Das Sonntagsgespräch Dr. Christian Sprang zu den VLB-Gebühren

Christian Sprang

Dr. Christian Sprang ist seit Anfang 2001 Justitiar des Börsenvereins. Zuvor war der promovierte Musikwissenschaftler und Jurist sechs Jahre lang Justitiar des Mainzer Musikverlags Schott Musik International.

BECKMANN: Es gibt eine Kartellamtsbeschwerde gegen die neuen, beträchtlich höheren VLB-Gebühren…

SPRANG: Nein, das ist, auch von Ihnen bei Buchmarkt-Online [mehr…], falsch dargestellt worden. In Bonn anhängig ist eine Beschwerde einiger Verlage – vornehmlich solcher aus dem Bereich des Dissertationsdrucks –, denen es um den Zusammenhang zwischen VLB und dem Neuerscheinungsdienst der Deutschen Nationalbibliothek geht. Deswegen richtet sich die Beschwerde auch nicht nur gegen die MVB, sondern auch gegen die Deutsche Nationalbibliothek. Die Beschwerdeführer wenden sich im Wesentlichen dagegen, dass es keine Möglichkeit der Direktmeldung zum Neuerscheinungsdienst der DNB gibt. Dieser Dienst übernimmt nämlich ausschließlich die Daten aus dem VLB, dessen Meldegebühren jetzt erhöht wurden. Dies stelle die Beschwerdeführer aufgrund ihrer hohen Titelzahlen und der geringen Anzahl von verkauften Exemplaren je Titel vor unzumutbare Probleme.

BECKMANN: Es wird gemunkelt, dass es aber wegen der höheren VLB/libreka!-Gebühr auch zu einer Klage vor dem Kartellamt kommen werde…

SPRANG: Eine Beschwerde gegen die mit der Erweiterung des Serviceangebots des VLB verbundenen neuen Tarifierung hätte meines Erachtens keine Aussicht auf Erfolg.

BECKMANN: Warum denn nicht?

SPRANG: Weil die neuen Gebühren sachlich gerechtfertigt sind, und zwar zu einem erheblichen Teil schon bei isolierter Betrachtung des VLB.

BECKMANN: Das ist nun doch wohl ein überraschendes, ein völlig neues Argument. Den Verlagen scheint es zumindest aus den Erklärungen und Verlautbarungen der MVB zur fraglichen Gebührenerhöhung nicht gewärtig zu sein. Ein Versäumnis der MVB in puncto Unternehmenskommunikation?

SPRANG: Wer die Fortentwicklung des VLB seit 2001 genau verfolgt hat, den kann dieses Argument nicht überraschen. Das Entgelt für die Meldung eines Titels im VLB wurde letztmalig im Jahre 2001 erhöht – obwohl es seither zu einer Reihe technischer Neuerungen gekommen ist, die die Funktionalität des VLB verbesserten. Die dadurch bei der MVB anfallenden Kosten sind aber nicht an die verzeichnenden Verlage weitergegeben worden.

BECKMANN: An welche technischen Verbesserungen denken Sie da beispielsweise?

SPRANG: Also, der Reihe nach, chronologisch:

Seit 2001 haben Verlagen kostenlos Zusatzinformationen zu den Titeln liefern können (Cover, Inhaltsverzeichnisse, Autorentexte usw.).
Im Jahre 2002 ist der VLB-Titelservice mit Online-Datenbank und -Meldesystem für Verlage bereitgestellt worden.
Seit 2003 werden im VLB in regelmäßigen Abständen Preisabgleiche mit den Daten der Barsortimente durchgeführt und den Verlagen die Differenzen zur Korrektur zur Verfügung gestellt – was für die Verlage eine erhebliche Zusatzleistung zur Qualitätssicherung ihrer Titeldaten ist. Im übrigen wird seither jede Titelneumeldung eines Verlages im VLB zugleich auch an die Deutsche Nationalbibliothek für deren Neuerscheinungsdienst gemeldet – womit die bis dahin notwendige Doppelmeldung für den Verlag entfiel. Und über das VLB werden ferner Rohdaten im Datenaustauschformat ONIX zur Verfügung gestellt – Empfänger dieser Daten ist neben der Deutschen Nationalbibliothek und größeren Buchhandlungen auch Amazon.de.

Das ist eine Clearing-Leistung des VLB, von der alle Verlage profitieren, die ihre Titel über den Amazon-Marketplace vertreiben wollen. Zudem berät die MVB Verlage umfassend bei ihren ONIX-Meldungen ans VLB und unterstützt dadurch maßgeblich die Einführung dieses neuen Standardformates im Buchhandel…

BECKMANN: Ich glaube, das genügt schon als Hinweis auf die Art von Verbesserungen…

SPRANG: Offenbar sind solche Neuerungen und Verbesserungen, vielleicht auch, weil sie als selbstverständlich hingenommen wurden, vielen Branchenteilnehmern nicht recht bewusst. Gestatten Sie deshalb bitte, die Aufzählung noch um einige wichtige Punkte zu ergänzen:

Im Jahr 2004 ist im VLB Online Katalog eine „Verlagssicht“ eingerichtet worden. Damit haben Verlage einen auf ihren eigenen Titelbestand eingegrenzten Zugang zur VLB-Profi-Anwendung bekommen. Aus dem VLB Online Katalog kann der Verlag seine Titel in verschiedenen Datenformaten, z.B. ONIX, exportieren. Verlage, die nicht über eigene Verlagsdatenbanken und Schnittstellen verfügen, erhalten so die Möglichkeit, auch im Standardformat ONIX liefern zu können – auch dies ist eine kostenlose Dienstleistung gewesen, die umso mehr zu honorieren wäre, als zuvor der Verlag über das VLB der MVB einen Auftrag zur Selektion seiner Titel – in ONIX oder Excel – zu Gebühren von € 0.08 pro Titel zzgl. einer Bearbeitungspauschale von € 100,- erteilte.

Seit 2006 unterstützt die MVB über das VLB den Buchhandel bei der Einführung der neuen Warengruppen-Systematik und stellt Verlagen in bestimmten Abständen ihre Titelbestände zur Nachmeldung fehlender Warengruppen zur Verfügung. Diese qualitätssichernde Maßnahme war in der Titelmeldegebühr enthalten. Und seit 2007 unterstützt die MVB über das VLB Verlage auch bei der ISBN-13-Umstellung, werden DOI (Digital Object Identifier) im VLB Online Katalog angezeigt und ist der VLB-online Titelservice erweitert worden, um die Meldung von Non-Book-Produkten an das VLB zu ermöglichen.

BECKMANN: Gut, all diese Neuerungen seit 2001 stellen eine beachtliche Reihe von Leistungserweiterungen des VLB dar. Sie waren notwendig, sogar unumgänglich, im Rahmen des technischen Fortschritts also gewissermaßen auch selbstverständlich, um das VLB auf der Höhe der Zeit zu halten. Vielleicht hätte die MVB sie stärker öffentlich herausstellen sollen…

SPRANG: Das will ich nicht beurteilen. Um aber auf den Ausgangspunkt unseres Gesprächs zurück zu kommen: Trotz all dieser wichtigen und durchaus kostspieligen Neuerungen und notwendigen Verbesserungen sind die VLB-Gebühren von 2001 bis Ende 2007 nicht erhöht worden. Mehr noch, sie sind – wie man zum Beispiel am oben erwähnten ONIX-Thema sieht – sogar etwas billiger geworden. Das mag im einzelnen Schritt möglich gewesen sein. Die fortschreitende Akkumulierung der Schritte und der mit ihnen anfallenden Kosten machte es aber schließlich für die MVB finanziell untragbar und unmöglich, die VLB-Gebühren auf dem Stand von 2001 zu belassen.

BECKMANN: Immerhin ist das Entgeltmodell von 2001 damals aber von der Branche widerspruchslos akzeptiert worden…|
SPRANG: Da muss ich Sie leider korrigieren. Diese Gebührengestaltung war kurz nach ihrer Einführung im Jahre 2001 Gegenstand einer Beschwerde beim Kartellamt, die aber nach eingehender Prüfung durch das Amt nicht aufgegriffen worden ist.

BECKMANN: Ein historischer Ausnahmefall…

SPRANG: Gerade in der historischen Sicht ist das durchaus kein Ausnahmefall. Der Ruf nach dem Kartellamt ist schon immer ein Reflex auf Veränderungen beim VLB gewesen. Die Bonner Wettbewerbshüter haben allerdings bislang kein einziges Mal selbst Grund zu Beanstandungen gefunden. Aber es belegt die Bedeutung des VLB, dass jede Veränderung der Gebühren zu Kartellamtsbeschwerden führt.

BECKMANN: Anstoß in der Branche hat aber die Verschmelzung des VLB mit libreka! erregt. Diese zwangsweise durchgeführte Koppelung von VLB und libreka! wird von vielen doch wohl mit einigem Recht als fragwürdig beurteilt und könnte Anlass zu einer Kartellamtsbeschwerde mit Aussicht auf Erfolg werden.

SPRANG: Wir sind davon überzeugt, dass die Zusammenführung von VLB und libreka! sowohl für Verlage wie für Buchhandlungen sinnvoll, ja geradezu notwendig ist. Gestatten Sie, dass ich Ihnen die Sache erkläre, dazu muss ich freilich noch einmal ein wenig ausholen…

(Die Fortsetzung des Gesprächs erscheint an dieser Stelle am kommenden Sonntag.)

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