Sonntag: Schlurf, schlurf

Nur bei mir: Spezial-Tipp zum Zeitmessen

Wenn Sie gerade keine Uhr zur Hand haben, können Sie die Zeit mit ein wenig Übung auch mit dem Kauen von Betelnüssen messen; es gibt noch einen Stamm in Südindien, der das tut. Eine zerkaute Nuss entspricht einer Zeiteinheit.

(und auch dies letztlich aus KulturSchock Indien, Reise KnowHow Verlag)

Liebe Gäste,

mit dem letzten Messetag hatten wir Glück: Es war so sonnig, dass ich permanent aufpassen musste, nicht Mitgliedern der höheren Kasten auf den Schatten zu treten.

Davon bekommt man in den Hallen meistens nichts mit; viele Aussteller, die die ganze Woche da waren, bekamen kaum ihre eigene Halle mit. Dafür haben Sie ja mich.
Soviel zum täglichen Leben, dessen Licht sich aus 18 verlegten Kilometern Stromkabel speist. (Oder waren das 18 verkaufte km Hot Dogs? Muss nochmal nachschlagen.)

Und natürlich gibt es auch Gäste, auf deren Schatten ich auch ohne Schlaglicht getreten bin. Niemals mit böser Absicht, aber mit Absicht schon; und ich versichere Ihnen, dass jedes böse Wort tatsächlich aus reiner Zuneigung geschieht. Schauen Sie doch zum Beispiel nur, wie oft ich auf dem Chef herumhacke.
Doch ich freue mich über jeden Dialog; und bedenken Sie stets: Alles ist besser, als nicht im Messe-Mayer erwähnt zu sein.

Zu meinen Abschlussarbeiten gehört auch, auf stattgehabte Misstände hinzuweisen.
Wer jemals frühmorgens Männer, die nichts anderes gelernt haben als Vertrieb, beim Versuch beobachtet, einen Haufen Messegeschirr in einem kleinen Handwaschbecken ohne Ablage zu reinigen, der weiß, was Elend ist.

artbookcologne und das Elend

Ganz klar muss ich Ihnen am Sonntag wieder Bilder aus der 5. Dimension zeigen, denn jeder kostümierte Jugendliche hat freien Eintritt. Die asiatische Tradition des CosPlay sieht vor, sich exakt wie seine Lieblingsfigur aus Manga, Anime oder Game zu kostümieren.
Bei so manch sehr extremen Kostümen blickt man zwar mitunter direkt in den Schlund der Hölle, aber durch die Belebung des Comiczentrums trägt somit auch die ansonsten nutzlose Jugend zur BuchMesse bei.

Hier schreib ich einfach mal
nix unter das Bild
Nicht der Arbeitskreis Sortiment, sondern CosPlayers beim CosPlayPausemachen

Am Sonntag sind traditionell drei Dinge anders als an allen anderen Tagen:

1. weniger Prominente
2. mehr Kinder und Jugendliche
3. Alle, die schon die ganze Woche da sind, sind der Katatonie nah.

Für die ersten beiden dieser Punkte hatte Tessloff sich mit seinem feinen Riesenzelt besonders aufs Wochenende konzentriert und bot durchweg interessantes Programm für die Jüngeren.

Mikroskopieren
Lotus-Effekt

Für uns Katatoniker hat Tessloff leider nichts getan.

Faszinierend: Robert Kratz von der TU Darmstadt arbeitet an einem Roboterprojekt, das Motoren durch bionische Muskeln ersetzt und das Gewicht von Arbeitsrobototern dadurch enorm reduziert.
Für uns literarisch interessierten ist natürlich am interessantesten, dass er seinen Prototypen Lara getauft hat. Lara, wie die unerfüllte Liebe in Dr. Schiwago, und Lara, Frau Croft, die technisch ausgereifte Allround-Amazone.

Dr. Frankenstein und Tessloff
in einem Satz

Ich fragte, ob man mich auch irgendwie bionisch verbessern könnte, aber man attestierte mir, dass ich nicht einmal mehr makroskopisch zu retten sei.

Dass es einen Fernseher geben musste, hätte ich zwar für vermeidbar gehalten, aber andererseits sehe ich in meiner Funktion als Couch-Potatoe großes Potential in der Potatoe-Förderung der Jugend.

Auch im Forum 1 ging man heute auf die Jugend ein und zeigte vorab den neuen TKKG-Film. Dass ich von allen denkbaren Vorpremieren ausgerechnet bei TKKG hereinschaue, zeigt, dass ich wirklich viel zu tun hatte.

Schauen Sie sich nur diese Gesichter an!

An der anschließenden Podiumsdiskussion nehmen teil eine Diplompädagogin, Kinderschauspielerin Svea Bein, der Regisseur Tomy Wigand und alle außer mir.

Je öfter ich bei ZVAB vorbeikomme, desto mehr freue ich mich, dass das Moderne Antiquariat dank ZVAB einen Quantensprung hinter sich hat, von dem alle profitieren können.

