Gerhard Beckmann und Random House Geschäftsführer Joerg Pfuhl über den Streit um die Höhe der Übersetzerhonorare

Dr. Joerg Pfuhl

Voraussichtlich Ende 2008 wird der Bundesgerichtshof den seit über fünf Jahre währenden Streit um die Höhe der Übersetzerhonorare mit einem Urteil beenden, das wahrsacheinlich keiner Seite nützt. Dr. Joerg Pfuhl (44 – seit 2002 Geschäftsführer der Verlagsgruppe Random House), der sich seit vier Jahren um eine Lösung des Konflikts bemüht, hat zu einem Kompromiss in letzter Minute aufgerufen.

Gerhard Beckmann: Die Diskussion zwischen dem Verband der Übersetzer (VdÜ) in der Gewerkschaft verd.i und den Verlagen über eine angemessene Honorierung von Übersetzern zieht sich nun schon eine ganze Weile hin…
Joerg Pfuhl: Das ist richtig, seit der Verabschiedung des Urheberrechtsgesetzes 2002 versuchen Verlage und VdÜ, auf dem Verhandlungswege zu ermitteln, was „angemessene Vergütung“ für Übersetzer bedeuten mag. Für deutschsprachige Autoren ist dies relativ schnell gelungen, mit den Übersetzern sind wir leider bislang nicht zusammengekommen.

Beckmann: …und die Positionen lagen auch sehr weit auseinander, so dass bisher von den Verlagen vorgeschlagene Modelle zur Lösung des Problems abgelehnt wurden. Nun haben die Verlage unter Ihrer Federführung neue Vorschläge unterbreitet, mit der Führung des VdÜ besprochen, und es sieht endlich hoffnungsvoll aus, dass eine Übereinkunft zustandekommt…
Pfuhl: Den Optimismus teile ich noch nicht, da viele Übersetzer mit dem Gesetz ganz andere Erwartungen verknüpft haben, v.erdi hatte ja ursprünglich eine Verdreifachung der Übersetzerhonorare angestrebt. Was dabei übersehen wird, ist, dass die Verlage zwar auch Kulturbetriebe sind, allerdings keinerlei staatliche Subventionen für ihre Tätigkeit erhalten. Das heißt: Titel mit Verlustgarantie können auf Dauer nicht veröffentlicht werden. Aus diesem Grund wird heute schon auf manchen übersetzten Titel verzichtet.

Beckmann: Warum ist es so wichtig, dass es jetzt zu einer festen Vereinbarung kommt?
Pfuhl: Derzeit liegen fünf Verfahren beim BGH, der voraussichtlich zum Jahresende eine Entscheidung treffen wird. Auf der Basis der Vorinstanzen ist davon auszugehen, dass es hinterher nur Verlierer geben wird. Die Höhe der Normseiten-Honorare wurde von sämtlichen Gerichten als angemessen beurteilt, und durch die Verrechenbarkeit der Umsatzbeteiligung wird es für 95% der Übersetzer keine wirtschaftliche Verbesserung geben. Allein Bestsellerübersetzungen werden dann voraussichtlich in astronomische Größenordnungen vorstoßen, so dass den Verlagen die Kalkulationsgrundlage entzogen wird.

Beckmann: Und warum möchten die Verlage eine Entscheidung über die Honorarvergütungen für Übersetzer nicht der Justiz überlassen?
Pfuhl: Wir sehen ja in der Diskussion, aber auch in den bislang vorliegenden Gerichtsurteilen, wie komplex die Materie ist. So ist zum Beispiel bei sämtlichen Gerichten der Bereich der „Nebenrechtserlöse“ in seiner Bedeutung nicht erkannt worden. Eine Beteiligung des Übersetzers in Höhe von 50% der Lizenzerlöse würde aber für die meisten kleineren und mittleren Verlage das Aus bedeuten. Eine Regelung zwischen Übersetzern und Verlegern kann dies berücksichtigen.

Beckmann: Weshalb braucht es denn überhaupt eine allgemein verbindliche konkrete Regelung der Honorare?
Pfuhl: Das neue Urhebervertragsrecht hat die Aufgabe der Festlegung einer angemessenen Vergütung den Verlagen und den Interessenvertretungen der Urheber auferlegt. In Ermangelung einer konkreten Regelung müssen die Gerichte entschieden. Wie schwer sich die Richter mit dem unbestimmten Begriff der „Angemessenheit“ tun, erleben wir ja gerade. Das Ergebnis ist, dass für Verlage eine absolute Rechtsunsicherheit besteht, denn Verträge, die heute geschlossen werden, können morgen schon wieder gerichtlich auf Angemessenheit überprüft werden.

Beckmann: Welchen Inhalts sind denn die in der vergangenen Woche zwischen Verlagen und VdÜ abgesprochene Vorschläge, über die Ende dieser Woche in Heidelberg abgestimmt wird?
Pfuhl: Zunächst: Die Mitgliederversammlung des VdÜ wird am kommenden Wochenende entscheiden, ob ein mit der Verhandlungskommission von Verdi und VdÜ ausgearbeiteter Entwurf verabschiedet wird. Er sieht aus Sicht der Übersetzer eine deutliche Verbesserung gegenüber sämtlichen Gerichtsurteilen vor: Die Übersetzer werden bereits ab 5.000 verkauften Exemplaren am Umsatz beteiligt, so daß über 50% der Übersetzer eine Beteiligung erhalten werden. Bei einer Verrechenbarkeit des Normseiten-Honorars, wie es bei Autoren üblich ist und bislang auch von allen höheren Instanzen bestätigt wurde, ergeben sich Zahlungen an den Übersetzer erst ab 20-25.000 Exemplaren, so dass nur eine Minderheit davon profitieren würde.

Beckmann: Sie sind der Überzeugung, dass dieses Honorierungsmodell den Übersetzern insgesamt Vorteile bringt und für sie eigentlich akzeptabel sein sollte?
Pfuhl: Ja, wenn man sich von der Vorstellung verabschiedet, dass die Verlage Reichtümer horten und die Programmgestaltung vollkommen losgelöst von wirtschaftlichen Überlegungen erfolgt. Das vorliegende Vergütungsmodell wird nach unseren Schätzungen zu 20-30% höheren Auszahlungen an die Übersetzer führen. Das ist für die Verlage schmerzhaft, aber angesichts der bestehenden Rechtslage wohl nicht vermeidbar. Es wird Zeit, dass wir wieder vernünftig miteinander arbeiten. Eine ansonsten anstehende BGH-Entscheidung hätte unvorsehbare Folgen für die gesamte Branche (und damit auch für die Zahl der zukünftig zu vergebenden Übersetzungsaufträge). Ein weiteres Abwarten ist daher aus meiner Sicht existenzbedrohend.

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