Beckmann kommtiert Wozu weitere Buchmessen im deutschsprachigen Raum. Warum die BuchBasel gescheitert ist, Linz fast aussichtslos scheint und die neue BuchWien erst einmal ein Konzept braucht

Messen sind eine Wachstumsindustrie. Sie gelten global als Kurbel für Wirtschaft, Handel, Konsum und Innovation. Auch in den Medienbranchen. Wie viele Buchmessen sind es eigentlich genau, die während der vergangenen zwei Jahrzehnte neu entstanden?

Etliche, die in Wachstumsmärken oder Entwicklungsbieten aufkamen, wo Lesen und Bildung zunehmen – und zunehmen müssen -, wo eigene Verlagskulturen aufkommen und die Verbreitung des Buches – also ein breites Handelsnetz – noch eine elementare Aufgabe darstellt, erscheinen gleich notwendig, sinnvoll und zukunftsweisend. Wie aber sieht es damit in Ländern und Regionen mit einem schon bestens organisierten Buchmarkt aus, der mehr oder weniger stagniert?

So ist etwa von der Feria Intrernational del Libro (FIL), die vor einigen Wochen im mexikanischen Guadalupa stattfand,. Erfreuliches zu berichten: Sie zog über 500.000 Besucher an. Das sind sieben Prozent mehr als 2006. Um etwa dieser Höhe vergrößert sich jährlich der Buchmarkt in ganz Mexiko (und, im Durchschnitt, in der spanisch-sprechenden Welt). Ein Zusammenhang liegt auf der Hand.

In Deutschland sind die Frankfurter und die Leipziger Messe fest etabliert – und gewinnbringend. Der Versuch, das 1997 gegründete Basler Literaturfestival um eine Messe zu erweitern, ist nach drei Jahren nun beendet worden, wegen eines Defizits in angeblich siebenstelliger Höhe.

Warum?

In der Schweiz selbst existieren heute viel zu wenige und nur noch ganz wenige große bedeutende Verlage. Die BuchBasel hätte sich also nur tragen können, wenn dort auch eine hinreichend hohe Anzahl deutscher Verlage erschienen wären. Dem war freilich nicht so. So stellten zwar; durchaus, auch deutsche Verlage auf der BuchBasel aus; aber viel zu wenige. Und das verständlicherweise, aus gutem Grund.

Die deutschsprachige Schweiz zählt nur rund drei Millionen Einwohner. Ein großer Teil von ihnen liest vergleichsweise viel und intensiv und ist – im Unterschied zum bundesdeutschen Lesepublikum – auch bereit, relativ teure Bücher zu kaufen, d.h. sich mehr am Inhalt eines Werkes als an besonders niedrigen Ladenpreisen zu orientieren. Es ist folglich ein interessanter und lukrativer Markt. Doch er ist eben klein. Den meisten deutschen Verlagen scheint er sogar noch kleiner als er ist, so dass sie ihre Produktion dort beispielsweise auch nur minimalst bewerben (zumal Verkäufe drüben sich, natürlich, nicht in hiesigen Bestsellerlisten niederschlagen, woselbst Platzierungen zu erobern noch immer das A und O aller Leiterträume unserer Verleger und Marketingchefs ist:: In ihrem Denken kommt jede Abzweigung zentraler deutscher Werbe-Euros in helvetische Gefilde, ergo, in etwa dem sinnlosen Verschenken von Ressourcen zur eigenen Gesichtspflege zur Stützung eines fremden Blutkreislaufs gleich.)

Die Schweizer begingen ihrerseits einen Denkfehler, weil auch ihnen die Perspektive verrutschte. Sie meinten, sie seien für die deutschen Verlage wichtiger als sie wirklich sind, weil doch 80 Prozent aller in der Schweiz verkauften Bücher in deutscher Sprache aus Deutschland stammen. Das ist gewaltig, fürwahr; leider jedoch auch der Grund für das irgendwie vage „gefühlte“ Eigengewicht in dieser Relation, dass nämlich der schweizer Buchmarkt für die deutsche Verlegerei ebenso bedeutend sei wie deren Produktion für den schweizer Buchmarkt. Dabei machen deutsche Verlage lediglich zwei oder drei, (ganz selten) vielleicht maximal fünf Prozent ihres Umsatzes in der Schweiz.

Unter ökonomischen Gesichtspunkten war für sie eine Teilnahme an der BaselBuch somit völlig uninteressant. Eine große mediale Inszenierung des Buches, wie in Frankfurt oder in Leipzig, stand von Basel aus für die gesamte Schweiz nie zu erwarten. Und nur zu einer Aufwertung und Stärkung des helvetischen Buchhandels, zur Leseförderung bzw. zur Befriedigung regional kultureller Ambitionen, so ehrenwert sie alle miteinander sein mögen, sind, reguläre Buchmessen schlicht zu teuer. Für so etwas ist in den Image-, Marketing- und Werbe-Budgets der Verlage nichts übrig. Zumal, jedenfalls für Publikumsverlage, der obligate Besuch etlicher etablierter Messen – darunter international etwa in London, in den USA und in Bologna – ohnehin stets mehr Kosten verursacht, als er einbringt. Für die Verlage sind heute, betriebswirtschaftlich gesehen, alle Messen Verlustfaktoren.

Trotzdem werden im deutschen Sprachraum zur Zeit gleich zwei neue Buchmessen geplant: beide in Österreich. Und was für die helvetische BaselBuch galt und gilt, trifft prinzipiell auch für Linz und die BuchWien zu.

Zu Linz: Mir ist aus der Alpenrepublik selbst kein Verlag bekannt, der ihr eine Chance gibt. Von den Plänen in der oberösterreichischen Landeshauptstadt ist angeblich auch dort bisher noch nichts vorgestellt worden, was den Namen eines Messekonzepts verdiente. Und trotz ihrer Aussagen, sie hätten bereits viele Verlage zur Teilnahme gewinnen können – ursprünglich verkündete man das Ziel von rund 500 Ausstellern, mittlerweile spricht man von der Hälfte – wollte (oder konnte) man bei einem jüngsten neuerlichen Versuch der Anwerbung eines größeren Wiener Hauses konkret und namentlich nicht mit einer einzigen Zusage herausrücken.

Und was ist mit den Plänen in der Hauptstadt Österreichs? Die BuchWien soll an die Stelle der traditionellen Wiener Buchwochen treten, bereits vom 20. bis 23. November dieses Jahres. Da wird wieder mal etwas aus dem Boden gestampft. Die Regierung stellt Mittel für ein flankierendes Buchfestival bereit, damit ein Kultur- und Medienereignis draus wird. Der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels (bzw. dessen Verlegerausschuss) hat sich, dem Vernehmen nach einstimmig – dafür ausgesprochen und die Gründung entsprechender Sub- oder Nebenorganisationen eingeleitet. Die Gestaltung der BUCHWien selbst obliegt dem überaus kompetenten, privatwirtschaftlichen, internationalen Messe-Ausrichter Reed Exhibitions – ein Hauptkonkurrent der Frankfurter AuM (im Börsenverein), der mit der BuchWien erstmals ein Bein im deutschen Sprachraum bekäme und schon deshalb gewiss alles dransetzen wird, die Sache zum Erfolg zu bringen. Wie in Basel wird er auch in Wien vor allem davon abhängen, ob sich deutsche Verlage als Aussteller gewinnen lassen. Aber wozu? Man darf gespannt sein, ob Reed International ein Messe-Lohnkonzept vorstellen kann, dass sie von der Notwendigkeit dieser neuen Messe überzeugt und die bisher noch spürbare Skepsis (auch bei manchen österreichischen Verlagen) überwindet.

Gerhard Beckmann freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

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