Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Das Kreuz mit den Medien oder „Die vielleicht schlimmste Entgleisung, die es je in den deutschen Medien gegeben hat“

Dieser Vorwurf des Pressesprechers des FC Bayern München an die Adresse der taz kann den Kolumnisten als Beobachter der Medienbranche und als Jahreskartenbesitzer für Heimspiele des FC Bayern nicht unberührt lassen und ist natürlich ein Thema für BuchMarkt, dem Zentralorgan für mitunter auch schlimme Entgleisungen. Folgendes ist passiert:

Pünktlich vor dem nach der Hinspielniederlage von 0:4 bedeutungslosen Rückspiel gegen des FC Barcelona macht der FC Bayern München endlich wieder einmal mit einem Angriffswirbel von sich reden. Im Visier hat der FC Bayern laut seinem Pressesprecher Hörwick aber nicht die Hintermannschaft des Viertelfinalgegners Barcelona, sondern die Redaktion der taz. Diese hatte es gewagt, auf der Titelseite ihrer Ostersamstagsausgabe eine Fotomontage mit dem Gesicht des Trainers Jürgen Klinsmann in der Pose eines Gekreuzigten mit lange blonden Haaren abzubilden, versehen mit der Zeile „Always look on the bright side of life.“

Wie vielleicht nicht alle Bayern wussten, sind lange blonde Haare und der genannte Satz nicht nur eine mehr oder weniger gelungene Anspielung auf die derzeitige berufliche und mediale Situation des glücklosen und umstrittenen, längst kurzhaarigen Trainers des FC Bayern, der sich seit Wochen mit Spekulationen um seine Trainer-Zukunft in München abfinden muss, sondern auch ein Zitat aus dem Film der britischen Kult-Komiker Monthy Python „Das Leben des Brian“.

Im übertragenen Sinn fast schon öffentlich ans Kreuz genagelt konnte sich Klinsmann tatsächlich vorkommen dieser Tage, wo selbst sein Vereinspräsident Franz Beckenbauer den Trainer unmittelbar vor dem desaströsen Hinspiel gegen Barcelona unter Druck gesetzt und eine vorzeitige Trennung nach dem Saisonende nicht ausgeschlossen hatte. Das hatte die Mutmaßungen der Öffentlichkeit und kritische Stimmen unter den Fans befeuert. Pfeifkonzerte bei seiner Namensnennung, Klinsmann-Raus-Rufe und entsprechende Plakate im Stadion sind mittlerweile übliche Begleiterscheinugen bei Auftritten des Trainers im Stadion.

Auf das vielleicht etwas misslungene taz-Titelbild angesprochen, bemerkte der Pressesprecher des Vereins, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass „wir gegen die vielleicht schlimmste Entgleisung, die es je in den deutschen Medien gegeben hat, rechtlich vorgehen werden“. Aber ist es wirklich so schlimm, wie der Pressesprecher meint? Und ist es überhaupt möglich oder sinnvoll für den FC Bayern, gegen die taz rechtlich vorzugehen?

Damit man die Intention der taz mit dem Abdruck der Karikatur auch im katholischen Bayern möglichst nicht missversteht, hat die taz neben das Kreuzigungsbild ausdrücklich die Textzeile „Always look on the bright side of life“ des Schluss-Songs aus „Das Leben des Brian“ gedruckt. Das war rechtlich nicht unklug, aber auch publizistisch nicht völlig daneben. Bekanntlich ist der Filmheld Brian eine eher traurige Figur, zwar immer optimistisch lächelnd, aber zur falschen Zeit am falschen Platz. Weil er zufällig zur selben Zeit wie der Messias geboren wird, verwechseln ihn die römischen Besatzungsmächte mit diesem, verhaften ihn mehrfach und verurteilen ihn schließlich mit anderen Unschuldigen zum Tode am Kreuz. Obwohl er eigentlich gerettet werden könnte, finden sich seine Anhänger mit Brians Schicksal ab und gratulieren ihm sogar zu seinem öffentlich erduldeten Martyrium. Brian findet Trost nur noch im Rat eines Mitgekreuzigten, der ihm empfiehlt, doch auch die sonnigen Seiten des Lebens zu bedenken und singt schließlich mit Brian und den anderen das unpassend fröhliche Lied „Always look on the bright side of life“ .

