Thomas Mann und Hermann Hesse: Genese einer Freundschaft

Volker Michels

Für den gestrigen Vortrag im Holzhausenschlösschen in Frankfurt war wohl keiner besser geeignet und kompetenter als Volker Michels.

Im Rahmen von Literatur im Schloss begann bereits am 11. November die Reihe Die Manns. Am Mittwoch vor einer Woche referierte Prof. Dr. Hans Wißkirchen über Der kleine Grenzverkehr. Zum Verhältnis von Wirklichkeit und Literatur in den großen Romanen Thomas Manns.

Gestern Abend stellte Volker Michels die Freundschaft zwischen dem „spitzbübischen Spötter“ und der „treuherzigen Nachtigall“ in den Mittelpunkt der Literaturveranstaltung. Der Herausgeber der Ende 2007 im Suhrkamp Verlag erschienenen ersten Gesamtausgabe Hermann Hesses wies auf die unterschiedlichen Lebensumstände der beiden großen Schriftsteller hin: Während der eine einer namhaften Kaufmannsfamilie aus Norddeutschland entstammt, wurde der andere als Sohn eines baltischen Missionars in Süddeutschland geboren. Diese Wurzeln schüttelten beide Autoren ihr Leben lang nicht ab. Allerdings haben auch beide die familiär vorgezeichneten Wege verlassen; Thomas Mann ist kein Kaufmann, Hermann Hesse kein Missionar geworden.

Unterschiede stellte Volker Michels auch in der Rezeption der Werke fest. So wird Hermann Hesse vorrangig von Lesern im Alter zwischen 14 und 35 wahrgenommen. Bei Thomas Mann dagegen spielt das Lesealter kaum eine Rolle, hier sind die Rezipienten vielmehr mit einem bürgerlichen Bildungshintergrund ausgestattet.

Beiden eigen sind Traumata der Kindheit und Jugend, die sie ihr Leben lang zu überwinden suchten.

In Thomas Manns Werken wandelt er Schwächen in Stärken um, beispielhaft dafür sind Die Buddenbrooks, Königliche Hoheit und die Joseph-Trilogie. Seine Gestalten sind extrovertiert.

Bei Hermann Hesse sind die Protagonisten keine Helden, sondern bleiben introvertierte Einzelkämpfer, die oftmals mit anderen Existenzformen experimentieren. „Man muss immer wieder das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen“ ist sein Credo.

1904 begegnen sich beide im Verlag von Samuel Fischer.

1925 kommt es nach langer Pause zu einer erneuten Begegnung, Hermann Hesse ist bei Thomas Mann in München zu Gast.

Die düsteren Zeiten nach Machtergreifung der Nationalsozialisten beeinflussen das Schicksal beider Schriftsteller. Nach der Rückkehr Thomas Manns aus den USA trafen sich beide öfter, verteidigen einander gegen die unterschiedlichsten Angriffe aus allen Lagern.

Nicht nur für Literaturkenner war dieser Abend ein äußerst interessante Veranstaltung, die das Wissen um zwei große Schriftsteller, ihre Schwierigkeiten miteinander und ihre freundschaftliche Verbindung erweiterte und mit Anekdoten und Beispielen lebendig werden ließ.

Heute Abend, am 19. November, geht es in der Reihe Lyrik im Schloss um Länder und Landschaften in lyrischen Erkundungen: Ukraine. Jurko Prochasko und Birgitta Assheuer stellen Texte vor, Hanne Kulessa, die die 2007 ins Leben gerufene Reihe konzipiert hat, moderiert die Veranstaltung.

Die Abende zu den Manns werden am Mittwoch, 25. November, mit dem Thema Heinrich Mann und Thomas Mann. Ein deutscher Bruderzwist. und am 2. Dezember mit Erschütterndes Ende. Thomanns Manns Doktor Faustus fortgesetzt.

JF

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert