Diskussion in Berlin: Die Immobiliensituation der Börsenvereins-Gruppe in Frankfurt: Bestandaufnahme und Situationsbeschreibung durch den Börsenverein

Einstieg ins Reizthema Umzug / Immobiliensituation: Der Börsenverein ist wegen des notwendigen Brand- und Arbeitsschutzes gesetzlich gezwungen, jetzt bestimmte Sanierungsmaßnahmen im Großen Hirschgraben zu ergreifen, und auch rein inhaltlich existiert mittlerweile unaufschiebbarer Sanierungsbedarf. Deshalb ist es – mittel- oder längerfristig betrachtet – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendig, sich mit der Immobiliensituation grundsätzlich auseinanderzusetzen.

Nach 50 Jahren haben die Gebäude, insbesondere das im Großen Hirschgraben, ihre „technische Lebensdauer überschritten. Fenster sind im Rahmen von Umbaumaßnahmen immer wieder erneuert worden. Sie sind in der Regel jedoch älteren Datums, teilweise mit verzogenen Rahmen und energetisch unzulänglich. Die geschlossen verputzten Fassadenbereiche sind grundsätzlich weiterhin nutzbar, jedoch ebenfalls energetisch unzulänglich. Gleiches gilt für das nicht isolierte Dach, das komplett erneuert werden müsste. Teile der Lager- und Arbeitsbereiche sind nur durch einen Lastenaufzug erreichbar, der aufgrund seines technischen Verschleißes immer wieder stehen bleibt und nur durch das Nachbargebäude angesteuert werden kann. Dadurch werden Arbeitsabläufe nicht nur verteuert, sondern Mitarbeiter einer konkreten Gefahr ausgesetzt.

Im Zentrum stehen zudem die Brandschutzprobleme.

Sowohl im Buchhändlerhaus als auch im Technischen Buchhändlerhaus sind die technischen und sanitären Anlagen verschlissen und entsprechen nur noch bedingt den heutigen Anforderungen an Funktionalität und Wirtschaftlichkeit: Die vorhandenen Heizungsanlagen haben in nahezu allen Bestandteilen die normativen Nutzungsdauern überschritten und entsprechen nicht mehr dem energieökonomischen Stand der Technik. Ein Großteil der Heizkörper ist thermostatisch nicht regelbar. Die Elektroanlagen sind teilweise durch Aufputzinstallationen erneuert und erweitert worden. Datennetzverteilungen sind zum Teil in WC-Vorräumen aufgestellt. Ein durchgängiges Versorgungskonzept, das eine flexible moderne Büronutzung ermöglicht, ist nicht zu erkennen. Die obere Etage im Buchhändlerhaus im Großen Hirschgraben kann nicht barrierefrei mit dem Aufzug erreicht werden. Bodenbeläge sind zum Teil derart verschlissen, dass Unfallgefahr besteht. Die sanitäten Anlagen sind marode und genügen heutigen Hygieneansprüchen nicht mehr. Die Teeküchenbereiche weisen starke Abnutzungserscheinungen auf und müssen grundlegend erneuert werden.

Für die Umsetzung der behördlichen Auflagen und die Behebung der gravierendsten technischen Mängel sowie eine ‚Pinselsanierung’ in den Gebäuden des Großen Hirschgraben muss nach den vorliegenden Gutachten und einer entsprechenden Kostenschätzung für das Buchhändlerhaus und das Technische Buchhändlerhaus mit einem Mindestvolumen von rund 3 Mio. Euro gerechnet werden.

Nachteil: Der ‚verbrauchte’ Gebäudebestand würde dabei jedoch nicht an Wert gewinnen, da die Baukörper im gegenwärtigen Zustand weder marktgerecht vermietbar noch zu entsprechenden Marktpreisen veräußerbar wären. Ein Investor müsste vielmehr bei einer Entkernung oder dem Neuaufbau der Gebäude die neu eingebrachten technischen Anlagen wieder entfernen und erneut aufbauen.

Die Wiederherstellung der Gebäude in einem annähernd neuwertigen Zustand würde Gesamtinvestitionen für beide Gebäude in Höhe von 13 Mio. Euro (ohne Finanzierungskosten) erfordern.

Neben der Sanierung der Gebäude käme der Umzug des Börsenvereins und seiner Wirtschaftstöchter in neu anzumietende oder zu kaufende Bürogebäude in Frage. Im Hinblick auf die Ortsgebundenheit der Internationalen Frankfurter Buchmesse und damit der Ausstellungs- und Messe GmbH (AuM) gibt es folgende Möglichkeiten für den Börsenverein und seiner Wirtschaftstöchter: Beibehaltung des Status quo im Frankfurter Buchhändlerhaus sowie dem Technischen Buchhändlerhaus, Sanierung der Frankfurter Liegenschaften, Umzug des Börsenvereins und der MVB nach Leipzig, Umzug des Börsenvereins und der MVB nach Berlin oder einen anderen Standort außerhalb von Frankfurt am Main, Anmietung einer Liegenschaft für die Börsenvereins-Gruppe in Frankfurt am Main, Erwerb / Entwicklung einer Liegenschaft für die Börsenverein Gruppe in Frankfurt am Main.

