Bücher für das iPhone – Simon Seeger über die Marketingmöglichkeiten über SmartPhones

Book meets iPhone
Simon Seeger am Stand des
Hermann Schmidt Verlags

Auf der Frankfurter Buchmesse 2008 präsentierte der junge Berliner Verlag Onkel & Onkel eine Neuerscheinung sowohl als gedrucktes Buch als auch als Applikation für das iPhone. Die Applikation war als Werbung für das Buch gedacht. Entstanden ist aus dieser Idee ein neues Unternehmen: textunes bietet zwischenzeitlich anderen Verlagen an, Bücher für das iPhone aufzubereiten und zu bewerben.

Mitbegründer Simon Seeger erläutert im Gespräch mit buchmarkt.de das Konzept. Konkurrenz für das gedruckte Buch sei das Angebot nicht, bringe vielmehr der „Generation online“ Literatur nahe.

buchmarkt.de: Sie produzieren e-Books für das iPhone. Konkurrenz für das gedruckte Buch?

Seeger: Auf keinen Fall – auf das gedruckte Buch will und wird niemand verzichten. textunes schafft viel mehr eine Ergänzung. Wir sind der Buchladen für unterwegs, in dem immer und überall gestöbert, alle Titel probegelesen und direkt heruntergeladen werden können. Damit eröffnen wir der mobilen Generation die Möglichkeit, sich wieder Autoreninhalten zuzuwenden. Zudem arbeiten wir aktuell an Bundeling-Modellen, so kann der 700 Seiten Roman getrost auf dem Nachttisch zuhause bleiben, morgens in der U-Bahn liest man einfach auf dem iPhone weiter.

buchmarkt.de: Kann man denn wirklich ein komplettes Buch auf diesem kleinen Display lesen?

Seeger: Definitiv ja – dabei kommt es übrigens weniger auf die Bildschirmgröße, sondern mehr auf die Auflösung an. Die SmartPhone-Klasse des iPhones bietet hier eine unerwartet hohe Lesequalität für Bücher. Die Nutzer sind es durch Websites, E-Mails, etc. gewohnt auf den Geräten zu lesen. Man muss natürlich sagen, dass die e-Ink Verfahren dezidierter Lesegeräte ein angenehmeres Schriftbild bieten. Aber vergessen Sie nicht: Diese Geräte beschränken sich auf eine erheblich kleinere Zielgruppe, die bereit sein muss, viel Geld für ein zusätzliches unhandliches Gerät auszugeben. Während sich Sony mit der Veröffentlichung von Absatzzahlen zurückhält, kann Apple stolz behaupten: Über 50 Mio. iPhones und iPod touch weltweit. Aber auch Android SmartPhones werden in Bälde marktsignifikant werden.

buchmarkt.de: Erklären Sie uns doch, was genau textunes anbietet?

Seeger: textunes bietet ein für die Verlagsbranche neues Geschäftskonzept. Wir verstehen uns als eine Mischung aus Dienstleister, Plattform und Vertriebspartner. Das heißt wir optimieren Verlagsinhalte für SmartPhones, integrieren diese technisch in Applikationen (z.B. für iPhone oder Google Android) und stellen diese auf entsprechenden Plattformen wie dem iTunes App Store oder Android Market zum Verkauf ein. Dazu gehört auch das Metadaten-Handling, Reporting und Abrechnung. Besonders großen Wert legen wir auf die Vermarktung der Applikationen.

buchmarkt.de: Sie bieten nicht nur die technische Aufbereitung der Daten für die Applikation, sondern ein Marketingpaket drum herum?

Seeger: Richtig. Auch E-Book Applikationen müssen aktiv an die Leserschaft herangetragen werden. Besonders zielführend hat sich die textunes App erwiesen, in der in den Titeln gestöbert, probegelesen werden kann, und der Kunde direkt herunterladen kann. Über 7.000 Leser nutzen bereits das Angebot. Auch der Titelkatalog auf unserer Website hat regen Zulauf. Über Partnerschaften mit Medien und Gerätehändlern werden wir unsere Lesergemeinde weiter ausbauen können. Verlage erhalten von uns ein PR-Package, das Sie für Website, Newsletter oder andere Maßnahmen verwenden können.

buchmarkt.de: Wie kommt man darauf, ein Buch auf das iPhone zu bringen?

Seeger: Zur Frankfurter Buchmesse 2008 stellten wir, damals noch im Rahmen des Verlages Onkel & Onkel, die weltweit erste Roman-Neuerscheinung vor, die parallel als iPhone App veröffentlicht wurde. Zunächst war textunes schlicht ein Marketingintsrument, um über die Präsenz im iTunes App Store die Bekanntheit des Romanprogramms unseres Verlags zu steigern. Die Downloadzahlen übertrafen unsere Erwartungen bei weitem und erste Verlage kamen auf uns zu, ob wir nicht auch ihre Titel auf das iPhone bringen könnten. Dann ging alles Schlag auf Schlag – heute sind wir 9 Mitarbeiter, die Know How aus der Verlagsbranche, Softwarentwicklung und Marketing unter einem Dach zusammen bringen, und wir haben eine völlig neues und funktionierendes Vetriebskonzept für Verlagsinhalte geschaffen.

buchmarkt.de: Inzwischen ist es möglich, einzelne Textstellen als Zitate zu versenden.

