Thalia: Das Maß ist voll: Verlage müssen sich entscheiden! – Text des offenen Briefes von Jürgen Könnecke, Thalia Holding

Hier ist der Brief von Jürgen Könnecke (Foto):

Das Maß ist voll: Verlage müssen sich entscheiden!

Ein Wort vorweg: Dieser Brief richtet sich mitnichten an alle Verlage, – die überwiegende Zahl kennt die Bedeutung der Branchengrundsätze und hält sich daran – er richtet sich vielmehr aus gegebener Veranlassung an den Heyne-Verlag, aber auch an andere Verlage, die ähnlich kurzfristige „Gelüste“ verspüren, dem Club und Weltbild Exklusivlizenzen zu geben.
Unser Vertrauen in einige Verlagspartner ist stark erschüttert. Zur Partnerschaft mit dem Sortiment gehört nach meinem Verständnis geschäftliche Fairness und Vertrauen und ein guter Blick auf die gemeinsame Zukunft.
Konkret, es stellt sich uns die Frage, wie es manche „Partner“, überwiegend von der Fakultät der Publikumsverlage, mit ihrem vielbeschworenen guten Verhältnis zum Sortimentsbuchhandel wirklich halten. Die letzten Beispiele ihres Verhaltens bei der Vergabe von „Club-Premiere“ und „Weltbild-Reader“-Lizenzen sprechen leider eine deutliche Sprache gegen ihren Handelspartner, das Sortiment.
Herr Strasser und seine Verlagsgruppe stehen derzeit zu Recht unter „Beschuss“ des Buchhandels, mit der Vorab-Lizenzvergabe von Grishams Roman „Die Farm“ an den Bertelsmann-Club fügen sie dem Buchhandel großen Schaden zu! Billigend wird von ihnen in Kauf genommen, dass das Sortiment zweitklassig dasteht.
Kein Kunde wird in unseren Läden Verständnis zeigen, wenn ihm eine Buchhändlerin oder ein Buchhändler zu erklären versucht, dass eine wichtige Neuerscheinung im Buchhandel nicht lieferbar ist. Ein Zustand, den wir nicht mehr bereit sind, zu akzeptieren.
Wohlgemerkt: Christian Strasser und der von ihm geführte Heyne-Verlag stehen jetzt als „Prügelknaben“ da, aber Herr Strasser hat damit ja einschlägige Erfahrung, ich erinnere mich noch gut an unseren Schlagabtausch des Jahres 1999, als es um „Mason, Liebesbeweis“ und „Lamb, Die Musik der Wale“ ging, beides Titel, die Thalia damals nicht eingekauft hat. Auch vor drei Jahren rieten wir zu überlegen, dass vermeintlich kurzfristige finanzielle Erfolge sich langfristig nicht auszahlen werden – eine Empfehlung, die wir der Verlagsgruppe Ullstein Heyne List auch heute geben, ebenso wie anderen Verlagen, die glauben, dass Buchpremieren außerhalb des Sortiments stattfinden sollten.
Wir in der Thalia-Gruppe haben uns eindeutig entschieden, den neuen Grisham nicht einzukaufen, so werden wir es grundsätzlich auch mit allen anderen gleichgelagerten Fällen halten, die vorab oder gleichzeitig im Club oder als Weltbild-Reader erscheinen.
Nicht einkaufen heißt ganz deutlich, dass diese Bücher in keiner Filiale der Thalia-Gruppe im Laden präsentiert oder beworben werden. Darüber hinaus behalten wir uns vor, situativ weitere Maßnahmen je nach Lage eines Falles zu ergreifen, was auch heißen kann, dass wir Verlagsprogramme befristet nicht einkaufen.
Diese Entscheidung unserer Geschäftsleitungen ist wohl überlegt getroffen worden, – wissentlich, dass uns selbst auch ein kurzfristiger wirtschaftlicher Schaden zugeführt wird.
Unsere Bereichsleiter, Filialleiterinnen und Filialleiter und unsere Mitarbeiter im Verkauf stehen voll zu dieser Entscheidung – denn auch sie wissen genau, dass jetzt Zeichen gesetzt werden müssen, um größeren Flurschaden zu vermeiden.
Der Bertelsmann-Konzern versucht zu Zeit, die Spielregeln im Buchhandel gravierend zu ändern, sei es über Missachtung des Potsdamer Abkommens, durch einseitige Einflussnahme auf Inhalte des neuen Preisbindungsgesetzes und durch den Aufbau einer neuen „Boulevard“-Ladenkette, die im direkten Wettbewerb zum stationären Buchhandel steht.
All dies hat entscheidend dazu beigetragen, dass wir sagen: Das Maß ist voll, wir appellieren an Bertelsmann, Weltbild und die lizenzgebenden Verlage:
Spielen Sie nicht mit der Preisbindung, halten Sie sich an die buchhändlerischen Usancen, sonst schaden Sie Ihrem Vertriebspartner Nr. 1 – dem Sortiment.

Mit freundlichen Grüßen
THALIA HOLDING GMBH
Geschäftsführung
Jürgen Könnecke

Hamburg, den 9. April 2002

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