… mit Thomas Tebbe zur Konkurrenz britischer und amerikanischer Verlage

Aufruhr in der deutschen Verlagswelt: Im Konkurrenzkampf mit US-Verlagen um das

Thomas Tebbe

hiesige Geschäft mit englischsprachigen Bestsellern starten Briten dreiste neue Marketing-Aktionen

Nach Stationen bei Cornelsen und Goldmann arbeitet Thomas Tebbe (43) seit 1997 für den Piper Verlag und ist dort heute Programmleiter für Belletristik.

BECKMANN: Man hört es, man sieht es, vor allem in größeren Buchhandlungen und in größeren Städten: Die Verkäufe von englischsprachiger Belletristik nehmen stark zu. Nicht nur von Taschenbüchern. Auch von Originalausgaben im Hardcover.
TEBBE: Seit vielen Jahren schon machen uns die englischsprachigen Ausgaben Konkurrenz, speziell in populären Genres wie den Kriminalromanen oder dem Frauenroman. Dass sie zunehmend auf Kaufinteresse stoßen und darum von immer mehr Buchhandlungen geführt werden, ist verständlich. Schließlich sind die Sprachkenntnisse enorm gewachsen, vor allem bei den Jüngeren, und das ist ja erfreulich. So liest man Romane eben auch im Original. Außerdem steht angelsächsische Belletristik – Literatur und Unterhaltung – hierzulande recht hoch im Kurs. Dagegen können wir Verleger gar nichts haben. Es kommt ja auch den Verkäufen der deutschen Übersetzungen zugute.

BECKMANN: Begrüßen Sie also diese Entwicklung?
TEBBE: Es ist eine Entwicklung, die uns bei der Veröffentlichung der Übersetzungen unter einen neuartigen Druck setzt. Titel vor allem bekannter Autoren, die in den USA oder in Großbritannien frisch auf den Markt gekommen sind, müssen sehr rasch auf Deutsch vorliegen.

Eine gute Übersetzung aber braucht seine Zeit ebenso wie ein sorgfältiges Lektorat, auch das lässt sich nicht im Handumdrehen erledigen. Wir können folglich unser Buch gegenüber dem Original nur mit einer Zeitverzögerung publizieren, in der Regel erst ein halbes oder ganzes Jahr nach dem Erscheinen in der Originalsprache.

BECKMANN: Und diese Situation wollen Sie nicht als Problem bezeichnen?
TEBBE: Sie geht auf eine komplexe Situation zurück, die nicht so ohne weiteres zu verändern sein wird. Wir werden uns in der ein oder anderen Weise darauf einstellen müssen. Ich denke, wir sollten sie als verlegerische Herausforderung betrachten.

BECKMANN: Sie wird aber massiver, weil angelsächsische Verlage mit stagnierenden Heimatmärkten zu kämpfen haben und deshalb zunehmend aktiver auf dem wachsenden englischsprachigen Weltmarkt werden. In dem Zusammenhang ist gerade unser Sprachraum für sie interessant, so dass sie ihre hiesigen Verkaufsanstrengungen gewiss noch steigern werden.
TEBBE: Das ist ihr gutes Recht. Damit gehen sie ja auf ein wachsendes Interesse des deutschen Lesepublikums an englischsprachigen Büchern ein. Auch das kann und darf für uns deutsche Verlage noch kein Stein des Anstoßes sein.

BECKMANN: Da gibt es nun aber doch einen Stein des Anstoßes. Da gibt es ein ganz neues Phänomen. Es hat sich erstmals im Herbst letzten Jahres gezeigt. Da machte die amerikanische Bestseller-Autorin Elizabeth George eine Lesereise in Deutschland – für die englischsprachige Ausgabe ihres neuesten Romans, der auf Deutsch, bei Blanvalet, erst ein halbes Jahr danach herauskommen sollte.
TEBBE: Ja, wir machen gerade eine ähnliche Erfahrung: unsere amerikanische Autorin Anita Shreve kommt für ihren jüngsten Roman zu Lesungen in die Schweiz und nach Deutschland, bei Orell Füssli und Thalia. Leider erscheint unser neues Buch von ihr erst im Frühjahr 2009.

BECKMANN: Wen aber muss man nun für diese Situation verantwortlich machen? Den deutschen Buchhandel, der sich darauf einlässt?
TEBBE: Mitnichten. Die Initiative zu diesen Lesungen ist nicht von diesen beiden Filialisten ausgegangen. Sie haben ein Angebot solcher Lesungen erhalten, es natürlich angenommen, und das ist völlig in Ordnung. Mit dem Besuch einer Autorin von solchem Rang gewinnen sie ja einen Pluspunkt für Kundenwerbung und -bindung.

Übrigens: Der Piper Verlag bemüht sich schon seit Jahren darum, sie zu einer Lese- und PR-Reise nach Deutschland zu bewegen. Wie auch Elizabeth George ist sie hierzulande eine bedeutende Bestseller-Autorin, und beide haben eine große deutsche Lesergemeinde, die sie natürlich gern einmal persönlich kennen lernen würde. Die Einladung von Anita Shreve geht auf den englischen Verlag Little, Brown zurück.

BECKMANN: Aber was stört Sie denn so an einem so gearteten Autorenbesuch?
TEBBE: International bekannte, erfolgreiche Autoren haben vor allem ein Zeitproblem, Es ist deshalb nicht einfach, sie für einen Besuch in Deutschland zu gewinnen. Aber ein von ihrem deutschen Verlag organisierter Deutschlandaufenthalt wäre für den nachhaltigen Erfolg eines neuen Buches, aber auch für ein anhaltendes Interesse an ihren Backlist-Titeln wichtig. Zumal solcher von Verlagsseite vorbereiteter Besuch medial sehr viel größere Wellen schlägt und deshalb dem gesamten deutschsprachigen Buchhandel nutzt, dem wir uns, im Sinne unserer Autoren, verpflichtet fühlen müssen und verbunden fühlen. Reisen die Autoren im Interesse des englischen Verlags, ist die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Reise gering.

BECKMANN: Und was steckt hinter diesem neuartigen Phänomen? Wie lässt sich sein Aufkommen erklären?
TEBBE: Zwischen den amerikanischen und den britischen Verlagen tobt ein zunehmend schärferer Wettbewerb um den offenen englischsprachigen Weltmarkt. Überall. Konkret geht es um die Frage: Wer setzt sich in diesem Wettbewerb auf dem deutschen Markt durch?

Das gilt für Elizabeth George, für Anita Shreve und viele andere Autoren mehr. Wir bei Piper sind von Anita Shreves Lesungen in Deutschland und der Schweiz leider nicht informiert worden. Ebensowenig ihre literarische Agentur. Veranstaltet hat sie ihr britischer Verlag. Hier wird nun ein Konkurrenzkampf ausgetragen, der eigentlich gar nichts mit uns zu tun hat, auf dem Rücken des deutschen Buchhandels insgesamt, letztlich wohl auch zum Nachteil der Autoren.

BECKMANN: Sehen Sie einen Ausweg aus dieser Situation?
TEBBE: Der wird nicht leicht zu finden sein, da müssen wir realistisch sein. Es wird vor allem darum gehen, bei allen Beteiligten ein Bewusstsein für die Problematik dieser Entwicklung zu schaffen. Und natürlich werden wir uns mit unserer Autorin und der Agentur zusammensetzen, um über diese Frage gemeinsam nachzudenken.

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