Seeger: Wir haben mit der Vermarktung über Online Communities wie Facebook oder Twitter sehr gute Erfahrungen gemacht und haben uns überlegt, wie wir diese für die Vermarktung von Titeln effizient einsetzen können – und zwar, ohne die User der Netzwerke durch eine werbliche Ansprache zu verärgern. Die Lösung ist, dass wir unseren Lesern das Instrument selbst in die Hand geben. So können Sie in jedem E-Book eine begrenzte Textmenge markieren und – z.B. via Twitter – mit ihren Freunden teilen. Ein lustiges Zitat wird so – ähnlich einem Youtube Video – zu einem unterhaltsamen Texthäppchen für alle Freunde. Da Twitter nur 140 Zeichen übermitteln kann, wird zunächst Titel und der Anfang des Zitats ausgegeben, nach Klick auf einen Link bekommt man Buchcover, Informationen zum Titel und das volle Zitat eingeblendet.

buchmarkt.de: Virales Marketing, die Kundenansprache übernimmt nicht der Produzent oder Händler, sondern findet auf privater Ebene statt.

Seeger: Absolut. Das funktioniert deshalb, weil es eine Win-Win-Situation von Leser und Verlag ist. Der Mehrwert für den Leser ist, dass er sich durch die Textausschnitte in seinem sozialen Umfeld positionieren und Eindrücke mit Freunden teilen kann. Der Gewinn für den Verlag: Der integrierte Link zum vollen Zitat führt zum E-Book an sich zurück. Damit bewirbt quasi der Leser den Titel bei seinen Freunden – direkt und authentisch, wie bei einem Gespräch über Bücher eben. Wir etablieren damit das weltweit erste virale Marketingsintrument, das mit Buchinhalten funktioniert. Der Weg dorthin war ein technischer Kraftakt, auf den wir sehr stolz sind. In zwei Wochen kann die App jeder kostenlos herunterladen.

buchmarkt.de: Soziale Netzwerke als Werbeplattform?

Seeger: Wir machen uns das Verhalten zunutze, erfüllen aber auch gleichzeitig die Erwartungen der Generation Online. Wir holen die Menschen einfach da ab, wo sie sich aufhalten, eben in diesen virtuellen sozialen Netzwerken. Dabei bin ich übrigens nicht der Auffassung, dass sich das Kommunikationsverhalten grundsätzlich verändert hat, es hat sich eher verschoben. Früher haben sich die Leute ihr Lieblingszitat ins Poesiealbum oder auf einen Bierdeckel geschrieben, gestern haben Sie eine SMS verschickt, heute posten sie es eben direkt auf Twitter oder Facebook.

buchmarkt.de: Die Nutzer Ihrer Applikation sind vermutlich vorwiegend junge Menschen?

Seeger: Der Eindruck täuscht. 36 Prozent der iPhone-Besitzer sind zwischen 35 und 54 Jahren alt, 17 Prozent sind über 55, das Haushaltseinkommen ist überdurchschnittlich. Vielmehr lässt sich jedoch die Nutzerschaft hinsichtlich bestimmter Eigenschaften charakterisieren. Dazu zählen Konsumfreude, hohe Bildung, intensive Nutzung moderner Medien- und Kommunikationstechnologien und die Pflege eines gewissen Lifestyles – diese Eigenschaften sind nicht zwingend vom Alter abhängig.

buchmarkt.de: GU-Geschäftsführer Georg Kessler behauptet, hier funktioniere paid content. Das GU Basic-Kochbuch kostet den Endkunden 2,39 Euro. Das deckt doch niemals die Kosten!

Seeger: Mobile Paid Content funktioniert tatsächlich, ganz im Gegensatz zum Internet, in dem sich die Kostenlos-Mentalität etabliert hat. Der Grund dafür ist aus meiner Sicht der direkt angeschlossene Vertriebskanal, im Falle des iPhones der iTunes App Store. Jeder Gerätebesitzer ist hier mit Zahlungsdaten registriert und der Kaufprozess entsprechend einfach. Gleichzeitig ist das Digitale Rechtemanagement gewährleistet, Raubkopien sind also nicht möglich.
Zu Ihrer Frage zum Verkaufspreis: Wir überlassen die Preisentscheidung dem Verlag, können hier aber beraten. Einen niedrigen Preis anzusetzen lohnt sich immer dann, wenn marketingtechnische Ziele oder der Erlös über Masse im Vordergrund stehen.
Dass im App Store grundsätzlich ein geringes Preisniveau oder geringe Zahlungsbereitschaft besteht, können wir – zumindest in unserem Bereich – nicht bestätigen.

buchmarkt.de: Jetzt haben Sie auch Holtzbrinck und Random House gewonnen, die einzelne Titel mit Ihnen für das iPhone anbieten wollen. Was planen die?

Seeger: Ich möchte mich an diesem Punkt noch nicht dazu äußern. Sie können jedoch davon ausgehen, dass sich unser Angebot in den kommenden Monaten weiter vergrößern wird.

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