Die Privatisierung des Aufbau-Verlages: Alle Hintergründe

Das war die Sensation des Abends: Aufbau-Verleger Bernd F. Lunkewitz (Foto) hat – wie eben gemeldet [mehr…], [mehr…] – nach jahrzehntelangem Prozessieren

Bernd F. Lunkewitz

um die Eigentumsrechte an dem von ihm 1991 erworbenen Verlag Recht bekommen. Die Geschichte ist lang und kompliziert, sie liest sich wie ein Kriminalfall und ein Lehrstück über deutsch-deutsche Vereinigung in einem. Hier alle Fakten und Hintergründe:

Die Aufbau-Verlag GmbH wurde am 17. August 1945 in Berlin von vier Personen im Auftrag des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands gegründet. Anfang 1946 verkauften die Gründungsgesellschafter ihre Anteile an den Kulturbund e.V., nachdem dieser im Vereinsregister eingetragen und damit rechtsfähig geworden war. Der Kulturbund, der schon am 13. Juni 1945 von mehr als 1.000 Mitgliedern gegründet worden war, wurde damit Alleingesellschafter und rechtmäßiger Eigentümer des Aufbau-Verlages. In der DDR entwickelte sich der Kulturbund zu einer großen Massenorganisation, wandelte sich aber nach der Wende wieder in einen eingetragenen Verein um und wirkt noch heute in vielen Bereichen des kulturellen Lebens, hauptsächlich in den neuen Bundesländern, in denen fast achtzigtausend Menschen den Vereinen des Kulturbunds angehören.

Im Jahre 1955 veranlasste der Kulturbund die bisherige Aufbau-Verlag GmbH, ihren Eintrag im Handelsregister B zu löschen und sich stattdessen in das Register C eintragen zu lassen. Damit war der Aufbau-Verlag nunmehr ein sog. „OEB“ des Kulturbundes. Diese nur in der DDR bekannten Rechtsform für Unternehmen von Massenorganisationen und Parteien („Organisationseigener Betrieb“) bezeichnete das gemeinsame Eigentum der Mitglieder der jeweiligen Organisation an einem separaten Geschäftsbetrieb, während die „Volkseigenen Betriebe“ (VEB) rechtlich gesehen eine Form des Staatseigentums waren.

Auch nach der Wende blieb der Aufbau-Verlag gemeinschaftliches Eigentum der Mitglieder des Kulturbunds. In der Zeit des Zusammenbruchs der DDR hielt sich aber auch die SED für den Eigentümer des Aufbau-Verlages Berlin und Weimar und übergab ihn und Rütten & Loening in Volkseigentum. Nachdem in der unmittelbaren Wendezeit eine Umbesetzung in den Gremien des Kulturbundes stattgefunden hatte, beanspruchte der Kulturbund in 1990 gegenüber der Treuhandanstalt das Eigentum am Aufbau-Verlag. Die Eigentumsansprüche des Kulturbundes, wurden von der Treuhandanstalt ignoriert. Das Amtsgericht Charlottenburg lehnte den Antrag des Kulturbunds auf Berichtigung des Handelsregisters ab, obwohl – wie der zuständige Richter selber in dem Beschluss schrieb – die Akten nicht vorlagen.

Der Kulturbund e.V. unterstand damals dem nach der Wende erlassenen Parteiengesetz der DDR und damit der Zwangsverwaltung durch die Treuhandanstalt und konnte Vermögensverfügungen nur mit Zustimmung der Treuhandanstalt und der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR durchführen.

Die Treuhandanstalt stellte den Aufbau-Verlag und den Verlag Rütten & Loening als Volkseigentum fest und übernahm auf der Grundlage des Treuhandgesetzes zum 1. 7. 1990 die aus den angeblich volkseigenen Betrieben umgewandelte Aufbau-Verlag GmbH und die Rütten & Loening GmbH. Seit Sommer 1991 hatte die Treuhandanstalt intern zwar bereits Zweifel an ihrer Berechtigung, verkaufte die beiden Verlage jedoch am 28. September 1991 an eine Investorengemeinschaft, gebildet aus der BFL-Beteiligungsgesellschaft mbH, der Dr. Ulrich Wechsler Verlags- und Medien GmbH, der Konzeption Finanz- und Unternehmensberatung GmbH und an Thomas Grundmann. Die drei Minderheitsgesellschafter gaben erst im Jahre 2005 die Anteile am Aufbau-Verlag von zusammen 25% an die die BFL GmbH ab und schieden als Gesellschafter des Verlages aus.

