Seit 10 Jahren klappt’s mit dem Online-Buchhandel

Jubiläen sind oft wie Weihnachten: Sie finden immer am gleichen Tag statt und kommen dennoch meist ganz überraschend. Das trifft in unseren schnelllebigen Zeiten besonders auf Firmenjubiläen zu. Gerade im E-Commerce geht es oft zu wie nachts im August am Firmament: Dort werden Sternschnuppen ebenso schnell geboren wie sie auch wieder verglühen. Umso erstaunlicher daher, wenn sich eine Schnuppe nicht nur wacker am Himmel hält, sondern dort auch noch Loopings dreht.
Das Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher, kurz zvab.com, feiert dieses Jahr sein 10-jähriges Jubiläum. Heute hat das ZVAB über 20 Millionen Artikel online im Angebot. Mehr als 4.000 Mitglieder aus 24 Ländern bieten vergriffene und antiquarische Bücher, alte Graphiken, Noten, Postkarten oder Zeitschriften auf www.zvab.com an. Doch hinter dieser URL verbergen sich mehr als „nur“ literarische Schätze. Die Geschichte des ZVAB ist eine (öffentlich bislang noch nie so richtig erzählte) Erfolgsstory, die leise und gerade deshalb bemerkenswert ist.

Eine gewagte Idee
1996 war’s, als sich drei Ostberliner Studenten zusammensetzen und überlegten, wie man die Suche nach alten, gebrauchten und vergriffenen Büchern vereinfachen könnte. Jens Bauersachs, Student der Geschichtswissenschaften hatte das meist erfolglose Abklappern von Antiquariaten satt. Er klagte sein Leid seinem Schulfreund Bernd Heinisch, Informatik- und Philosophie-Student, in dessen Kopf schnell eine Idee reifte. Gemeinsam mit Friedemann Kutschbach setzen die drei eine waghalsige Idee in die Tat um: Mit Hilfe des damals noch verpönten und verlachten Internets vernetzten sie Antiquare und Buchsuchende, und schufen eine Plattform, die Anbieter und Käufer antiquarischer Bücher zusammenbringt: das ZVAB.
Die drei Studenten hatten im Oktober 1996 fünf Antiquariate überzeugt, die ihre Titel damals noch auf Floppy-Disks per Post ins Heinische Wohnzimmer in Ost-Berlin schickten, von wo aus sie manuell in die Datenbank eingespielt wurden. Insgesamt bot das ZVAB damals rund 10.000 Bücher an und die Anfragen aus weiteren Ländern nahmen zu. Wenn nachts das Telefon klingelte schreckte Heinisch schon gar nicht mehr hoch. Statt mit einem Notfall rechnetet er schon damit, am anderen Ende der Leitung einen Antiquar aus Übersee begrüßen zu dürfen, der um vier Uhr nachts mitteleuropäischer Zeit Mitglied des ZVAB werden wollte und nun um Beistand beim Datentransfer bitten wollte.

Freundliche Übernahme – mediantis AG nimmt das ZVAB unter seine Fittiche
Doch wie bei den meisten Start-Ups waren auch die finanziellen Mittel des ZVAB begrenzt und das weitere Wachstum des viel versprechenden Unternehmens zunächst ungewiss. Die Finanzspritze kam schließlich in Form einer Übernahme: die mediantis AG nahm das ZVAB unter sein Fittiche und finanzierte seinen Ausbau. Mit Erfolg: Inzwischen arbeiten 18 Festangestellte in der malerischen Villa Kustermann in Tutzing am Starnberger See an der Fortentwicklung der technischen Basis und am Ausbau des Unternehmens. Den Sprung über den großen Teich hat das ZVAB inzwischen auch geschafft: Durch die Fusion mit ChooseBooks in Ithaka wurde das englischsprachige Angebot der Datenbank um ein Vielfaches vergrößert. Außerdem bietet das ZVAB einen Service für Buchhändler, die für ihre Kunden nach antiquarischen oder vergriffenen Büchern suchen: das kostenlose Buchhändlerprogramm Antiquaria (www.antiquaria.com) verschafft dem stationären Buchhandel die Möglichkeit, die Anzahl lieferbarer Bücher um rund sieben Millionen zu erhöhen – und ganz nebenbei noch Profit zu machen, denn die Handelsspanne ist für Buchhändler flexibel einstellbar.

Das ZVAB als Förderer von Kunst und Kultur
Auch im Bereich Kultursponsoring macht das kleine Unternehmen von sich reden: Nach dem verheerenden Brand der Anna Amalia Bibliothek im September 2004 rief das ZVAB zu einer Spendenaktion auf, deren Erlös der Bibliothek zugute kam. Aus diesem Projekt ist inzwischen eine feste Zusammenarbeit geworden: Das ZVAB ist eine ideale Wiederbeschaffungsquelle gerade auch für alte Drucke und Handschriften aus vergangenen Jahrhunderten. So konnten von den beim Bibliotheksbrand vernichteten Büchern inzwischen mehr als 160 Werke im Gesamtwert von 56.000 Euro zentral über ZVAB Mitgliedsantiquariate aus der ganzen Welt wiederbeschafft werden.
Doch auch Neues will das ZVAB fördern. Anfang 2004 rief mediantis-Aufsichtsratvorsitzender Richard von Rheinbaben den ZVAB-Phönix ins Leben. Der ZVAB-Phönix ist mit 25.000 Euro Preisgeld einer der höchstdotierten Kunstpreise für Nachwuchskünstler in Deutschland und wird nächstes Jahr zum dritten Mal vergeben.

Die Nase vorn
Das geschäftige Treiben in der Tutzinger Villa reißt also nie ab. Vor kurzem hat das ZVAB zudem ein Literaturblog gestartet und zeigt auch damit, dass antiquarisch alles andere als „antiquiert“ bedeutet. Auf http://blog.zvab.com bietet der Online-Marktplatz für antiquarische Bücher Lesetipps und Beiträge zum Thema. Auch Experten kommen dort zu Wort und klopfen den Staub von erlesenen Werken und zu Unrecht vergessenen Autoren.
Und bei so viel Wirbel neben dem Tagesgeschäft ist es nicht verwunderlich, dass das Jubiläum fast vergessen wurde. „Als eine Mitarbeiterin mir zum 10-Jährigen gratulierte, konnte ich es erst gar nicht glauben“, schmunzelt Bernd Heinisch. Das Glas Sekt wird daher erst offiziell im November erhoben. Am 20. November 1996 waren nämlich genau 10.000 Titel im Bestand. In zehn Jahren den Sprung von 10.000 auf über 20 Millionen Titeln zu machen und als E-Commerce-Unternehmen nicht nur stetig zu wachsen, sondern die Nase weit vorn zu haben, das hätte sich damals niemand träumen lassen. Uns Buchliebhaber freut’s. Happy Birthday, ZVAB.
SAM

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