Gerhard Beckmann und Friedhelm Eggers über Konditionen, Rabatte und die Preisbindung

Friedhelm Eggers

Friedhelm Eggers (55), Schule und Abitur in Darmstadt. Soziologie-Studium in Frankfurt und Berlin. Danach Arbeit in der Schleicher’schen Buchhandlung in Berlin. Ende 1978 Gründung der Heinrich Heine Buchhandlung GmbH in Essen als Universitätsbuchhandlung. Seitdem dort tätig als geschäftsführender Gesellschafter.

Gerhard Beckmann:: Ob groß oder klein, Buchhandelsunternehmen fordern von den Verlagen zunehmend höhere Rabatte, bessere Einkaufskonditionen…
Friedhelm Eggers: Das ist das beständige „Spiel“ zwischen Hersteller und Händler. Es ist die laufend auszufechtende Frage: Wer bekommt welchen Teil des Gewinns, der mit dem Produkt, in unserem Fall das Buch, zu machen ist. Bei uns in der Buchindustrie kann man das besonders schön verfolgen; denn wir haben ja einen vom Verlag festgesetzten Verkaufspreis. Gelingt es dem Händler also, für sich beim Verlag einen höheren Rabatt herauszuholen, bleibt dem Verlag sozusagen „automatisch“ weniger.

Beckmann: Nun ist es aber in der Buchbranche so, dass Großfirmen Rabatte verlangen (und wohl auch erhalten), die über das gesetzlich festgelegte Maximum von 50 Prozent hinausgehen. Gefährden sie damit nicht das für die Buchbranche geltende, allseits als wünschenswert anerkannte und vorteilhafte System der Preisbindung?
Eggers: Ich denke, dass es kurzfristig betrachtet keine Gefährdung gibt. In den tendenziell höheren Rabatten, die Großfirmen erhalten, drückt sich zunächst nur die relativ gestiegene „Handelsmacht“ dieser Firmen gegenüber den Verlagen aus. Und es ist doch auch so, dass die Verlage gerade in den letzten Jahren eine größere Zahl rechtlich selbständiger und unabhängiger Händler verloren haben. Die Verlage stehen heute vergleichsweise „längeren“ Ladentheken gegenüber, die eben nicht nur zwei oder fünf Partien brauchen, sondern gleich zwei oder fünf Paletten. Auf solch eine gestiegene Handelsmacht reagieren die Verlage nun mit solch höheren Rabatten, um im Spiel zu bleiben; anders gesagt: um nicht „ausgelistet“ zu werden.

Langfristig, das ist klar, gerät mit diesem Prozess die Preisbindung allerdings gewaltig unter Druck.

Beckmann: Sie sind aber auch der Auffassung, das alles daran gesetzt werden sollte, um die Buchpreisbindung zu erhalten?
Eggers: Nun ja, das Argument für die Erhaltung der Preisbindung war letztlich nie ein ökonomisches, sondern eher ein kulturpolitisches Argument. Etwa so, wie es in §1 des Preisbindungsgesetzes vom Gesetzgeber formuliert wurde: „Das Gesetz dient dem Schutz des Kulturgutes Buch. Die Festsetzung verbindlicher Preise … sichert den Erhalt eines breiten Buchangebots. Das Gesetz gewährleistet zugleich, dass dieses Angebot für eine breite Öffentlichkeit zugänglich ist, indem es die Existenz einer großen Zahl von Verkaufsstellen fördert.“

Lassen Sie uns also den oben angedeuteten Prozess in Richtung flächendeckender Filialisierung weiterdenken. Er führt dazu, dass am Ende einige wenige national oder regional operierende Großfirmen existieren, die in scharfer Konkurrenz untereinander stehen. Insofern wird aber durch den wachsenden Rabattdruck dieser Firmen nicht nur die Finanzdecke der Verlage bedeutend dünner. Es hat auch noch folgende Konsequenz: Weil der filialisierte Systembuchhandel signifikant umfangreichere Rationalisierungspotentiale für sich zu heben vermag, wird der kleine und mittlere selbständige Buchhandel in schnellen Schritten weiter dezimiert…

Beckmann:und schließlich, so wie kleinere Verlage auch ganz verschwinden?
Eggers: Das alles bedeutet keineswegs. dass es zu einem gänzlichen Verschwinden von kleinen und mittleren selbständigen Verlagen und zu einer völligen Vernichtung kleiner und mittlerer Buchhandlungen kommen wird. Nein.

