Resolution der AG Publikumsverlage. 230 Verleger auf den Barrikaden

230 Verleger aus 100 Branchenunternehmen verfassten bei der Tagung der AG Publikumsverlage nicht nur einen Offenen Brief, sondern stiegen in Gegenwart von Ex-Kulturminister Michael Naumann in Ermangelung von Barrikaden auf die Stühle, um ihrem Protest gegen Herta Däubler-Gmelin sichtbaren Ausdruck zu verleihen.

Der Offene Brief im Wortlaut:

Arbeitsgemeinschaft Publikumsverlage
Großer Hirschgraben 17 – 21
60311 Frankfurt am Main

Offener Brief

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrte Frau Bundesjustizministerin,
sehr geehrter Herr Staatsminister für Kultur und Medien,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete der Regierungsfraktionen,

mit Fassungslosigkeit und Bestürzung müssen wir heute feststellen, dass Sie im Begriff stehen, der deutschen Verlagslandschaft in einer ohnehin schweren Zeit irreversible Schäden zuzufügen. Ohne jede Ankündigung hat das Bundesjustizministerium am letzten Dienstag dem Bundestag einen gravierend veränderten und um völlig neue Vorschriften erweiterten Gesetzentwurf zum Urhebervertragsrecht vorgelegt, der bereits in der kommenden Woche beschlossen werden soll. Hierzu stellen wir fest:

 Weder die Abgeordneten des Deutschen Bundestags noch die betroffenen Unternehmen und Verbände haben die Möglichkeit, sich innerhalb von wenigen Tagen qualifiziert mit dem neuen Text auseinander zu setzen. Wer eine komplexe Materie von so hoher Wichtigkeit für die Verlage und anderen Unternehmen der Kulturwirtschaft in diesem Verfahren regeln will, kann dafür keine demokratische Legitimation in Anspruch nehmen.

 Der neue Gesetzestext enthält Regelungen, die den mit Ihnen, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, und mit Ihnen, sehr geehrte Frau Bundesjustizministerin, mündlich und schriftlich getroffenen Vereinbarungen und Ihren entsprechenden öffentlichen Ankündigungen elementar widersprechen. Auch mit der Gegenäußerung der Bundesregierung zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates sind sie nicht in Einklang zu bringen. Wir empfinden es als Widerspruch, ein neues Vertragsrecht schaffen zu wollen und dabei das der Öffentlichkeit und anderen Verfassungsorganen gegebene Wort zu brechen.

 Die neu geschaffenen oder geänderten Vorschriften des Entwurfs, insbesondere die Paragraphen 32, 32a, 32b und 132, entziehen den von Verlagen geschlossenen Verträgen die Rechtssicherheit. Wenn die Vereinbarungen deutscher Verlage künftig keine Verlässlichkeit mehr bieten, lähmt das die Bereitschaft zur Übernahme verlegerischer Risiken und führt zwangsläufig zu einer raschen Abwanderung intellektuellen, kulturellen und finanziellen Kapitals.

 Durch § 32a des neuen Entwurfs sollen Verlage gezwungen werden, Autoren an Erlösen zu beteiligen, die nicht sie, sondern ihre Lizenznehmer erzielt haben. Dies betrifft künftige Nutzungen aufgrund aller von deutschen Verlagen in der Vergangenheit (§ 132) auf der ganzen Welt (§ 32b Nr. 1) jemals abgeschlossenen Lizenzverträge. Der als Ausgleich gedachte Regressanspruch gegen die Lizenzpartner ist im Ausland praktisch nicht durchsetzbar und auch im Inland mit hohen Kosten und Risiken behaftet. Wird diese Regelung Gesetz, so ist sie nichts weniger als der Tod vieler kleiner und unabhängiger Verlage.

Wir appellieren dringend an Sie, die Abstimmung über den vom Bundesjustizministerium am Dienstag vorgelegten Gesetzestext abzusetzen. Für konstruktive Gespräche über sinnvolle Neuregelungen des Urhebervertragsrechts stehen wir Ihnen weiterhin gerne und auch sehr kurzfristig zur Verfügung.

17.Januar 2002
Die in München versammelten Verleger der deutschen Publikumsverlage
gez. Volker Neumann
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Publikumsverlage

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