ungekürzte „Little Brother“-Fassung unter Creative-Commons-Lizenz ins Netz zu stellen.

Im eigens für die Aktion eingerichteten Blog hat Kissling einen ausführlichen Erfahrungsbericht veröffentlicht (http://little-brother.argon-verlag.de/2010/05/befreiung-von-little-brother-der-ausfuhrliche-erfahrungsbericht), der die Gründe beleuchtet, warum die Aktion ohne Erfolg blieb. Ebenso „hagelt“ es im Blog sowie in zahlreichen Foren bereits erstaunlich viel Kritik, gleichermaßen destruktive wie auch konstruktive. „Mir ist es wichtig, zu allen Anregungen ebenso ausführlich Stellung zu nehmen wie im Erfahrungsbericht“, verspricht Kissling.

Fakt ist, dass nur gut ein Fünftel der für die Produktion notwendigen Summe zusammengekommen ist: 1.600 von 9.000 Euro – das allerdings in nur drei Wochen. „Das ist einerseits nicht genug und auch weniger, als wir erhofft haben“, schreibt Kissling. „Auf der anderen Seite ist es eine der höchsten Summen, die bisher in Deutschland für ein SPP-Projekt (Street Performer Protocol) gesammelt wurde.“ Seiner Einschätzung nach werden wohl gut 1.000 User bei der Aktion mitgemacht haben. Zum Vergleich: In den USA, wo u.a. für Spielfilmproduktionen sechsstellige Summen erfolgreich eingeworben werden, sind längere Sammelzeiträume möglich – doch: „Auch dort wird innerhalb von drei Wochen selten mehr Geld eingeworben. So gesehen war unser Vorhaben vielleicht von vornherein zu ambitioniert.“

Angesichts der Liste an Hindernissen, die im Erfahrungsbericht aufgelistet werden (der kurze Sammelzeitraum, die Komplexität und immense Erklärungsbedürftigkeit des Projekts, Vorbehalte der User gegen das Zahlungssystem Paypal, nicht anwendbares „klassisches“ Marketing, Nichterreichen publikumswirksamer Multiplikatoren u.a.) erscheint die erfolgreiche Durchführung von zukünftigen Projekten dieser Art doch als möglich. Meldungen in Blogs wie Literaturcafé.de, Spreeblick.com oder auf Plattformen wie Golem.de und Gulli.com hätten, so Kissling, einen derart positiven Effekt ausgelöst, „dass unser Projekt bei einer Berichterstattung etwa durch Spiegel Online oder Netzpolitik.org hätte gelingen können“.

Wie groß die Enttäuschung in der Netzgemeinde ist, zeigt der Kommentar von User „firstmattheo“ im Argon-Blog: „So ein Mist. Die Rohrbeck-Version ist um so viel besser, dass ich die freie Version (von einem Fan eingelesen, Anm. d. Red.) gar nicht mehr hören mag.“ Und User Michael aus Aachen richtet sich direkt an den Verlag: „Ich möchte mich bei euch für euren Mut bedanken, diesen Weg zu beschreiten, und hoffe, dass ihr euch vom Misserfolg nicht abschrecken lasst. Ich bin gespannt aufs nächste Mal.“

„Ich kenne weder das bereits vorhandene freie Hörbuch noch das Buch selbst. Mir ging es um den Symbolcharakter“, schreibt User „Ismirworscht“ im Forum von Klarmachen-zum-Aendern.de. „Ich habe gespendet, weil ich mich ab und an beteiligen möchte, wenn alternative Konzepte aufgezeigt werden. Wir brauchen erfolgreiche Alternativen, um denen, die in alten Schubladen denken, zu zeigen, dass wir durchaus bereit sind, Geld auszugeben, wenn wir fair behandelt werden.“

Passend dazu auch der ermutigende Kommentar von Simon Columbus auf Spreeblick.com: „Häufig trifft man bei Verlegern auf Furcht vor Raubkopierern und Unverständnis gegenüber dem Internet. Wenn ich mir dagegen das ‚Little Brother‘-Blog von Argon durchlese, dann fühle ich mich ernst genommen – von Fremdeln mit der ominösen Internet-Community keine Spur.“

In der gegebenen Spezifikation sei das Projekt gescheitert, gibt Kilian Kissling in seinem Erfahrungsbericht offen zu, weckt aber auch Hoffnung: „Nicht gescheitert ist unsere Überzeugung, dass sich mit diesem oder einem ähnlichen Vorgehen zukünftig sinnvolle Projekte realisieren lassen. Die Erkenntnisse, was anders oder besser gemacht werden könnte, liegen auf der Hand.“

Deshalb schießt es aus dem Marketingmann – auf die Frage, ob es bald wieder ein derartiges Projekt bei Argon geben wird – spontan heraus: „Ja, auf jeden Fall. Die Vorbereitungen für ein großes Hörbuchprojekt laufen bereits. Und auch für ‚Little Brother‘ überlegen wir, ob wir in Richtung einer professionellen ungekürzten Version unter freier Lizenz noch einen anderen Ansatz finden.“

rw

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