Beckmann: Verharmlosen Sie die Entwicklung da nicht?
Eggers: Ich glaube nicht. Sie wird auch so überhaupt nicht harmlos sein. Denn die Landschaft des Buchgewerbes, welche soeben vor unseren Augen entsteht, wird ganz anders aussehen, als wir es bislang gewohnt sind. Da laufen zwei Entwicklungen parallel. Zum einen: Die nicht zugrundegegangenen oder in Konzernverlagskonglomerate eingegliederten Verlage werden kaum mehr in der Lage sein, ein „breites Buchangebot“ zu publizieren, Autoren über Jahre hinweg zu entwickeln bzw. „aufzubauen“ oder gar eine breite Backlist vorzuhalten – weil der zunehmend stärkere Rabattdruck der Handelsketten ihnen die dazu erforderlichen finanziellen Mittel nimmt. Zum anderen: Auf der Seite der Buchhandlungen wird die Versorgung des Landes mit Büchern eingeschränkt. Denn die bunte Vielfalt kompetenter inhabergeprägter und zum Teil „ausschweifender“ Sortimente wird reduziert. Und signifikant reduziert wird auch das wirklich flächendeckende Netz „einer großen Anzahl von Verkaufsstellen“, das in Deutschland, sicherlich vor der Hintergrund eines grandios leistungsfähigen Zwischenbuchhandelssystems, noch existiert.

Beckmann: Und das bedeutet für die Preisbindung?
Eggers: Wenn also das, was in §1 des Preisbindungsgesetzes als dessen Begründung formuliert wird, durch die ökonomische Logik ad absurdum geführt worden ist, bleibt abzuwarten, wer den festen Ladenpreis noch verteidigen wird. Die erstarkten großen Handelsketten, die schon jetzt in der einen oder anderen Form wider den Stachel löcken, werden es mit Sicherheit nicht sein.

Beckmann: Warum agiert der Großbuchhandel dann wissentlich auf eine Weise, welche die Buchpreisbindung gefährdet?
Eggers: Die Preisbindung wird aktuell keineswegs nur durch die großen Handelsunternehmen gefährdet, da spielen sicher auch die Verlage und MA-Firmen eine Rolle – zum Beispiel in der missbräuchlichen Handhabung von Mängelexemplaren, von der außerdem die kleineren Sortimente ebenfalls „profitieren“.

Beckmann: Zurück zur Rabattpolitik der Großbuchhandlungen. Was können, was müssten die Verlage dagegen unternehmen? Schließlich plädieren auch sie für den Erhalt der Preisbindung, nicht wahr?
Eggers: Ich muss Ihnen gestehen, oft verstehe ich die Verlage an dieser Stelle nicht wirklich. Denn zwischen dem Handel mit Büchern und dem Handel mit beliebigen anderen Waren besteht doch ein markanter Unterschied: Dem Produkt Buch wohnt eine ganz eigene Qualität inne. Ein Buch ist tendenziell nicht durch andere Bücher substituierbar. Lassen Sie mich das veranschaulichen: Wenn der Kunde den neuen Habermas kaufen will, werde ich ihm nicht den neuen Nida-Rümelin verkaufen können, obwohl doch beide Philosophen sind und beide über Demokratie und Gesellschaft geschrieben haben. Der an Habermas interessierte Kunde wird den Nida-Rümelin auch dann nicht kaufen, wenn ich als Buchhandelskette dem Verlag von Nida-Rümelin 50%+ abgepresst habe. Nein, der Kunde will den neuen Habermas, egal mit welchem Rabatt ich ihn vom Verlag erhalten habe. Will ich den Kundenwunsch nach Habermas befriedigen (und also Umsatz machen) bleiben mir im System der deutschen Buchindustrie nur zwei Möglichkeiten: der Habermas-Verlag oder Barsortiment, egal zu welchem Rabatt. Genau hier liegt der Unterschied, etwa zu der nach DIN ISO12345 gefertigten Holzschraube, 30mm lang mit Linsenkopf. Die kann ich von dem Hersteller beziehen, der sie mir am günstigsten anbietet.

