Gerhard Beckmann und Dr. Inge Kralupper: Warum Wien eine Messe wert ist

Dr. Kralupper ist seit 1998 Geschäftsführerin des Hauptverbands des Österreichischen

Inge Kralupper

Buchhandels. Sie studierte Handelswissenschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien, arbeitete beim ORF und in Deutschland bei einem Pressevertriebsunternehmen.

BECKMANN: Jahrzehntelang haben in Wien die Buchwochen stattgefunden, im Rathaus. Warum will der Österreichische Buchhändler- und Verlegerverband nun vom 17. bis 23. November 2008 eine richtige Buchmesse durchführen, die BuchWien?
KRALUPPER: Das Wiener Rathaus ist ein schöner und repräsentativer Rahmen – aber es ist uns schlicht zu klein geworden. Die räumliche Begrenzung hat es unmöglich gemacht, die Nachfrage nicht-österreichischer Verlage nach Ausstellungsmöglichkeiten zu befriedigen. Am neuen Standort, der Messe Wien, können wir nun dem Publikum in einem modernen Rahmen ein deutlich größeres und inhaltlich breiteres Angebot bieten. Großzügige Bühnenbereiche ermöglichen außerdem eine zeitgemäßere Präsentationsform für Neuerscheinungen; so wird es etwa eine eigene Bühne für den Kinderbuchbereich geben, einen Fantasy-Corner, eine Kochbühne, einen Platz, an dem Signierstunden durchgeführt werden können…

BECKMANN: Wie steht die Politik zu dem Vorhaben Ihres Verbandes, die Regierung der Stadt Wien, die Bundesregierung? Findet die BuchWien dort Unterstützung?
KRALUPPER: Sowohl die Stadt Wien als auch das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur und das Wissenschaftsministerium sind ideelle wie finanzielle Unterstützer unseres Projekts. Für mich ist es besonders beeindruckend, wie man Seite an Seite mit uns die Aufbauarbeiten für dieses ambitionierte Projekt leistet.

Mit Hilfe dieser Partner wird es uns zweifellos auch gelingen, ganz wichtige Zielgruppen im Herbst zur BuchWien zu mobilisieren. Ich spreche da nicht nur von LeserInnen im Allgemeinen, sondern gleichermaßen von den SchülerInnen und, auf der anderen Seite, auch von WissenschaftlerInnen. Wie ernst das Projekt hier genommen wird, war zuletzt daran zu erkennen, dass unsere Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, Dr. Claudia Schmied, ihren Besuch auf der Leipziger Buchmesse explizit für Gespräche mit VerlegerInnen deutscher Verlage genutzt hat, um für die BuchWien zu werben.

BECKMANN: Haben Sie für Ihre Planungen Anregungen bei der Leipziger Messe gefunden? Dort ist schließlich ein echtes populäres Buchfestival zustande gekommen, mit zahllosen Lesungen und Diskussionen, auf dem Messegelände und über die gesamte Stadt verteilt. Leipzig ist zu einer beispielhaften Stätte der Begegnung zwischen Autoren und Lesern geworden. Ist in Wien Ähnliches geplant, in ähnlichen Ausmaßen, in vergleichbarer Vielfalt?
KRALUPPER: Wenn man bedenkt, wie ungewiss die Zukunft und die Bestimmung der Leipziger Buchmesse jahrelang war und mit welchen Vorbehalten die Verlage nach Leipzig gekommen sind und welch großen Erfolg die Messe heute hat, dann sehen wir auf mittlere Sicht auch in Wien keine Probleme, eine Messe zu etablieren.

Um die Messe auch in der Bevölkerung bekannt und beliebt zu machen, planen wir ähnlich wie in Leipzig ein Lesefestival, das in der ganzen Stadt stattfinden wird. An prominenten, interessanten und ungewöhnlichen Schauplätzen werden Lesungen, Diskussionen und Podiumsgespräche stattfinden: für alle Altersgruppen, für alle Interessensgebiete wird etwas dabei sein. Das Burgtheater wird ebenso mitmachen wie der Narrenturm, das Hundertwassermuseum ebenso wie der Twin City Liner nach Bratislava. Die Ausmaße von Leipzig liest sind allerdings nicht unser Maßstab.

Aber auch bei der Gestaltung der Messebuchhandlung haben wir Anregungen aus Leipzig bekommen. Die Messebuchhandlung, die sich aus einer Gemeinschaft von rund 10 Buchhandlungen zusammensetzt und ein repräsentatives Bild der Branche abgibt, stellt sicher, dass die ausgestellten Bücher direkt auf der Messe gekauft werden können; darüber hinaus wird die Messe auch die Gelegenheit bieten, dem Publikum die Leistungen des heimischen Buchhandels vor Augen zu führen.

BECKMANN: Die Wiener Buchwoche war ja bisher nur eine regionale Veranstaltung. Werden sich da künftig Änderungen ergeben? Die neue Buchmesse verspricht eine fulminante Marketingaktion für das Buch zu werden. Darüber sind die österreichischen Verlage gewiss glücklich, oder?
KRALUPPER: Zum Thema regional: das wird sich im November ändern. Wegen der geographischen Lage Wiens liegt ja nichts näher, als dass wir uns unseren ost- und südosteuropäischen Nachbarn nähern, schon im Hinblick auf das immer größer werdende Europa – und schließlich haben wir Österreicher durch das k.u.k. Erbe eine große gemeinsame Vergangenheit. Auch literarisch.