Von wegen Gammelbuch

Bei Emons hole ich mein kurzes Treffen mit Frank Schätzing ohne Frank Schätzing nach. Das war auch das erste Interview in meinem Leben, das ich ohne mich führte. Eine demütigende Erfahrung. Ich wäre so gerne dabei gewesen. Obwohl – er war ja auch nicht dabei.

Der Relaunch seines historischen Werkes „Tod und Teufel“ bei Emons kollidierte nämnlich leider mit einem anderen Termin, aber Herr Schätzing erzählte mir angeblich, dass die Verbidnung zwischen seinen modernen Thrillern und diesem historischen darin bestehe, eine ganz bestimmte, vorhandene und prüfbare Faktenlage in etwas Phantastisches weiterzuspinnen.

Die häufigste aller Schätzingfragen sei bis dato freilich „Woher kommt Ihre Faszination für das Meer?“, und die schlimmste „Sind Sie jetzt Millionär?“
Hmmm. Das würde ich natürlich beides auch gerne wissen, aber wir waren ja beide abwesend.
Mit etwas Glück zeige ich Ihnen ab Dienstag noch ein Foto von diesem Phantom-Interview.

Na gut, es wurde Donnerstag

Der Emons-Verlag fragte zuvor, ob ich Familie habe, und schenkt mir zwei Labellos. Woher nun der Emons-Verlag meiner Familie spröde Lippen nachsagt, ist mir fern.

Im Lesezelt kann ich, nachdem ich ihn die ganze Woche immer gerade so doch nicht vor die Linse kriege, endlich Harry Rowohlt sehen. Und natürlich hören, was gerade in Harry Rowohlts Fall ein noch größerer Genuss ist. Die Damen in der BuchMarkt-Redaktion loben immerhin seine neue Frisur, aber ich bin sicher, dass es nichts gibt, was ihn weniger interessiert.

Mein lieber Freund, Tse-Tse-Fliege, Bierbecherjongleur und Abenteurer Peter Uwe Sperber hat mich nachträglich und zum Trost mit Biolek-Fotos versorgt. Es handelte sich anscheinend um ein Abendessen beim Tre Torri Verlag, der ja auch Bioleks neuestes Buch herausgebracht hat, denn ich erkenne auch Ralf Frenzel und – he, Moment mal! Schon wieder der von Zittwitz!
Dass der aber auch bei jedem Empfang seine Finger im Essen haben muss! Kein Wunder, dass ich genauso bin! Wo soll ich es auch anders gelernt haben?

Sortiert nach Prominenz

Als letzte Attraktion nehme ich noch Bas Böttcher mit, den ich schon immer mal näher erleben wollte. Hoffentlich verwechsle ich ihn nicht mit Bov Bjerg, den ich immer mit Durs Grünbein verwechsle. Jetzt weiß ich auch, warum aus mir nichts werden kann, Mutter: Du hast mir den falschen Vornamen gegeben! Die Mütter von Durs, Bas und Bov haben es richtig gemacht.

Jedenfalls konnte man Bas Böttcher zusehen, wie er hinter einer schalldichten Scheibe deklamierte, und man konnte auch Kopfhörer aufsetzen und ihm zuhören. Man nennt so etwas Poetry Slam, und das ist ein sehr hörenswertes, rhythmisches Schaulesen.

Und das war die Buchmesse 2006. Trotz der gewaltigen Menschenmengen war es der indische Geist, der die gesamte Messe etwas heiterer und gelassener machte als sonst. Darauf können Sie eine Betelnuss kauen.
Natürlich birgt ein Gastland immer einen übermäßig folklorisierenden Aspekt, deshalb empfehle ich durchaus auch mal Gastländer, die unseren Exotismus nicht so offensichtlich enttarnen, wie z.B. Liechtenstein, den Vatikan oder die DDR.

Ein weiterer literarischer Aspekt, der unserer Rezeption eines Landes sehr entgegenkommt, sind Serienkrimis, die im jeweiligen Land spielen. Will sagen, nur drei Taschenbücher mit einem Inspektor Chowdhury, die in Raipur spielen, und der Gastlandkontakt zu Abertausenden von Lesern ist ruckzuck hergestellt.

Letztes Jahr habe ich meinen Mantel an der Garderobe vergessen, und die Messe schickte ihn mir unentgeltlich nach. Das weiß ich dieses Jahr zu nutzen, indem ich meine ZVAB-Tüten voller Buchmesse-Zeugs ebenfalls „vergesse“ und mich auf baldige Post freue.

Eigentlich müsste ich mit Vishnus sechster Inkarnation, Rama mit der Axt, schließen, aber die habe ich ebenfalls an der Garderobe abgegeben. Ganesha stand mir bei in all diesen Tagen, und Lakshmi, die Göttin des Wohlstandes sei mit mir, wenn Herr von Zittwitz meinen Scheck malt.

Wir sehen uns wieder, wenn ich täglich von der Buchmesse China 2007 vor Ort berichte. (Hahaha, das wär was)

Und hier endet mein Text, so abrupt wie diese Messe. Ich wünschte zwar, ich hätte auch einen Gong, indes, Ihre vielen lieben Rückmeldungen, Beteiligungen und massenweisen Klicks, die zumindest seien mir Gong genug.

Stets Ihr

Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com

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