„Während die Eigentumsanmaßung durch die Treuhandanstalt zum 1.7.1990 noch auf der unwirksamen Übergabe der Verlage in Volkseigentum und der damit rechtswidrigen Anwendung des Treuhandgesetzes beruhen mochte, war die Privatisierung der Verlage durch die Treuhandanstalt im Jahre 1991 nur durch illegale Machenschaften gegenüber den tatsächlichen Eigentümern und Betrug an den Investoren möglich“, heißt es in einer Erklärung des Verlags.

Der schon seit 1982 amtierende Verlagsleiter Elmar Faber war von der Treuhandanstalt als Geschäftsführer der Aufbau-Verlag GmbH und der Rütten & Loening GmbH bestätigt worden. Er versuchte sofort nach der Wende, den Verlag in einem Management Buy Out zu übernehmen oder, unterstützt durch die Unternehmensberater Dr. Wechsler und Dr. Eberhard Kossack, wenigstens einen ihm genehmen Investor zu finden, der ihm die Verlagsarbeit finanzieren würde.

Unabhängig davon hatte am 21./22. August 1991 die Zentrale Ermittlungsstelle Regierungs- und Vereinigungskriminalität (ZERV) auf der Suche nach vermuteten illegalen Geldern das Büro des Leiters der Abteilung Parteivermögen bei der SEDPDS durchsucht.

Dabei fiel der Staatsanwaltschaft ein Dokument in die Hände, aus dem hervorging, dass der Verlag Volk und Welt und der Aufbau-Verlag seit den sechziger Jahren im Umfang von ca. einer Millionen DM jährlich Lizenzbetrug und Urheberrechtsverletzungen zu Lasten westlicher Lizenzgeber begangen hatten. Schon ohne Zinsen ergeben sich daraus Ansprüche der geschädigten Urheber auf Schadensersatz in Höhe von ca. 30 Millionen DM.

Gegen die Verantwortlichen, darunter den Geschäftsführer des Aufbau-Verlages Elmar Faber, wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verdacht des Betruges in Tateinheit mit Verstößen gegen das Urheberrecht eingeleitet.

Unverzüglich wurde von der Staatsanwaltschaft der Leiter der Rechtsabteilung der Treuhandanstalt über die Ergebnisse der Ermittlungen gegen die Verlage informiert. Die Rechtsabteilung der Treuhandanstalt informierte nach Rücksprache mit anderen Abteilungen ihrerseits die Staatsanwaltschaft darüber, dass der Aufbau-Verlag kurz vor dem Verkauf stünde. Beide Behörden kamen zu der Ansicht, dass es vage Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Investoren als Strohmänner für Elmar Faber, der möglicherweise illegale SED Gelder zur Verfügung habe, auftreten und daher „Beweisverlust“ drohe, sobald sie den Verlag übernehmen.

Seit Juni 1991 hatte der Frankfurter Kaufmann Bernd F. Lunkewitz mit den Beteiligten auf Seiten des Aufbau-Verlages und dann auch der Treuhandanstalt über den Kauf der Verlage Verhandlungen geführt. Lunkewitz stützte sich auf das von Elmar Faber und dessen Beratern ausgearbeitete Konzept, das eine weitgehende Entschuldung des Verlages und den Verkauf an einen unabhängigen Investor vorsah. Am 23. August begannen die Verhandlungen, am 13. September 1991 kam es zur grundsätzlichen Einigung mit der Treuhandanstalt und am 18. September 1991 wurde in Berlin mit Lunkewitz ein Kaufvertrag über die Geschäftsanteile an beiden Verlagen geschlossen. Vereinbart wurden ein Kaufpreis von einer Millionen DM und die sofortige Bezahlung von drei Millionen DM Schulden. Die Treuhandanstalt erwähnte die Ermittlungen wegen der Plusauflagen mit keinem Wort, schloss aber im Kaufvertrag alle Garantien oder Gewährleistungsansprüche aus und verlangte die Zahlung von 800.000 DM auf ein Sonderkonto, von dem die Forderungen, die andere Treuhandunternehmen an den Aufbau-Verlag hatten, von der Treuhandanstalt eingezogen werden konnten. Lunkewitz behielt sich vor, weitere Gesellschafter, z.B. Dr. Wechsler, als Teilhaber aufzunehmen. Der Kaufvertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung der Zustimmung durch den Vorstand der Treuhandanstalt. Die Eigentumsansprüche des Kulturbundes wurden von der Treuhandanstalt trotzt interner Bedenken negiert, die Treuhand garantierte, dass die Eigentümerin ist.

Zwei Tage später erklärte die Treuhandanstalt gegenüber Lunkewitz, dass der Vorstand der Behörde dem abgeschlossenen Kaufvertrag nicht zugestimmt habe, weil Lunkewitz keine Erfahrung als Verleger und keine Branchenkenntnisse habe. Lunkewitz bot daraufhin an, mit Branchenexperten eine Investorengemeinschaft zu bilden, mit der schließlich am 27.9.1991 ein „Änderungs- und Beitrittsvertrag“ zustande kam, in dem Lunkewitz persönlich ausschied und seine Gesellschaft mit den anderen Investoren gemeinsam in den Kaufvertrag eintrat.

Der Vorstand der Treuhandanstalt unterschrieb am 1.10.1991 die Zustimmungserklärung. Das Dokument wurde jedoch von der Treuhandanstalt noch zurückgehalten und den Investoren wurde erklärt, aus „technischen Gründen“ sei die Vorlage der Zustimmungserklärung noch nicht möglich.

Am 3.10.1991, also nach dem Verkauf, aber vor Übergabe, wurde Elmar Faber fristlos entlassen und erhielt Hausverbot im Aufbau-Verlag. Die Entlassung geschah durch den Leiter der Personalabteilung der Treuhandanstalt, angeblich weil sich Faber geweigert hatte, „zur Vervollständigung der Personalakte“ eine Erklärung zu unterzeichnen, dass er nicht für die Stasi gearbeitet habe. Lunkewitz war wegen des merkwürdigen Verhaltens der Treuhandanstalt irritiert und kündigte an, Faber nach der Übergabe des Verlages wieder einzustellen, da die Investoren selber bestimmen wollten, wer ihr Geschäftsführer ist.

Die Treuhandanstalt und die Staatsanwaltschaft koordinierten die Vertragsabschlüsse und die vertraglichen Vereinbarungen so mit den Ermittlungen, dass erst am 7.10.1991, nachdem die Käufer seit dem 4. 10. 1991 nicht mehr vom Vertrag zurücktreten konnten, eine Durchsuchungsaktion der Staatsanwaltschaft beim Aufbau-Verlag stattfand. Das war am Tag der Übergabe des Geschäftsbetriebes an die Investoren. Die Aktion der Staatsanwaltschaft führte zu einem großen Presserummel und einer Kampagne gegen den Aufbau-Verlag wegen der sogenannten „Plusauflagen.“

Die Treuhandanstalt tat anschließend so, als sei sie von der Durchsuchung des Verlages und den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft völlig überrascht worden. Bei der Übersendung der Genehmigung des Kaufvertrages durch den Vorstand an den amtierenden Notar erklärte sie, dass mit Vorlage dieser Genehmigung am 14.10.1991 auch die „zwischenzeitlich den Käufern des Aufbau-Verlages bis heute gekannt gewordenen bzw. bekannt gegebenen weiteren Entwicklungen bei den zu übernehmenden Verlagen als zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses als offenbart zu betrachten sind“. Damit ist heute belegt, dass die „weiteren Entwicklungen“ zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eben nicht offenbart waren.

Einige Wochen später wurde das Auto von Dr. Kossack in Berlin aufgebrochen und zwei Aktenordner mit der Aufschrift „Aufbau-Verlag“ und „Volk & Welt“ aus der Aktentasche gestohlen.

Lunkewitz schrieb am 14. Oktober 1991 an die Treuhandanstalt, dass er die moralische Verantwortung des Aufbau-Verlages für die Plusauflagen akzeptiere, aber die wirtschaftlichen Folgen daraus den Altgesellschafter (Treuhandanstalt) oder den Verursacher (SED) treffen müssen. Inzwischen hatte auch der Verlag festgestellt, dass die Honorare aus Plusauflagen über das Ministerium für Kultur der DDR an die Hauptkasse der SED geflossen waren, allerdings wurde der Umfang des Schadens erst einige Zeit später erkannt.

Nachdem die neuen Gesellschafter durch intensive Recherchen die Ansprüche aus Plusauflagen quantifizieren konnten, wandten sie sich im Frühjahr 1992 an die Treuhandanstalt. Neben den drohenden Verbindlichkeiten aus den Plusauflagen, immerhin sechs Millionen DM gegenüber westlichen Verlagen und zwei Millionen DM gegenüber Autoren, war auch durch den Imageverlust seit dem Plusauflagenskandal der Buchverkauf des Verlages regelrecht zusammengebrochen und ein Verlust in Höhe von neun Millionen DM eingetreten.

Die Treuhandanstalt weigerte sich zunächst, den Schaden und die Ansprüche der westlichen Verlage und Autoren auf Nachzahlung der Honorare zu tragen. Unter Hinweis auf die vertraglich vereinbarten Haftungs- und Gewährleistungsausschlüsse erklärte sie: „Wir verkaufen Risiken und Chancen. Sie haben ein Risiko gekauft“, und riet, die Verlage in Konkurs gehen zu lassen.

Lunkewitz setzte nun die Treuhandanstalt unter Druck: Die hatte unmittelbar vor der Privatisierung der Verlage die Grundstücke des Unternehmens für acht Millionen DM gekauft, aber versäumt, dies durch eine Vormerkung im Grundbuch zu sichern. Lunkewitz wies daher die Geschäftsleitung des Verlages an, die Grundstücke nochmals – diesmal an seine eigene Gesellschaft für zwanzig Millionen DM – zu verkaufen und sicherte dies im Grundbuch ab. Er teilte dies der Treuhandanstalt mit und bot an, den Kaufpreis für die Grundstücke vom Aufbau-Verlag an die Treuhandanstalt zurück zahlen zu lassen. Da die Grundstücke aber einen erheblich höheren Wert hatten, kam es schließlich zu einem Vergleich. Die Treuhandanstalt übernahm die Bezahlung der Ansprüche der westlichen Verlage wegen der Plusauflagen, erhielt die Grundstücke und zahlte weitere neun Millionen DM dafür an den Aufbau-Verlag. Im Gegenzug verzichteten die Investoren auf alle weiteren Gewährleistungsansprüche aus der Übertragung der Verlagsgesellschaften.

Zu diesem Zeitpunkt bestand aber in der Treuhandanstalt und der „Unabhängigen Kommission“ schon länger die positive Kenntnis darüber, dass die Privatisierung der Verlage gescheitert, weil der Kulturbund e.V. noch immer rechtmäßiger Eigentümer des Aufbau-Verlages war und daher die Investoren durch diesen Vergleich nichts gewonnen hatten.

Die PDS erklärte in dieser Zeit in ihrer Vermögensaufstellung gegenüber der Treuhandanstalt, dass der Aufbau-Verlag nicht ihr Eigentum gewesen war. (Den Investoren gegenüber erklärte sie ihren Irrtum erst im Jahre 1995)

Nachdem es in 2003 zu einem Rechtsstreit zwischen Rowohlt und Aufbau wegen der Rechte am Werk Carl von Ossietzkys gekommen war, bezweifelte des Landgericht Hamburg die Identität der Aufbau-Verlag GmbH mit dem Aufbau-Verlag der DDR. Der damalige kaufmännische Geschäftsführer des Verlages, Peter Dempewolf wandte sich daraufhin an die Treuhand, die ja von Gesetztes wegen für die Eigentumszuordnung der Betriebe auf dem Gebiet der DDR zuständig war, und bat um Auskunft.

Die Treuhand setzte schließlich zu dieser Frage eine Konferenz der beteiligten Behörden an (Treuhandanstalt, Treuhandanstalt Sondervermögen und Unabhängige Kommission). In dem geheimen Protokoll dieser Konferenz am 11.2.1994 wurde festgehalten: „es bestand Einigkeit darüber, dass der verkaufte Aufbau-Verlag eine vermögenslose Hülle darstellt, da er nicht Rechtsnachfolger des Aufbau-Verlages der DDR werden konnte“. Das ergab sich daraus, dass der Verlag nie Volkseigentum und daher auch nie Eigentum der Treuhandanstalt gewesen war. Es wurde beschlossen, diese Erkenntnisse vor den Investoren geheim zu halten. Die Beteiligten vereinbarten lediglich, der Verkaufserlös an das Sondervermögen abzuführen.

Zwei Tage später erhielt der Aufbau-Verlag das Antwortschreiben der Treuhandanstalt mit dem Inhalt, der Aufbau-Verlag sei tatsächlich volkseigen gewesen und die Treuhandanstalt habe folglich alle ihre Verpflichtungen (zur Eigentumsübertragung) erfüllt. Im Vertrauen auf diese Auskunft erhob der Aufbau-Verlag Widerklage gegen Rowohlt.

Inzwischen waren die Ansprüche der westlichen Verlage von der Treuhandanstalt bezahlt worden. Jetzt versuchte Lunkewitz, diese Zahlungen und die weiteren Schäden aus den Plusauflagen gegen das beschlagnahmte Vermögen der SED geltend zu machen, denn die SED hatte ja die Erlöse aus den Lizenzbetrügereien eingenommen, In einem Telefongespräch offenbarte ihm gegenüber schließlich am 28.9.1994 ein Mitarbeiter der Unabhängigen Kommission, dass eine Zahlung aus dem SED Vermögen nicht möglich sei, weil die von der Treuhand verkaufte Aufbau-Verlag GmbH nicht identisch mit dem Aufbau-Verlag aus der DDR ist, der noch immer Eigentum des Kulturbundes sei.

Lunkewitz wandte sich sofort an die Treuhandanstalt, die das jedoch kategorisch bestritt. Schließlich erklärte sie sich bereit, bis Anfang Dezember 1994 ein unabhängiges Rechtsgutachten über diese Frage anfertigen zu lassen. Als Lunkewitz zum vereinbarten Zeitpunkt hörte, das Gutachten sei noch nicht fertig, warf er dem zuständigen Mitarbeiter der Treuhandanstalt vor, dass dieses Gutachten der Treuhand wohl nicht gefalle und sie jetzt ein neues Gutachten machen lassen wolle. Dies wurde „geradezu entrüstet mit einer förmlichen Ehrenerklärung und dem Hinweis auf den Charakter der Treuhandanstalt als staatliche Behörde zurückgewiesen“ (Lunkewitz).

Ende Januar 1995 wurde dann ein Gutachten des Berliner Autors und Staatsrechtlers Professor Dr. Bernhard Schlink vorgelegt, nachdem die Treuhandanstalt mit ihrer Ansicht vollständig Recht und alle ihre Verpflichtungen erfüllt habe.

Die Investoren hatten inzwischen ihre eigenen Recherchen angestellt und waren zu der Überzeugung gekommen, dass die UKPV mit ihrer Auffassung Recht hatte. Lunkewitz forderte umgehend die Treuhandanstalt auf, vom Kulturbund den Aufbau-Verlag zu erwerben und ihn an die Investoren zu übergeben. Das lehnte die Treuhandanstalt ab. Daraufhin erhoben die Investoren gegen die Treuhandanstalt Klage auf Vertragserfüllung und Schadensersatz.

Weil sich die Investoren aber nicht dazu entschließen konnten, gemeinsam auf den Kulturbund zuzugehen, kaufte Lunkewitz schließlich im Jahre 1995 selber als Privatperson vom Kulturbund das Eigentum am Aufbau-Verlag. Da der Kulturbund unter Zwangsverwaltung stand, war die Zustimmung der Treuhandanstalt und der UKPV zu diesem Kaufvertrag erforderlich. Diese Zustimmung wurde von der Treuhandanstalt verweigert.

Daraufhin klagte der Kulturbund vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen die Treuhandanstalt. Als das Gericht erkennen ließ, dass es die Treuhandanstalt verurteilen werde, erklärten sie und die UKPV zwar die Zustimmung zum Kaufvertrag, behaupteten aber weiterhin, der Kaufvertrag sei rechtlich unwirksam, da die Treuhandanstalt Eigentümerin des Verlages geworden sei.

