SPIEGEL: Rotbuch-Autoren rebellieren gegen Verlagsverkauf / György Dalos tritt von seinem Vertrag zurück

Die Nachricht vom Rotbuch-Verkauf an Eulenspiegel kam diese Woche eher unspektakulär daher, [mehr…] zugesichert wurde, daß der neue Eigentümer Eulenspiegel nur Marketing, Vertrieb und Herstellung übernehme. Geschäftsführer Dr. Matthias Oehme: „Rotbuch wird als eigenständiger unabhängiger Verlag fortgeführt.“

Aber jetzt regt sich, wie SPIEGEL-online meldet, heftiger Protest: „Kultautoren der deutschen Linken wie Peter Schneider bei einem Stasi-freundlichen Verlag?“ heißt es da.

Schneider (66), der mit der Erzählung „Lenz“ 1973 zu einem Kultautor der deutschen Linken und der Studentenbewegung wurde, wähnte sich – wie er dem SPIEGEL verriet – in einem Alptraum, als er vergangene Woche in einem Rundbrief und nachträglich davon erfuhr, dass seine legendäre Novelle nun, wie andere Aktivposten des Rotbuch Verlages, bei der Eulenspiegel-Verlagsgruppe erscheinen werde.

Rotbuch soll „sein bisheriges Profil behalten“, wie es in der Mitteilung der Verkäufer Irmela und Axel Rütters, die den Verlag, der 1973 als Kollektiv gegründet worden war, 1993 übernommen hatten, heißt – Schneider allerdings sieht sich laut SPIEGEL „im Bett des Todfeinds“: Autoren wie Herta Müller, Thomas Brasch, Richard Wagner und er künftig unter dem Dach eines Hauses, „in dem Stasi-Offiziere ihre Erinnerungen pflegen, und man erfährt, dass es eigentlich ganz gemütlich war in der DDR“? Herta Müller sieht bei dem Verkauf „Zynismus und eine unglaubliche Gleichgültigkeit“ am Werk: „Jetzt stehen meine Essays zur Diktatur neben den Memoiren von Egon Krenz, Walter Ulbricht und Markus Wolf. Eine Steigerung wäre nur noch, neben Kim Jong Il zu publizieren.“

Der ungarische Dissident und ehemalige Häftling György Dalos, der wegen der im Frühjahr erscheinenden Novelle „Jugendstil“ in engem Kontakt zu den ehemaligen Verlegern stand, aber auch von den Verkaufsabsichten nichts erfuhr, tritt aus nun dem Vertrag für sein Buch aus. „Das Verhalten von Rütters stellt in meinem Fall einen klaren Rechtsverstoß dar. In Ungarn hatte ich 15 Jahre Publikationsverbot; im Umgang mit Überraschungen bin ich trainiert. Ich werde auf der Leipziger Buchmesse aus ,Jugendstil‘ lesen und betrachte mich fortan wieder als freier Autor“, sagt er.

Von dem Verkauf ebenso überrascht wurde der Rotbuch-Mitbegründer F. C. Delius: „Ich finde es skandalös“, kommentiert er den Vorgang, „dass ausgerechnet das Erbe des einzigen westdeutschen Verlages, der sich konsequent kritisch gegenüber der DDR-Kulturpolitik erhalten hat, nun in solche Hände kommt.“ Juristisch ist für die Autoren, ei denen es um Rechte an ursprünglichen Rotbuch-Titeln geht, wohl nicht viel zu machen, aber sie erwägen nun andere Formen des Protests.

Kommentare (0)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert