EU macht Pappbilderbuch-Verlegern das Leben schwer

Es schien fast schon beschlossene Sache zu sein, dass Pappbilderbücher von der überarbeiteten EU-Spielzeugrichtlinie ausgeschlossen werden. Doch nun hat sich das Blatt überraschend noch einmal gewendet: Die EU geht weiterhin davon aus, dass von Pappbilderbüchern für Kleinkinder unter drei Jahren Gesundheitsrisiken ausgehen können.

Renate Herre, Geschäftsführerin des Ravensburger Buchverlags, kann diese Argumentation nach wie vor nicht nachvollziehen. Seit fast zwei Jahren setzt sie sich für angemessene Prüfbedingungen beim Pappbilderbuch ein [mehr…] (s.a. unser Interview im BuchMarkt-Special Junge Zielgruppe 9/2008). „Es gibt kein Produktsicherheitsrisiko bei Büchern, die ausschließlich aus Pappe und Papier bestehen“, sagt sie stellvertretend für die deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchverlage. „Dies ist durch zahlreiche medizinische Gutachten belegt. Daher ist es unverständlich, dass Pappbilderbücher den gleichen Testkriterien wie Spielzeug unterliegen.“

In Brüssel konnte sie den parlamentarischen EU-Ausschuss auch von diesem Sachverhalt überzeugen. Doch nun haben sich Ministerrat und Kommission unerwartet gegen die Beschlussvorlage der Abgeordneten gewandt: Pappbilderbücher sollen auch weiterhin nach den gleichen Kriterien wie Spielzeug getestet werden.

Das überarbeitete Regelwerk fordere derart strenge Auflagen, dass Ravensburger wie auch andere Kinderbuchverlage nun um die Angebotsvielfalt des Pappbilderbuchs fürchten. „Die geforderte Materialverstärkung schränkt die Titel in ihrer Funktionalität ein, Kleinkinder würden sie viel schwieriger greifen können. Und wenn es bestimmte Pappbilderbücher mit Spieleffekten nicht mehr gibt, entfällt ein Medium, welches im Rahmen der Frühförderung eine Schlüsselfunktion übernimmt“, so Renate Herre.

„Aber ganz abgesehen davon: Kleinkinder werden immer mit Hingabe an Büchern lutschen und Ecken anknabbern. Die Seite kann noch so dick sein, jede mechanische Prüfung im Labor bestehen und trotzdem werden sich bei entsprechender Einspeichelung Papierfasern oder kleine Ecken lösen. Und deshalb ist die Verpflichtung zur Drehmomentsprüfung eine absurde Angelegenheit, die keineswegs zielführend ist.“

Auch die EU-Abgeordnete und Verbraucherschutz-Expertin Heide Rühle stellt sich hinter die Verlage: „Bücher müssten als Bücher und nicht als Spielzeuge eingestuft werden“, fordert sie. Doch damit konnte sich die GRÜNEN-Politikerin in Brüssel nicht durchsetzen. Rat und Kommission haben gestern der neuen Richtlinie bereits zugestimmt – die entscheidende letzte Abstimmung kommende Woche sei nur noch eine Formsache, so lautet die Einschätzung der Betroffenen.

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