ARD-Talk Ehrengast China: Zu wenig Verständnis für das Reich der Mitte?

Dieter Moor

Dieter Moor wollte zum von ihm moderierten Gespräch über den Ehrengast eigentlich den chinesischen Autor Mo Yan begrüßen, doch der war aufgrund der nicht gecheckten Duplizität der Termine auf Goethes Spuren durch Frankfurt unterwegs.

Statt Mo Yan kam der Autor Ma Jian, der in Peking wohnt und sich an die Ereignisse auf dem Tian’anmen-Platz in seinem Buch Peking Koma erinnert.

Außerdem waren die aus China stammende und heute in Deutschland lebende Autorin Luo Lingyuan, der in Deutschland geborene und in China lebende Schriftsteller Christian Y. Schmidt und der Autor, Journalist und Herausgeber Tilman Spengler Teilnehmer der Talkrunde.

Ma Jian erinnerte an die Ereignisse Mauerfall in Deutschland und Tian’anmen-Massaker in Peking, die beide vor 20 Jahren stattfanden. Während man in Deutschland den Mauerfall feiert, wird die Erinnerung an die blutige Demonstration in China verdrängt, sie soll aus dem Gedächtnis der Menschen gelöscht werden. Das Buch Peking Koma ist in China verboten.

Luo Lingyuan wies auf Unterschiede zwischen chinesischen und deutschen Umgangsformen hin, die auch zu Verständnisproblemen führen können. China ist ein großes Land, Chinesen fühlen sich wohl in Deutschland. Ihr Geburtsland sei auf dem Weg zu einem Rechtsstaat, äußerte Luo Lingyuan, selbst wenn dieser Weg noch eine lange Weile dauern wird.

Auch Christian Y. Schmidt erläuterte, China sei nicht „Korea light“. Diskussionen seien – innerhalb gewisser Grenzen – in China möglich, selbst in den Zeitungen. In Peking leben zurzeit 10.000 Deutsche, insgesamt 100.000 Ausländer. Man dürfe sich als Ausländer nicht in einen Kokon begeben und sich abschotten, sonst würde man China nicht verstehen lernen.

Dieter Moor empfand die Entscheidung für den Ehrengast China, die vor zwei Jahren getroffen wurde, als keine glückliche. Man hätte eher die chinesische Literatur einladen sollen, nicht das Land. Damit wären allen solche Debakel wie das Symposium erspart geblieben.

Ma Jian empfand die Misstöne auf dem Symposium nur folgerichtig. Schließlich hatte China eine Regierungsdelegation geschickt und kaum damit gerechnet, dass viele Autoren dennoch individuell nach Deutschland reisten. Das Problem Chinas sei es, dass die Offiziellen die Autoren danach beurteilten, ob sie für das Land gut seien oder nicht. Das Individuum gelte wenig.

Zwei verschiedene Bilder stellten sich Dieter Moor (und dem Publikum) dar: Ein China, das sich erfolgreich um Fortschritt und Öffnung bemüht und ein China, in dem die Meinung des Einzelnen, so sie nicht regierungskonform ist, wenig gilt. Welche Version ist die richtige?

Fazit des merkwürdigen Gesprächs: Wirtschaftlicher Aufschwung bedeutet nicht gleichzeitig Freiheit. Man muss klar machen, dass Menschen wichtiger sind als der Staat. Doch mit dieser Feststellung war man Deutschland schon wieder sehr nahe gekommen.

JF

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