Bücher und Autoren heute in den Feuilletons – und „Jewel of Medina“ kommt nun doch

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch.

Die Zeit

Da denkt man, das Thema Platon sei erschöpft, und schon gibt’s wieder was Neues: In den Ruinen von Oinoanda fanden Archäologen eine Schmähung des Philosophen. Der böse Diogenes von Oinoanda ließ sein Verdikt in elf Steinzeilen meißeln – und schuf damit eine der größten Inschriften der Antike: 25.000 Zeichen, vier Meter hoch, 80 Meter breit. Das fotografieren Sie mal! (Im WISSEN-Teil)

Was stellen Sie sich unter der Überschrift „Unsere Glamourgirls“ vor? Bestimmt nicht Susan Sontag und Joan Didion – aber genau die meint Autorin Susanne Mayer. Und glaubt, dass es intellektuelles Stars (keine weibliche Form des Wortes bekannt) wie sie in Deutschland nicht gibt. Die Bücher zum Thema: Joan Didion Wir erzählen uns Geschichten, um zu überleben (Claassen) und Susan Sontag Zur gleichen Zeit (Hanser).

Iris Radisch hat einen neuen Freund: nämlich den Kindle von Amazon. Und sie lässt uns an ihrem ersten Tag mit dem Hype-Teil teilhaben. Freude über geladene 166.000 Titel. Auch wenn sie im Regionalzug noch so viel Gewese macht, guckt doch kein Schwein: Die Leute schmökern in altmodischen Papierbüchern. Die Kinder aber sind begeistert. Begeistert ist dann Radisch auch, dass man um 22 Uhr noch draußen lesen kann, ok, noch isses ja nicht sooo kalt wie im Winter. Dann aber sagen die Batterien tschüß.

Tonio Walter beschäftigt sich mit Reinhard Merkels Willensfreiheit und rechtliche Schuld (Nomos). Was diese Rezension einer „strafrechtsphilosophischen Untersuchung“ freilich im Literaturteil verloren hat, bleibt Geheimnis der Redaktion.

Gestern fragten wir, was denn so toll an der von Maja Pflug vorgenommenen Neuübersetzung von Cesare Paveses Die einsamen Frauen (Claassen) sei, aber das sagt uns heute die Rezensentin Kristina Maidt-Zinke leider auch nicht.

Kinder- und Jugendbuch
Peter Kümmel rezensiert Blake Nelson Paranoid Park (Beltz & Gelberg) – einen kunstvollen Roman für Leser ab 14. In Georg und der Drache von Chris Wormell (Moritz) wird erzählt, wie der kleine Mäuserich Georg den größten Drachen der Welt in Angst und Schrecken versetzt. Eine „wahre Geschichte aus Afghanistan“ erzählt Hesmats Flucht von Wolfgang Böhmer – „spannend und völlig kitschfrei“.

Annotationen
Heinz Janisch/Wolf Erlbruch Der König und das Meer (Sanssouci), Eva Muszynski/Karsten Teich Cowboy Klaus und das pupsende Pony (Tulipan), John Green Die erste Liebe (nach 19 vergeblichen Versuchen) (Hanser).

Michael Naumann rezensiert Jane Mayer, die mit The Dark Side. The Inside Story of How the War on Terror Turned into a War on American Ideals (Doubleday) in den USA großes Aufsehen erregt. Und wann kommt es auf Deutsch? Und wo?

Ulrich Rüdenauer war zum Poetenfest in Erlangen und fühlte sich wie im „Woodstock der Literatur“, schreibt aber über seinen Beitrag „Im Garten Eden“ – wenn das mal hinhaut mit der Gleichsetzung…

Und Rolf Vollmann findet bei Brita Hempel]s Vorsicht im Erholungswald (Bösenlustnauer Presse) endlich, wonach er lang gesucht hat: wunderschöne Texte.

Frankfurter Rundschau

Heute hat auch Ina Hartwig Catherine Millet in Arbeit (in „Times mager“) – sie hat ja die Fortsetzung der Catherine M. in Frankreich vorgelegt, und nun muss natürlich der Vergleich mit den Gefährlichen Liebschaften her.

Über eine deutsche „Charmeoffensive“ berichtet Johannes Dietrich. Die gibt’s in Afrika. Durch den Ausbau der Goethe-Insitute. Schön, dass wir im Ausland auch was anderes zeigen als Soldaten und Panzer.