Im Rahmen dieses Verwaltungsgerichtsverfahrens fand der Anwalt des Kulturbunds in den Akten der Treuhandanstalt ein zum 16. Dezember 1994 fristgemäß fertig gestelltes ursprüngliches Gutachten eines Herrn Dr. Hohmann, das zu einem dem Gutachten von Professor Schlink diametral entgegen gesetzten, für die Treuhandanstalt und ihre Rechtsauffassung negativem Ergebnis kommt und klarstellt, das der Kulturbund noch immer Eigentümer des Aufbau-Verlages ist.

Herr Dr. Hohmann war damals der Assistent von Professor Bernhard Schlink. In den Unterlagen findet sich laut Lunkewitz auch die Korrespondenz aus der hervorgeht, „dass die Treuhandanstalt das zweite Gutachten schließlich im Wesentlichen selbst erstellt hat und von Professor Bernhard Schlink gegen die Zahlung von dreißigtausend Mark unterzeichnen ließ. “

Seit Anfang 1995 kam es zu einer langen Reihe von Gerichtsverfahren der Investoren gegen die Treuhandanstalt, die letztlich alle beim Kammergericht in Berlin aus den merkwürdigsten Gründen scheiterten.

Das Landgericht Hamburg jedoch wies die Klage des Rowohlt Verlages und die Widerklage des Aufbau-Verlages wegen der Ossietzky Rechte mit der Begründung ab, dass die klagende Aufbau-Verlag GmbH rechtlich nicht existent sei und legte Herrn Dempewolf persönlich die Kosten auf.

Unter Hinweis auf die vorsätzlich falsche Auskunft der Treuhandanstalt – mittlerweile war das Protokoll der Konferenz vom 11.2.1994 bekannt geworden – verklagte Dempewolf die Treuhandanstalt auf Ersatz des Schadens. Das Kammergericht in Berlin wies die Klage jedoch ab, da der Kläger nach Meinung des Gerichts überwiegend Mitschuld habe, er hätte der Auskunft der Treuhandanstalt nicht vertrauen, sondern eine Feststellungsklage anstrengen müssen und erst nach deren Ergebnis in Hamburg Widerklage erheben dürfen.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung begegnete Lunkewitz, der als Zuschauer im Gerichtssaal war, im Gerichtsflur dem Vorsitzenden Richter dieses Senats am Kammergericht und wurde von ihm angesprochen mit dem Satz: „Wir wissen, dass Sie Recht haben, das kriegen Sie hier aber nicht“.

Daraufhin beschloss Lunkewitz, den Streit nach Frankfurt zu verlegen. Die von der Treuhand verkaufte Aufbau-Verlagsgruppe GmbH und Lunkewitz als Erwerber des Verlages vom Kulturbund stritten dort um die Rechtsnachfolge am Aufbau-Verlag der DDR und damit um das Vermögen des Verlages. Der Treuhandanstalt wurde der Streit verkündet, damit war sie Partei des Verfahrens. Lunkewitz gewann beim Landgericht und beim Oberlandesgericht. Die Urteile wurden schließlich vom Bundesgerichtshof durch einstimmigen Beschluss zur Zurückweisung der Revision der Treuhandanstalt bestätigt.

Damit ist nach vierzehn Jahren Rechtsstreit endgültig höchstrichterlich festgestellt, dass die Privatisierung des Aufbau-Verlages durch die Treuhandanstalt rechtswidrig ist. Die damaligen Investoren haben viel Geld ausgegeben, aber nichts dafür bekommen, die GmbH in Berlin ist nicht die Eigentümerin des von ihr genutzten Vermögens. Das Vermögen des Verlages war auch nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik rechtmäßiges Eigentum des Kulturbundes, der es im Dezember 1995 wirksam an Lunkewitz verkaufte. Die Treuhandanstalt und nach ihr die Aufbau-Verlagsgruppe GmbH sind unrechtmäßige Besitzer des Vermögens und müssen es herausgeben.

Der jetzt vom Bundesgerichtshof als rechtswirksam bestätigte Kaufvertrag mit dem Kulturbund bedeutet aber auch die endgültige Rechtssicherheit für den Verlag und versetzt Lunkewitz nunmehr in die Lage, den Geschäftsbetrieb zu erhalten und damit den Aufbau-Verlag endgültig für die Zukunft zu sichern, auch wenn jetzt noch umfangreiche Schadensersatzansprüche gegen die Behörden gestellt werden müssen.

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