Wie war Ihr Jahr, Wolfgang Hörner?

Wolfgang Hörner

Seit Nikolaustag fragen wir täglich bis zu den Heiligen drei Königen in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“. Wenn’s gefällt, gibt es 2010 eine Neuauflage! Heute wird der „andere“ Fragebogen von Wolfgang Hörner (Foto) beantwortet, der in diesem Jahr mit dem Galiani Verlag neu an den Start gegangen ist.

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Welcher Tag war Ihr schönster in diesem Jahr?
Schwer zu sagen: Die Verlagsgründung? Der Einzug in die neuen Räume, das Erscheinen des ersten Programms? Die Verlagsvorstellung auf der Buchmesse, bei der Maarten Muntinga, Verleger des holländischen Muntinga Verlages, da war, Linus Reichlin aus Der Assistent der Sterne lesen hörte und stante pede die Übersetzungslizenz für Holland gekauft hat? Der 17. Dezember, an dem wir 736 Exemplare Tagesauslieferung von Brunolds Nichts als die Welt hatten? Sagen wir: es war ein Ausnahmejahr, was die Beantwortung so einer Frage unmöglich macht …

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Worüber haben Sie sich 2009 am meisten geärgert?
Darf ich mich als kleinlicher Meckerheini outen? Am meisten geärgert habe ich mich über die unendlich lahmen Kritiker. Selbst bei einem Buch wie Brunold musste man ständig hinterher telefonieren, damit das Buch wahrgenommen wurde, und bis heute sind noch nicht in allen großen Blättern Besprechungen erschienen. Wo sind die Kritiken zu Martin Urbans Biographie der Bibel, wo die zum Galiani-Band? Aus eigenem Antrieb guckt da kaum einer mehr ein Buch an, hat Lust, auch mal was zu entdecken. Auf alles muss man sie fast gewalttätig mit der Nase stoßen. Die Neugier der deutschen Kritik ist zur Zeit gleich Null, hat man das Gefühl.

3

Was war 2009 Ihr schönster Erfolg?
Dass so viele Autoren, mit denen wir bisher gearbeitet haben,sagten: Ja, wir gehen mit zu Galiani. Das war überwältigend.

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Und Ihr traurigster Misserfolg war …?
Tim Krohns wunderschöner Roman Ans Meer war weder beim Deutschen noch beim Schweizer Buchpreis nominiert, und zum Erscheinen auch nicht auf der Schweizer Sellerliste. Erst Mitte Dezember hat er so angezogen, dass wir auf die Sellerliste noch hoffen können …

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Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag in diesem Jahr?
Auch das ist mehr als schwierig. Fast 250 haben ja unsere Startaktion mitgemacht und ich habe noch nie so viele nette und kompetente Buchhändler erlebt wie in diesem Jahr. Aber das erste Schaufensterfoto und die erste Verlagsvorstellung in einem Buchladen hatten wir bei der von uns sehr geliebten Buchhandlung Gralla in Berlin. Sogar unser schwedischer Autor Patrick Sjöberg (der gerade in Bamberg war) kam völlig überraschend angereist, um dabei zu sein. Thomas Gralla hat tatsächlich in seiner Privatbibliothek das schon längst vergiffene Buch Sjöbergs Die Fliegenfalle gehabt – und Sjöberg hat es ihm signiert.

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Von welchem Thema wollen Sie (warum) im neuen Jahr nichts mehr lesen?
Von E-Books und Suhrkamp-Klatsch hab ich erstmal genug.

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Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?
Über Inhalte. Inhalte von Büchern, aufsehenerregende literarische Entdeckungen, blitzgescheite Hintergrundsberichte zur Literatur (nicht zum Betrieb).

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Welchen Fehler aus diesem Jahr möchten Sie im kommenden Jahr vermeiden? Weniger Hektik, mehr Ruhe, mehr Sammlung. Nie wieder telefonieren, gleichzeitig Mails beantworten und dazu noch Papiere auf dem Schreibtisch ordnen. Aber das sag ich jedes Jahr.

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Und welchen Fehler werden Sie trotzdem wiederholen?
Eben den. Und ich werd viel zu wenig Urlaub machen.

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Welches Buch hat Ihnen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht?
Außer den eigenen: David Forster Wallaces Unendlicher Spaß hat mich unendlich beeindruckt und im Sachbuch hat mir Dieter Richters Der Süden. Geschichte einer Himmelsrichtung Abende großen Leseglücks beschert.

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Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?
Unzulässige Frage: Im Frühjahr gibt es sieben wichtigste Bücher, im Herbst voraussichtlich neun. Alles Herzensangelegenheiten. Ganz besondere Hilfe vom Buchhandel brauchen aber natürlich die, die keine Interviews mehr geben oder in personam ihr Buch vertreten können – weshalb ich hoffe, dass alle Laurence Sterne besonders helfen. Im März kommt die spektakuläre Neuübersetzung der Empfindsamen Reise von Michael Walter heraus. Da kann Deutschland wirklich erstmals seit Erscheinen den ganzen Sprachzauber, den ganzen Witz und die ganze hintergründige Perfidie des Weltbuches erlesen.

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Von wem würden Sie auch gern mal die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?
Von einem amerikanischen Kollegen wie Dan Simon von Seven Stories Press, der im Jahr der Krise, die den amerikanischen Handel ja viel härter getroffen hat als uns, trotzdem sein engagiertes Programm ohne Kompromisse fortführt. Der hat echt was erlebt, das wäre spannend zu lesen.

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Und welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie gern beantwortet?
Wem ich ganz besonders danke. So manches Projekt wäre ohne Hilfe nicht zu machen.

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Hier können Sie die auch beantworten …
Wir haben soviel Unterstützung unterhalten, dass es eine Freude war. Ohne die Hilfe und das sehr weite Entgegenkommen von sehr sehr vielen Kollegen, Rechteinhabern, Erben und Autoren hätten wir so ein Buch wie Georg Brunolds Nichts als die Welt wirklich nicht machen können. Das war großartig.

Zum vorigen Fragebogen: [mehr…]. Morgen antwortet Anke Hardt, Vertriebsleiterin Hörverlag

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