Halbzeitfreitag

Matthias Mayers
tägliches Messe-Update

Nur bei mir: Spezial-Lebenshilfe

Wenn Sie eine Einladung zum Essen ausschlagen möchten oder eine bestimmte Speise absolut nicht hinunterkriegen, dann behaupten Sie einfach, Ihre Religion verbiete es Ihnen zumindest heute.
Selbst wenn verwunderlich sein mag, welche absonderliche Religion beispielsweise Spinat verbietet, wird ein Inder Verständnis für diese Begündung aufbringen.

(auch das wieder aus KulturSchock Indien, Reise KnowHow Verlag)

HAKAN NESSERS MILCHRÄTSEL
( T h e M i l k r i d d l e )

Nach zwei fußknorzenden Messetagen voller Wunder sehen wir auf den Freitag zurück, bevor wir uns die letzten beiden Lines Buchmesse reinziehen, auch wenn sie verschnitten sind mit: Gästen ( * grusel * )

Um mal einen Gang zurückzuschalten, leitete ich den Tag mit Hakan Nesser bei btb ein. Verdammt, wie kriegt man denn dieses kleine Ding aufs „a“?
Und wie heißt das überhaupt?
Weiß das irgendjemand?

Moment – å å åååååå – mal’n bisschen üben.

Wo wår ich stehengeblieben? Håkan Nesser ist ein sehr freundlicher, ruhiger Månn mit einer ångenehmen Stimme. Mån kånn sich sehr ångeregt mit ihm unterhålten. (Du liebe Jüte, is det ånstrengend.)

Er war seit sieben Jahren nicht auf der Frankfurter Buchmesse. Vielleicht wirkt er deshalb so ausgeglichen.

Sie duften gut heute, Clarice

Die seltsamste Frage, die man ihm jemals stellte, war:

„Warum trinkt Kommissar van Veeteren eigentlich niemals Milch?“

Mit gleichem Recht könnte man natürlich fragen, ob es noch andere Lebensmittel gibt, die Håkan Nesser seinem Inspektor vorenthält. Soweit ich nachvollziehe, hat van Weeteren bisher auch noch nie Kumquats, Schwalbennestersuppe oder Twix gegessen.

Herr Nesser mag die Leipziger Buchmesse lieber als die Frankfurter, sagt er. Ich sage ihm, dass ich viel lieber mit Henning Mankell reden würde als mit ihm, und da waren wir wieder quitt.

Nehmen wir Abschied von van Veeteren – zehn Fälle reichen – und freuen uns auf Gunnar Barbarotti. Und – Ja, lieber Herr Kosanke, Herr Nesser gibt Ihnen recht: van Veeteren ist tatsächlich zu alt für Badminton.

So gelöst man nach einem Tagesbeginn mit Håkan Nesser sein kann, widme ich mich nun künstlerischen Anliegen.

Die Stiftung Illustration versteigerte in Halle 4.2 Illustrationen von 62 Künstlern. Die Stiftung Illustration braucht Geld, denn es gibt kein zentrales Archiv der Illustration. Das heißt, dass all meine Zeichnungen mit mir begraben werden, wenn ich Ihre Erhaltung nicht anderweitig gewährleisten kann.

Auch ein Weg, das Problem zu lösen: den ganzen Batzen versteigern. Weg damit, und man hat noch ’nen ehrlichen Dollar gemacht. Hierzu holt man sich Roger Willemsen und das Auktionshaus Christie’s ins Haus.
Nachdem man alle Interessierten mit einem extrem exquisiten Fingerfood-Buffet in den Saal gelockt hat, werden alle EC-Karten eingezogen und die Türen verriegelt, und ein Bild nach dem anderen kommt unter den Hammer.
Mit schier unglaublicher Chuzpe presst Willemsen das äußerste aus den Bietern heraus. Ist das noch legal, wenn der Moderator zur Preissteigerung unverhohlen mitbietet?
(O-Ton Willemsen: „Was, nur 200,-? Da biete ich ja mehr. Bitteschön: 210,-.“

Fast wäre ein Kat Menschik für 490,- Euro an mich gegangen, weil ich meine Kamera zum Knipsen hochhielt.

Stiftung Illustration, Stiftung Plaudern
Höre ich 491,- ?

Das Buch zur Stiftung (und zur Versteigerung) gibt’s bei Carlsen. Das kann ich ja auf dem Weg zu Ehapa in einem Aufwasch erledigen. Bei Ehapa gibt es einen Comic, auf den ich rasend neugierig bin: SantaMan! Für einen Weihnachtsmann, der mit seinen Weihnachtskräften das Böse bekämpft, war noch Platz.

Das Comic-Debüt des Frankfurter Grafik-Designers Daniel Nikoi Djanie ist ein Noir-Nikolaus,eine Art benedizierter Batman in witzig, und natürlich ein schönes Weihnachtsgeschenk.

Nun muss ich mich auf die Blaue Couch sputen, weil Luc Besson zu Gast ist bei aspekte, um sein neuestes Werk, „Die Minimoys“, zu promoten.

Nach einer stressigen, langen Anfahrt kommt er zu spät und fällt gerade pünktlich zum Einschlafen auf die Gästecouch. Ich erwartete einen mondänen, glatten, etwas verschrobenen, schweigsamen Franzosen, und stattdessen kam ein lockerer, flapsiger, kleiner Couch-Potatoe, der Clownerien betreibt.