Wir glauben, dass der südosteuropäische Schwerpunkt eine Bereicherung der literarischen Landschaft und neue Möglichkeiten für Verlage bieten wird. Es gibt in Albanien, der Slowakei, der Ukraine wesentlich mehr literarisches Neuland zu finden als die aus dieser Region bereits bekannten Namen. Wir sind fest davon überzeugt, dass dieser Schwerpunkt mit seiner Verleger- und Autorenpräsenz und einem Übersetzersymposion ein Anziehungspunkt für Verlage sein wird, auch für deutsche. Ich bin mir allerdings darüber völlig im klaren, dass diese Facette vor einer langen Aufbauarbeit steht.

BECKMANN: Und was ist mit dem Marketingaspekt?
KRALUPPER: Die Österreicher kaufen dank der vielen Aktionen für das Buch wieder mehr und die BuchWien soll diesen Trend unterstützen. Das freut natürlich die österreichischen Verlage. Aber auch die deutschen Verlage mit ihren vielen prominenten österreichischen Autoren mit Bestsellerqualität, die ja einen wesentlichen Marktanteil in Österreich haben, sollten sich darüber freuen

BECKMANN: Nun wollen Sie aber auch möglichst viele deutsche Verlage als Aussteller gewinnen. Von deren Seite hört man immer wieder: Wir haben schon die Messen in Frankfurt und Leipzig und die LitCologne, außerdem müssen wir nach London, Jerusalem, Bologna, etc, das alles wird uns allmählich zu viel, auch was unsere zeitlichen und finanziellen Ressourcen betrifft. Also: Was hat die BuchWien deutschen Verlagen an Besonderem anzubieten?
KRALUPPER: Jeder in der Branche weiß, wie teuer, organisatorisch aufwendig und personalintensiv ein Messeauftritt für die Verlage ist. Wir haben nicht damit gerechnet, dass alle sofort auf der BuchWien einen Stand buchen werden. Wir hören von deutschen Literaturverlagen darum manchmal: Wir schauen uns das Ganze im ersten Jahr einmal an … Das ist als Impuls nachvollziehbar, aber bedauerlich, auch für sie. Denn wir rechnen mit großem Publikumsinteresse an dieser ersten internationalen Buchmesse in Österreich, denn schon die bisherige, wesentlich eingeschränktere Buchwoche war ein großer Publikumsmagnet – nicht zuletzt deswegen, weil wir mit dem Termin Ende November in die Zeit fallen, in der die Menschen überlegen, was sie zu Weihnachten schenken wollen.

BECKMANN: Man hört in deutschen Verlagen vor allem auch Bedenken der Kosten wegen. Werden sie bei einer Teilnahme arg zur Kasse gebeten?
KRALUPPER: Vergleicht man die Preise pro Laufmeter auf der Buchwoche mit den Preisen der BuchWien sind die Preise pro Laufmeter durchschnittlich rund € 50 höher; dies ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass ein Vielfaches für das Marketing zu diesem Ereignis ausgegeben wird. Außerdem ist die neue Messe Wien architektonisch besonders attraktiv und die Lage zentral, denn die EURO hat uns Wienern eine neue U-Bahnlinie gebracht hat, die direkt vor den Messehallen hält. Damit braucht man vom Stephansdom zur Messe nur mehr 5 Minuten. (Fußball und Literatur sind also doch verwandter als man denkt…)

BECKMANN: Die BuchWien soll also primär – zunächst jedenfalls – eine Publikumsmesse werden. Ein großer Publikums- und Medienerfolg ist auch die LitCologne geworden. Trotzdem löst sie Unmut aus: Die Verlage haben komplett für alle Kosten ihrer dort auftretenden Autoren aufzukommen, einschließlich Honorare plus Zahlungen für Moderatoren und Übersetzer. Darüber stöhnen inzwischen sogar die großen Häuser, mittlere Verlage ächzen und überlegen, ob es sich bei manchen ihrer Autoren wirklich lohnt, die kleinen können sich eine Teilnahme meist schlicht nicht leisten, selbst wenn sie gern interessante Autoren schicken würden. Anders gesagt: Auf der LitCologne findet von vornherein eine ökonomische Selektion zugunsten finanzstarker größerer Verlage statt. Ist das vielleicht auch ein Problem für die BuchWien und ihr Rahmenprogramm? Wie halten Sie und Ihre Mitstreiter es mit dergleichen Kosten?
KRALUPPER: Durch unsere Förderungen der Stadt Wien, der Bundesministerien für Unterricht, Kunst und Kultur und bzw. Wissenschaft sind wir in der Lage, Autorenhonorare zu zahlen. Wenn z.B. sieben Bestsellerautoren aus den USA kommen, freuen wir uns aber natürlich, wenn die Verlage uns bei den Kosten für den Business Class Flug helfen…

BECKMANN: Noch ist die Einladungskampagne voll im Gange. Wie viele Verlage haben sich bislang schon für die Teilnahme an der BuchWien entschieden?
KRALUPPER: An die 100 Verlage. Mit vielen sind wir derzeit im Gespräch, sodass ich zuversichtlich bin, dass wir Ende Juni schon eine gute Schätzung der Teilnehmer machen können; das gilt für alle Themenbereiche (wie etwa Kinderbuch und Fantasy, Belletristik, Sachbuch, Wissenschaft und Neue Medien), wo wir große Gemeinschaftsstände mit Diskussionsforen und Lesebühnen einplanen.

Die BuchWien ist ein ambitioniertes Projekt, das viel Einsatz von uns verlangt und nicht frei von Hürden ist. Aber die Resonanz in der Branche, in Politik und Medien und nicht zuletzt beim Publikum sind unglaublich stimulierend für das hochmotivierte BuchWien-Team.

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