Hans Joachim Schädlich im ausverkauften Düsseldorfer Heine Haus

Hans Joachim Schädlich

Ob alle Literaturkritiker, die Hans Joachim Schädlich als Meister der Lakonie feiern, ihn schon einmal gehört haben? Das einzige von ihm selbst eingelesene Hörbuch stammt aus dem Jahr 1999 („Der Kuckuck und die Nachtigall“, Hörbuch Hamburg). Wer erleben will, was der Autor heute aus seinen Texten macht, muss zu seinen Lesungen kommen. Gestern Abend im Düsseldorfer Heine Haus bei Müller & Böhm war wieder so eine Gelegenheit.

Ausverkauft war es natürlich, und wie die Leute nach der Lesung den üppig bestückten Büchertisch leerkauften, war eine Freude zu sehen. Freilich, wer Schädlichs Lesung aus seinem neuen Roman Kokoschkins Reise (Rowohlt) hört und danach nicht das Bedürfnis hat, den ganzen Text kennenzulernen, ist für die Literatur insgesamt verloren …

Schädlich liest bedächtig, kostet die Sätze aus und gibt ihnen die Möglichkeit, die zwischen den Zeilen oft versteckte Ironie sich entfalten zu lassen. Oder auch das Grauen einer Situation. Denn nicht weniger als Jahrhundertbesichtigung ist Schädlichs neuer Roman. Fjodor Kokoschkin, von Schädlich erfundener Sohn des real 1918 von den Bolschwiken ermordeten russischen Politikers Kokoschkin, reist als rüstiger Mittneunziger an die Stätten seiner Kindheit und Jugend. Ein bisschen scheint seine Geschichte an die Biographie Nabokovs angelehnt: die Flucht nach Odessa, Deutschland und Prag, das Einschlagen einer naturwissenschaftlichen Laufbahn in den USA. Und natürlich die Ermordung des Vaters (die bei Nabokov allerdings erst nach der Flucht in den freien Westen erfolgte).

Konrad Klapheck

Diese Erzählweise, die in Schädlich’scher Lakonie und Detailliebe erfolgt, hat den großen Vorteil, daß man diese fortgesetzte Flucht vor den Diktaturen (Bolschewismus, Nazismus, und 1968 gerät Schädlichs Held auch noch mitten in den Prager Frühling hinein) teilweise schon ein wenig kennt (und es wird auch kein Zufall sein, dass der von Nabokov hochgeschätzte – und im Deutschen kaum wahrgenommene – Dichter Chodassewitsch bei Schädlich auftritt): Obwohl der Leser sicher zahlreiche neue historische Details erfährt, bewegt er sich nicht völlig auf unbekanntem Terrain. Man ist sehr schnell zu Hause in diesem Roman.

Eingeführt wurde Schädlich vom Düsseldorfer Maler und Kunstprofessor Konrad Klapheck, der gleich zugab, viel zu begeistert von Schädlichs Werk zu sein, um objektiv darüber sprechen zu können. Warum es bei Schädlich ohne diese begeisterung nicht geht, haben die Besucher im Heine Haus dann sehr schnell erfahren.

uf

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