Sinnvoll erscheint, die einzelnen Betriebe auch räumlich zusammenzuführen.

Eine Nutzung des „Millionengrabes“ Haus des Buches in Leipzig ist aus vielerlei Gründen sehr schwierig und wirtschaftlich wenig sinnvoll. Benötigt würden im Haus des Buches in Leipzig Flächen für den Börsenverein und die MVB, die Ausstellungs- und Messe GmbH muss am Standort der Internationalen Buchmesse in Frankfurt am Main bleiben. Die für Börsenverein und MVB benötigten Flächen sind im Haus des Buches grundsätzlich vorhanden, jedoch müssten vor einem Umzug beim bisherigen Vermietungsstand rund 4.500m² Fläche „entmietet“ werden. Da Fläche nicht an einen, sondern an viele Mieter vergeben ist, würde sich eine Kündigung sehr schwierig gestalten, man muss mit unterschiedlichen Kündigungsfristen und ggf. Ablösezahlungen rechnen. Darüber hinaus wäre für das Rechner- und Telefonnetz eine neue Verkabelung notwendig, zusätzlich müssen Umbaukosten (Zwischenwände, Bodenbeläge, Anstriche, etc.) bei der Zusammenführung und Wiederherstellung der Mietflächen eingerechnet werden.

Nicht alle Mitarbeiter von Börsenverein und MVB würden den Umzug an einen anderen Ort mitmachen. Dabei kann von einer Änderungskündigungsquote von 50 Prozent ausgegangen werden, die entsprechende Sozialkosten sowie Kosten für Neubesetzungen (einschließlich Einarbeitungskosten) nach sich ziehen würde. Nicht kalkulierbar sind die Arbeitsausfälle, die sich bei einem entsprechenden logistischen Ablauf auf zwei Arbeitstage reduzieren lassen. Insgesamt würden so umzugsbedingte Kosten von deutlich über 6 Mio. Euro entstehen. Noch nicht in der Gesamtkalkulation berücksichtigt sind die derzeitigen finanziellen Einsparungen durch die zurzeit von allen Gruppenteilen genutzten internen Dienste (Shared Services) und der dann bei einem Teilumzug in diesem Bereich notwendig werdende Personalaufbau. Darüber hinaus werden auch die Reisekosten in nicht unerheblichem Ausmaß anwachsen.

Bei einem Umzug des Börsenvereins nach Berlin entstehen wie bei einem Umzug nach Leipzig gleichartige Kosten im Hinblick auf Personal und Umzüge, allerdings unter 6 Mio. Euro, da sich Kosten für Renovierung oder Verkabelung bei langfristigen Mietverträgen auf den Vermieter übertragen lassen. Auch die derzeitigen finanziellen Einsparungen durch die Shared Services (siehe oben) sind noch nicht einberechnet. Die Anmietung der notwendigen Fläche würde bei einer Festlegung auf zehn Jahre bei einem Quadratmeterpreis von zehn Euro im Jahr rund 630.000 Euro Kosten.

Nach dieser Rechnung wird das bei einem Verkauf der Liegenschaften Großer Hirschgraben sowie Berliner Büro eingenommene Geld in etwa 12 Jahren aufgebraucht sein und der nach Berlin umziehende Börsenverein sowie die MVB müssten dann – eine entsprechenden Mietpreissteigerung einberechnet –mit einer durchschnittlichen Gesamtmietbelastung von jährlich rund 730.000 Euro rechnen.

Der Kauf eines geeigneten Grundstücks und der Bau eines selbstgenutzten Gebäudes wäre im Vergleich zum Frankfurter Markt um etwa 18 Prozent günstiger. Die erzielbare Einsparung von bis zu 2 Mio. Euro bei den Baukosten wird jedoch durch die Kosten der Standortverlagerung deutlich überkompensiert. Darüber hinaus ist in Berlin nach dem augenblicklichen Stand der Marktentwicklung nicht mit einer annähernd so guten Entwicklung der Immobilienpreise zu rechnen wie in Frankfurt. Langfristig kann daher nicht von einer vergleichbaren Vermögensentwicklung zugunsten des Börsenvereins ausgegangen werden.

Das ‚Berliner Szenario’ lässt sich grundsätzlich auf jeden Standort übertragen, wobei hinsichtlich des Verkehrsinfrastrukturangebots zwingend eine sehr gute nationale und internationale sowie innerstädtische Lage notwendig ist.

Berechnet man zunächst, welche Miete gezahlt werden könnte, ohne das Vermögen der Börsenverein- Gruppe zu verzehren, so ergibt sich bei einem angenommenen ‚Startkapital’ von 15 Mio. Euro eine potenzielle Miete von knapp unter 6 Euro pro Quadratmeter Mietfläche im Monat. Notwendige Lagerflächen und Stellplätze sind in dieser vereinfachten Betrachtung noch nicht enthalten. Durch die Anmietung von Büroraum zu marktüblichen Konditionen wäre das Vermögen nach spätestens 15 Jahren aufgebraucht.

Das bedeutet: Nach diesen 15 Jahren stehen potenziellen Mietaufwendungen von über 1 Mio. Euro jährlich für die Börsenverein Gruppe an. Gleichzeitig wären die jetzigen Werte vernichtet.

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