Man kann über die Karikatur geteilter Meinung sein. Vielleicht verletzt sie die religiösen Gefühle der taz-Leser, es gab doch tatsächlich vereinzelte Proteste. Ganz sicher verletzt es die Gefühle des Abgebildeten. Aber welche Rechte sind dadurch verletzt? Natürlich wird man zu prüfen haben, ob es die vielzitierten Persönlichkeitsrechte sind. Es gibt Präzedenzfälle. Die Gerichte hatten einmal zu entscheiden, ob die Satirezeitschrift Titanic eine Fotomontage abbilden durfte, die das Gesicht des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Engholm auf das bekannte Barschel-Badewannenfoto montierte. Das OLG Hamburg entschied in der Tat, dass bereits jene bildliche Komposition eine die Menschenwürde schwer beeinträchtigende Persönlichkeitsverletzung darstelle, und verbot das Bild.

Allerdings war damals das reale Vorbild ein tatsächlicher, noch nicht sehr lange zurückliegender Todesfall, die taz hingegen hat sich als Vorbild für ihre Satire der weltbekannten, bereits selbst satirischen Darstellung eines der Überlieferung nach zwar ebenfalls realen, aber fast 2000 Jahre zurückliegenden Todesfalls bedient. Das könnte die Abbildung im Lichte der grundgesetzlich geschützten Kunstfreiheit rechtfertigen.

Vielleicht muss sich ja gar kein Gericht diese Frage stellen, dachte man noch nach den ersten Wortmeldungen. Denn Klinsmann selbst äußerte sich laut Zeit-Online zunächst eher zurückhaltend zum bayrischen Karikaturenstreit: „Ich nehme das so hin, und weiß, welche Freude und welche Ehre es ist, Trainer beim FC Bayern zu sein, mit all seinen positiven, aber auch negativen Momenten. Da muss ich jetzt durchgehen. Ich bin nicht derjenige, der dann mit dem Finger zurückzeigen wird.“ Dass sein Arbeitgeber das wohl anders sah und sich schützend und im Notfall vielleicht auch klagend vor seinen Mitarbeiter stellen wollte, war zwar ehrenwert, aber rechtlich schwer durchsetzbar: Klagen gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen kann nur, wer unmittelbar von einer Äußerung betroffen ist. Das aber ist Klinsmann und nicht sein Arbeitgeber.

Das haben die Genannten mittlerweile auch bemerkt. Denn die taz erhielt Post von Klinsmanns und nicht den Anwälten des FC Bayern. Ihr Mandant sei „zutiefst und massiv“ in seiner Menschenwürde und seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, ließ eine Münchner Kanzlei im Auftrag Klinsmanns mitteilen. Die taz soll eigenen Angaben zufolge eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unterzeichnen, andernfalls werde „gerichtliche Hilfe“ in Anspruch genommen. Die „taz“ erklärte, man denke nicht daran, eine solche Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterschreiben und sehe einem Prozess gelassen entgegen.

Ohnehin ist es nicht ratsam, gegen die taz zu klagen. Unvergessen sind die Schlagzeilen, als Bild-Chefredakteur Diekmann wegen eines satirischen taz-Berichts über eine, nun ja, Schönheitsoperation nicht nur auf Unterlassung, sondern auch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes klagte und unter großer, spöttischer Anteilnahme der deutschen Presse verlor.

Siehe dazu auch: http://www.taz.de/1/leben/medien/artikel/1/klinsmann-sieht-seine-wuerde-verletzt/ und http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,618973,00.html

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