The Jewel of Medina – der von Random House zurückgezogene Roman über die Frau von Mohammed, [mehr…] soll nun doch erscheinen. Und zwar in einem deutschen Verlag. Aber auf englisch. Mehr war noch nicht herauszubekommen.

Freude bei Schöffling: Nicole Henneberg hat sich Markus Orths Das Zimmermädchen ausführlichst vorgenommen. Das Buch („eine perfekte, verstörende und offene Novelle“) erzählt die Geschichte der Angestellten Lynn Zapatek, die als Zimmermädchen halt unter den Betten herumschnüffelt. Das ist kein Stoff? Dann lesen mal das Buch! Dann wissen Sie, dass es einer ist!

Zwei Seiten sind der Currywurst gewidmet – Uwe Timms Buch (Kiepenheuer & Witsch) hätt man da ruhig mal erwähnen können…

Letzte Seite: Ein 10-Fragen-Interview mit Axel Scheffler, dem in London lebenden deutschen Kinderbuchillustrator. Worin er verrät, dass er vor zwei Jahren zum 80. Geburtstag der Queen zur Gartenfete im Buckingham-Palast eingeladen war, da, wo ein paar Jahre vorher ebenfalls zu einem Gartenfest Paul McCartney und Eric Clapton über den Rasen gelatscht sind (nach ihrem exzellenten und frechen Gig: McCartney spielte keck „Her Majesty“ und nuschelte dann der Queen ins Ohr, sone Rockerparty könnt man eigentlich jedes Jahr machen. „Ja, aber nicht in meinem Garten“, soll die Queen geantwortet haben.)

Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Licht im Herzen der Finsternis“ findet Rezensent Hans-Christoph Buch in Wilfried N’Sondés Buch Das Herz der Leopardenkinder (Kunstmann). Der Autor – Rapper und Möbelpacker – hat für dieses Debut dem Preis der Frankophonie erhalten: mitreißend erzählt, findet Buch.

Einmal Exil und zurück heißt das neue Buch von Erich Loest bei (Steidl), das Sabine Brandt bespricht, die das Werk dieses Autors schon lange verfolgt. Das neue Buch ist eine „skeptische Heimatkunde“.

Annotationen
Andrew Kaufman Alle meine Freunde sind Superhelden (Luchterhand) und Anna Kim Die gefrorene Zeit (Droschl).

Auch Dieter Wellershoff beschäftigt sich mit Hans-Ulrich Wehlers Deutscher Gesellschaftsgeschichte (C.H. Beck).

Andreas Platthaus würdigt den Buchgestalter Franz Greno zum 60: „Greno ist kompromisslos in seinem Anspruch auf Qualität und deshalb kein Zeitgenosse, mit dem sich leichter Umgang pflegen ließe.“

Annotationen aus dem Reiseblatt]
Ramon Kramer Ich weißer Mann, du Indianer gut (Rowohlt), Peking und Shanghai (Trescher), Tobias Micke Kuhl! Das Almhandbuch für Stadtmenschen (Knaur) und Oktoberfest (Insel).

Die Welt

Er ist ein bisschen dreckig im Gesicht: Lars Edinger als Hamlet in Thomas Ostermeiers Inszenierung. So guckt er und heute aus dem Feuilleton der „Welt“ an, wo Matthias Heine über „Hamlet über Deutschland“ – die neue Theatersaison mit Shakespeare und Thomas Mann schreibt.

Zum Filmstart hat Ex-Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust sein Buch Der Baader-Meinhof-Komplex (Hoffmann und Campe) komplett überarbeitet. Das Buchstabenrätsel um die Schleyer-Mörder ist gestrichen, auch beim Thema Abhörmaßnahmen in Stammheim hat Aust nachgearbeitet. Bisher sind über 300.000 Exemplare des Buches verkauft worden – jetzt geht der Verlag mit 40.000 an den Start.

Süddeutsche Zeitung

Gemeldet wird: Die rheinland-pfälzische Landeszentrale für politische Bildung verleiht den Gerty-Spies Literaturpreis an Katja Lange-Müller, die mit dem auf 5000 Euro dotierten Preis für ihre gesellschaftsphilosophischen Arbeiten ausgezeichnet wird. Ihr letzter Roman Böse Schafe erschien 2007 bei Kiepenheuer & Witsch.