Und sehen Sie nur, wo er seine Ideen hernimmt:

Minimoy
Plastiktroll, der
nach Vanille duftet

Das nächste Highlight kam im Lesezelt, wo die Maus und eine überzuckerte Moderatorin den Kindern Wissenswertes aus dem Alltag anschaulich machten. Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie sieht die Maus aus, als steckte Cherno Jobatey in diesem Kostüm.

Seinen großen Auftritt hatte niemand Geringeres als mein Sohn Lou, der auf der Bühne drei Regenwürmer zählen und die Maus knuddeln durfte.

Papa, wieso riecht
die Maus so komisch?

Tja, Verleger Übleis, Möllers und Müller, vielleicht wäre ja Würmerzählen und Mausknuddeln eher eine Aufgabe gewesen, die Ihr im gestrigen PISA-Test gegen Zehntklässler bestanden hättet?

Apropos PISA: Tessloff feierte heute seinen fünfzigsten! Und da wir Pilawa noch von gestern im Schrank hatten, hat man sich gedacht:
Wie wär’s denn zur Feier des Tages mit, sagen wir mal, einem Quiz?
Aber natürlich nicht irgendein Quiz, nein, sondern ein richtig fettes: Luxuszelt, geladene Gäste, Caramelcocktails, Fernsehteams, Video-Einspieler bis zum Abwinken.

Hier mal ein Foto von den TopDogs:

Familienministerin [von der Leyen], gesch. Gesellschafter Dr. Seng, Messe-Direktor Jürgen Boos, Ex-Minister Dr. Oscar Schneider und Dr. Florian Langenscheidt von Langenscheidt

Aber auch bei einer solch glänzenden Veranstaltungen wird man immer wieder berberhafte Gestalten sehen, die sich auf einer Treppe herumdrücken, als hätten sie kein Tagwerk.

Und abends vorm Supermarkt spazieren stehen, gell?
seriöser, engagierter Journalismus

Verlagsgründer Ragnar Tessloff konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht zugegen sein, aber der verschmitzte Einspieler mit den Erinnerungen der Verlegerlegende und Vaterfigur bewegte das Publikum sehr.

Ragnar Tessloff: ganz großes Kino

Im Ganzen war das die Show der Fünfzig: 50 Jahre Tessloff, 50 Millionen verkaufte Exemplare von Was ist was, und 50 Minuten Gala, bevor endlich das Quiz losgeht. Und das war schwer.

Also, ich zumindest hätte nicht gewusst, ob eine heiße Quelle nun Geysir oder Gysi heißt. Da sind Leute, die heißes Wasser von heißer Luft unterscheiden können, natürlich im Vorteil.
(Ich war ja als Kandidat vorgesehen, aber als Tessloff herausbekam, wer ich bin, haben sie mich schnell wieder ausgeladen. Ich kann es nicht beweisen, aber ich habe so ein Gefühl.)

Jürgen Boos in klein und groß
Bundesfamilienministerin und
Bundespilawa

Und das Quiz gewonnen hat diese junge Dame aus der Buchhandlung Mrs. Books in Meerbusch: Frau Gabriele Zwackhoven geht aus dieser Veranstaltung nach der zweiten Runde als strahlende Siegerin und neue Eigentümerin des Tessloff-Verlages hervor.

Das ist was!

Ich eile, denn der Tag neigt sich seinem Ende, meinem Termin mit Dr. Alfred Biolek entgegen. Herr Dr. Biolek hat aber dann trotz Termin keine Lust mehr und versetzt mich. Vielleicht habe ich das mal gebraucht; schließlich habe ich Frank Schätzing gestern genau so behandelt.

Obwohl ich mich die ganze Woche auf Dr. Biolek gefreut hatte, will ich mich deswegen nicht grämen. Ich benutze einfach nochmal das Dieter-Hildebrandt-Foto vom Mittwoch.

Dr. Alfred Biolek hat Lust auf ein Interview

Zum Schluss erreicht mich noch eine Meldung: Hape Kerkeling bekam zum Verkauf seines 500.000sten Exemplares von „Ich bin dann mal weg“ eine Überraschung: Dr. Wolfgang Ferchel überreicht Herrn Kerkeling im Lesezelt eine besondere, hochwertige Geschenkausgabe aus gepeitschtem Ziegenleder.

Im Geiste voller Anteil, aber den müden Hintern nicht mehr hochkriegend, folge ich dem allabendlichen Chillout am Stand. Hier nehme ich noch die aschenbecheregoistische Nina Beck (Standnachbar Schirmer Graf) und den Frankfurter Theatermann Stéphane Bittoun mit in den Schlussabsatz, und natürlich Knut Amos, Marketingleiter bei Motorbuch, der noch auf eine zündende Marketing-Idee wartet, und Frau Schmidt-Friedrichs, eine ganz nette Verlegerin aus Mainz.

Leute, die unbedingt noch hier
eingebaut werden wollen
Die Ideen stehen geradezu Schlange
Karin Schmidt-Friedrichs, Verlegerin (links),
Hermann Schmidt Verlag, Mainz

Ich jedenfalls fühle mich stark, zuversichtlich und bereit fürs Wochenende, sozusagen fit wie Narasinha der Löwenmensch, die vierte Inkarnation Vishnus.

Nur hat der auch noch nie eine Buchmesse am Wochenende besucht.

Gutes Stichwort – ein schönes Wochenende wünscht sich und Ihnen

Ihr

Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com

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