Beckmann: Und was sollte dieser Unterschied die Verlage lehren?
Eggers: Der Unterschied sollte die Verlage im Kampf um Rabatte zu mehr Gelassenheit bewegen. Solche Gelassenheit hat freilich eine entscheidende Voraussetzung, und die sollte bei der Programmpolitik des einzelnen Verlages gewiss stärker beachtet werden: Seine Bücher sollten unverwechselbar und nicht, oder nur in geringem Maße, substituierbar sein. Es ist klar, dass ich als Verlag letztlich vor der gestiegenen Handelmacht nur einknicken kann, wenn ich lediglich den dritten, vierten oder fünften Aufguss zu einem Thema publiziere. Damit stehe ich sofort in heftiger Konkurrenz zum anderen Verlag und kann mich nur noch über den Rabatt auf den Ladentisch kämpfen. Und in diesem Fall ist es dem Händler völlig egal, welche Holzschraube er verkauft.

Beckmann: Würden Sie unterschiedliche Rabatthöhen für große und kleine Händler in der Buchbranche überhaupt für gerechtfertigt halten?
Eggers: Ich denke, die Frage ist im wesentlichen mit zwei Argumentationen zu beantworten. Da ist erstens, neben dem Handelsdruck, der übliche Grund für erhöhten Rabatt zu nennen, nämlich der eintretende Skaleneffekt bei höheren Stückzahlen. Kauft ein einzelner Händler eine größere Stückzahl, sind für den Verlag die Handlingskosten selbstverständlich niedriger, als wenn der Verlag Stück für Stück einzeln an sehr viele Händler liefern müsste. Dass der Hersteller in solchem Fall durchaus bereit ist, seine niedrigeren Handlingskosten in Form eines erhöhten Rabattes an den Händler weiterzugeben ist klar; und falls er den Titel konservativ kalkuliert, gerät er dadurch auch nicht in betriebswirtschaftliche Bedrängnis.

Beckmann: Dieses Argument wird heutzutage nahezu als einziges zur Begründung erhöhter Handelsrabatte vorgetragen.
Eggers: Richtig. Es gibt jedoch noch ein zweites, ein zusätzliches Argument. Es ist ein Plädoyer für eine Rabattdifferenzierung gemäß Verkaufsaufwand auf Händlerseite. Setzt sich ein Händler durch unterschiedliche Anstrengungen besonders erfolgreich für den Verkauf eines Titels ein, so könnte dies Anlass für den Hersteller sein, sich an diesen zusätzlichen Verkaufsaufwendungen in der Form eines erhöhten Rabattes zu beteiligen. Wobei die letztlich durch den erhöhten Verkaufsaufwand tatsächlich mehr verkauften Exemplare bei großen und kleinen Händlern durchaus unterschiedlich sein und bewertet werden können und sollten. Kriterium wäre dann nicht die absolut verkaufte Stückzahl – die Menge an sich – eines Titels, sondern der Erfolg des größeren Verkaufaufwands in Relation zur jeweiligen Größe des Händlers.

Beckmann: Auch da wäre ein Automatismus denkbar, der immer nur zu höheren Rabatten führen würde…
Eggers: Nicht unbedingt. Denn andersherum würde dies auch bedeuten: Wenn der Händler nur immer wieder eine neue Palette neben die Kasse schiebt, um den Titel dann „stumm“ abzuverkaufen, würde es einen durchaus geringeren Rabatt rechtfertigen.

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