Beckmann kommtiert Wie Peter Olson zu seinem freiwilligen Abschied als Random House-Chef gedrängt wird

Dass Peter Olson (58) CEO von Random House – die weltweit größte Gruppe von Publikumsverlagen – in der ostwestfälischen Zentrale des Bertelsmann-Konzerns nicht mehr lieb Kind war, haben in New York die Spatzen schon öfter mal von den Dächern gepfiffen. Es wurde darum auch nicht sonderlich ernst genommen, als jüngst das Gerücht wieder einmal aufkam [mehr…] [mehr…], wenn auch lauter. „Wie oft habe ich das in der Vergangenheit nicht schon gehört!“ soll man darauf mit einem gewissen Gähnen reagiert haben, meldet der New York Observer.

Nun aber ist die Sache ernst und quasi-offiziell geworden [mehr…]. Warum? Soll er tatsächlich abgelöst werden? Oder will er freiwillig seinen Abschied nehmen? Wenn man die widersprüchlichen Aussagen, Gegenaussagen, Berichte und Kommentare vor allem in den USA – einen erste Überblick brachte der online-Branchendienst publishers lunch.com – vorsichtig sortiert, scheint folgendes Bild plausibel.

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Dass die Dinge 2007 nicht erwartungsgemäß laufen würden, muss relativ früh erkennbar gewesen sein. Das amerikanische Konsumklima kühlte zusehends ab; allein das ließ einen spürbaren Umsatzrückgang bei Random House wahrscheinlich werden –am Ende waren es 4,6 Prozent. Der Kurswert des Dollars schwächelte schon vor der Hypotheken-, Banken- und Kreditkrise – ein heikler Punkt für eine Unternehmensgruppe, die 70 Prozent ihres Absatzes im Dollar-Raum macht und beim Mutterkonzern in Euro bilanziert wird: Schlussendlich sank die Rendite um 5,6 Prozent. Folglich wuchs der Druck auf den Random House-Chef, zumal Bertelsmann, um einen Börsengang zu vermeiden, ein Milliarden schweres Aktienpaket zurückkaufen musste und nun eine hohe Schuldenlast abzutragen hat. [mehr…]

Das kann es aber nicht sein. Peter Olson ist dafür bekannt, dass er sich Herausforderungen stellt und, wenn nötig, harten Maßnahmen ergreift, um sie zu meistern. Doch 2007 war für ihn persönlich ein schwieriges Jahr: eine „schwere doppelte Lungenentzündung“, die „ ihn zwang, die Verantwortung für das Unternehmen für zwei Monate an seinen Stellvertreter abzugeben“, und man wusste davon, zumindest in New York offenbar, „dass die Erkrankung ihm so arg zusetzte, dass er in einem Spezialtransport aus China zurückgeflogen werden musste“ (The New York Observer).

In einer so akuten gesundheitlichen Krise aber denkt ein Mensch bekanntlich oft über sein bisheriges Dasein und über eine existentielle Neuorientierung nach. Peter Olson „hat im Leben neben seiner CEO-Karriere noch andere Interessen“, zitiert die Financial Timeseine ihm nahestehende Person; ein anderer Vertrauter ließ das Wall Street Journal wissen, dass Peter Olson über „einen neuen Lebensplan“ nachdachte und darüber, ihn „vielleicht schon bald in die Tat umzusetzen“.

So etwas ist verständlich und nachvollziehbar. Dem Vorstandsvorsitzenden eines Konzerns muss es andererseits bedenklich erscheinen, wenn der Chef einer großen wichtigen Sparte in einer wirtschaftlich ohnehin angespannten Gemengelage nach längerer Absenz nicht mehr mit allem Sinnen und Trachten ganz bei der Sache ist.

Und so hat der vom Wall Street Journal zitierte Random House-PR-Chef Stuart Applebaum wohl recht, wenn er zu den Meldungen über eine angeblichen Hinauswurf Olsons bemerkt: „Es ist nicht Bertelsmann-Art, einen langgedienten Topmanager, der eine Schlüsselposition innehat und einen starken wirtschaftlichen Erfolgskurs aufweisen kann, wegen nur eines nicht ganz so fantastischen Bilanzjahres vor die Tür zu setzen.“ Zumal, wie die NYT zu bedenken gibt, Olson keineswegs das Desaster der amerikanischen Buchklubs zu verantworten hat, deren Leitung er erst im September vergangenen Jahres übernahm, als ihr Verkauf wohl bereits geplant war. [mehr…] [mehr…]

Die Unsicherheit eines vollen weiteren Engagements, verbunden mit der nicht gering zu veranschlagenden Möglichkeit eines Absprungs von Olson freilich war über Wochen oder gar Monate hin kaum ohne weiteres akzeptabel. Zumal: „Bei einem Umsatz von 1,85 Milliarden Euro erreichte der Konzern, der jährlich mehr als eine halbe Milliarde Bücher verkauft, nur einen operativen Gewinn von 173 Millionen Euro.“ (Dieser Gewinn liegt zwar nicht wesentlich unter den wahrscheinlich angepeilten zehn Prozent.) Aber „das ist zu wenig, wenn Ostrowski seit Januar 2008 der neue Vorstandsvorsitzende von Bertelsmann [mehr…] seine ehrgeizige Rendite erreichen will, die er den Eigentümern Liz und Reinhard Mohn versprochen hat“ (Handelsblatt).

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Was ist also geschehen?

Der Ablauf der Geschichte ließe sich so rekonstruieren, wie ein internationaler intimer Kenner der Szene es gestern privat getan hat: Bertelsmann hat Peter Olson nicht den Stuhl vor die Tür gesetzt, wohl aber zu zwingen gesucht, endlich ein klärendes Wort zu sprechen und sich zu entscheiden, indem man eine mediale Dynamik auslöste.

Auf diese Weise konnte das deutsche Manager-Magazin Ende April auf Grund des „Leaks“ eines Bertelsmann-Insiders die erste Meldung über eine angeblich bevorstehende Trennung von Peter Olson verbreiten. Während der Londoner Buchmesse – einem zentralen internationalen Branchen-Event, war – von Amerikanern vernommen – die gleiche Nachricht unter leitenden britischen Random House-Angestellten im Gespräch. Dem Frankfurter Korrespondenten der New York Times erzählten Anfang Mai zwei Gütersloher Spitzenkräfte, dass der Konzernvorstandsvorsitzende Ostrowski mit Olson die Geduld verloren habe und dessen offizielle Kündigung nur eine Frage der Zeit sei – sie erzählten es keineswegs vertraulich, sondern gaben die Mitteilung frei, unter der Bedingung, dass sie nicht namentlich als Quelle genannt würden. Nick Langer brachte die Story am 4. Mai. Seither rauscht sie durch den Blätterwald.

Damit wurde Peter Olson unter Druck gesetzt, sich offen zu erklären – wenn er nicht einer „bad publicity“ zum Opfer fallen wollte, die seine Zukunftspläne hätte empfindlich stören oder gefährden können. Und seither ist – von ihm Nahestehenden oder Wohlwollenden verbreitet – das Wissen von Olsons Gedanken oder Intentionen über seinen freiwilligen Ausstieg bei Random House auch publik geworden.

Das Gütersloher Kalkül, die unerträgliche Hängeparty mediendynamisch zu einem (guten) Ende zu führen, scheint aufgegangen zu sein.

Inzwischen kursieren bereits Gerüchte und Spekulationen um Peter Olsons Nachfolger in den amerikanischen Medien.

Gerhard Beckmann freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

(Die vorige Kolumne finden Sie hier [mehr…]. Weitere Beiträge der Kolumne „Beckmann kommentiert“ im Archiv unter dem Stichwort: „beckkomm“.)

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