Das Buch ist tot – es lebe das Buch!

„Ich bin drin“, begeisterte sich einst das Bobbele und würde heute mit dem Ausruf nur noch verstörte Entgeisterung ernten. Heute ist selbstverständlich einfach jeder „drin“. Sogar die Golden Ager, also die 50+ Generation, sind längst schon auf dem Vormarsch und erobern das Internet. Oder das Internet erobert sie – Ansichtssache. Es gibt Angebote für alles und jeden. Auch die Literaturbranche hat verstanden, dass das Medium Internet nicht länger verteufelt, sondern aktiv als Verkaufsinstrument eingesetzt werden muss, damit all die Surfer nicht auf den virtuellen Wellen am Buch vorbereiten.
Inwiefern das Internet mit seinen Online-Zeitungen und -Tagebüchern oder selbstgestrickten Beiträgen in Form von Audio- oder Video-Dateien dem Buch eine ernsthafte Konkurrenz oder belebender Impuls ist, wurde auch bei der ZVAB-Podiumsdiskussion auf der Leipziger Buchmesse diskutiert. [mehr…] Die Teilnehmer (darunter u.a Vertreter von Google, den Holtzbrinck Verlagen, den Literaturhäusern und dem ZVAB) waren sich zumindest in einem einig: Wer nicht spätestens jetzt das Internet und die neuen technischen Möglichkeiten als verkaufsförderndes Instrument nutzt, verschläft eine große Chance.

Das Internet als Chance
Sigurd Martin, verantwortlich für das Online-Marketing des S. Fischer Verlags, sieht im Internet eine Herausforderung, der die Branche begegnen muss. Lovelybooks, eine Art Vernetzung verschiedener virtueller Privatbibliotheken, über die Nutzer Anregungen und private Leseempfehlungen abgeben oder einholen können, ist einer der Netzschauplätze der Fischer Verlage. Zweck und Nutzen für den Verlag mag einem zunächst nicht auf den ersten Blick auffallen. Doch spätestens wenn beim Anmeldevorgang der Online-Bogen aufpoppt, den man als Nutzer ausfüllen muss, erklären die endlos scheinenden Fragen, die nicht zuletzt literarische Vorlieben oder das Leseverhaltender der Nutzer abfragen, Sinn und Zweck für den Verlag: Die Antworten sind wertvolle Informationen für einen Verlag hinsichtlich der Programmerstellung.
Und sogar das umstrittene Google Booksearch kann – zumindest aus Antiquarssicht – nicht länger nur verteufelt werden, dafür sorgt die Empirie. Diese scheint zu belegen, dass die Backlist durch Google Booksearch eine Vitalisierungskur erhält. Viele Nutzer kämen über das virtuelle Blättern erst auf Bücher, von denen sie vorher nicht gewusst haben, die sie aber nach dem virtuellen Anlesen besitzen möchten – und somit kaufen.

Auch alte Bücher bahnen sich seit längerem schon zurück in die Herzen und Regale der Buchkäufer. Um sowohl der Stammkundschaft, bestehend aus Sammlern, Bibliotheken oder auch Geschenkesuchenden einen Zusatzservice zu bieten und gleichzeitig neuen Usern Lust aufs alte Buch zu machen, ist auch das ZVAB vor circa einem halben Jahr auf den Web 2.0-Zug aufgesprungen. Frei nach dem Motto: Antiquarisch heißt noch lange nicht antiquiert, haben die Betreiber der Plattform das ZVABlog http://blog.zvab.com gelauncht. Inzwischen ist dieses laut Aussagen der Betreiber eine viel besuchte Beitragsplattform rund ums antiquarische und vergriffene Buch, die den ZVAB Umsatz ankurbelt.

Virtuell Appetit machen
Fazit: Wer nicht spätestens jetzt in die neuen Möglichkeiten investiert, bleibt auf der Strecke. Frei nach Churchills „Keep your friends close, but keep your enemies closer“ sollte die gesamte Branche überlegen, wie sie sich das Internet zunutze machen und übers virtuelle Lesen Lust aufs reale Buch machen kann. Dass so etwas mit ein bisschen Charme und Esprit durchaus gelingen kann, hat zuletzt der BuchMarkt-Award Gewinner der Kategorie „Internet“ gezeigt. Wer erst einmal in die wunderbare Welt der Meere auf www.planetmeer.de eingetaucht ist, will mehr vom Meer – und zwar in Buchform. Und kauft den gewichtigen Bildband, um darin zu versinken und sich verzaubern zu lassen von Fotos, die den Betrachter bewegen, so wie es zuvor der Online-Teaser auf eine ganz andere Art getan hat.

Genau das ist auch der Punkt: Das Internet kann kein Substitut für Druckerzeugnisse sein. Es wird diese vielmehr ergänzen und bereichern – und zum Buchkauf bewegen.
SAM

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