„Mach´s noch einmal, Frank!“, lautet die Überschrift, unter der sich Kristina Maidt-Zinke mit dem Ende der Romantriologie um Herrn Lehman von Sven Regener auseinandersetzt. Mit dem letzten Band im Eichborn Verlag unter dem Titel Der kleine Bruder ist sie nicht ganz zufrieden, wie sich herauslesen lässt: Zu viele Durststrecken beim Gerede, doch die Stärken, Regeners „zarte“ Reflexionen, kämen zu kurz. Dafür sei Regener dem Leser einen vierten Band schuldig.

Tierphilosophisches wird unter der Überschrift „Schon als Tier hat der Mensch Geist“, rezensiert. Eva Weber-Guska findet, dass es in dem Buch Tierphilosophie zur Einführung von Markus Wild, verlegt bei Junius, eigentlich gerade um den Menschen geht.

„Schlesien wie es im Bilderbuch steht“, hat Franz Freisleder in dem Buch Zeit-Reisen – Historische Schlesien-Ansichten aus der Grafik-Sammlung Haselbach gefunden und ist von dem „informativen Zeitreisenbegleiter“ aus dem Verlag Herder-Institut angetan.

Neue Zürcher Zeitung

„Abarbeiten statt schreiben“, lautet die noch harmlose Überschrift über einen Verriss von Roman Bucheli, nachdem er sich dem neuen Günter Grass Die Box. Dunkelkammergeschichten aus dem Steidl-Verlag gewidmet hat. Der kommt zu dem Schluss: „Ärgerlich und peinvoll genug ist die Selbstentblössung, die hier den Sprechblasen produzierenden Kindern aufgenötigt wird; als Zumutung in jeder Hinsicht empfindet man jedoch die alberne Sprache, die sich krampfhaft um Anbiederung an die Alltagssprache bemüht und die Kinder reden lässt, als wären sie alle ein wenig verblödet. Gelegentlich zerreissen sich die Kinder – wie die ‚Zeitungsfritzen’ – den Mund über den Herrn Vater; dann redet Grass ihnen (und vorsorglich der Welt) ins Gewissen. Den Satz legt er – garantiert ironiefrei – der Schwiegertochter in den Mund: ‚Haltet nicht Gericht über euren Vater. Seid froh, dass es ihn noch gibt.’“

Unter „Bücher, Blut und Bolero“ gibt sich Knut Henkel gebremst begeistert von dem neuen Kriminalroman des Kubaners Leonardo Padura mit dem Titel Der Nebel von gestern, der im Unionsverlag erschien. Wunderbare Schilderungen Havannas Ende der 50er-Jahre, lediglich „dem kriminalistischen Plot fehlt zum Schluss der Pfeffer“.

Unter „Immer noch verbesserbar“ widmet sich Christoph Lüthy einem alten Thema mit neuer Aktualität: Bernward Gesangs Buch über die Perfektionierung des Menschen, das bei Walter de Gruyter erschien. „Dabei gelingt es Bernward Gesang, in einer klugen Mischung von aufklärerischem Fortschrittsglauben und utilitaristischer Einschätzung von gesellschaftlichen Folgen eine Position zu formulieren, die kompensatorische, therapeutische und selbst leistungssteigernde Verbesserungen zulässt, radikale Eingriffe, die den heutigen Menschen in seelischer oder körperlicher Hinsicht unkenntlich machen, jedoch verbieten will“, fasst er zusammen.

„Der zerflossene Kanon“, unter dem Titel macht sich Deutschland Korrespondent Joachim Güntner Gedanken über die „massenhafte Digitalisierung, Print on Demand, Editionen vergessener Dichter“ also „Literaturpflege heute“. Die traditionellen Kriterien wie Auswahl (der „Geist der Zeit“, früher die „Obrigkeit“, bestimmte, welches Werk wertvoll war) und Verfügbarkeit (die Zahl der Kopien bestimmte die Verbreitung) hätten ausgedient, aber die neuen Techniken förderten weder eine Kanonbildung noch die Traditionspflege, sondern dienten lediglich dazu, mehr vom Long-Tail zu profitieren. „Es gibt keine Erben mehr, allenfalls Nachlassverwalter“. Hier können Sie weiterlesen

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