Indische Eröffnung

Matthias Mayers
tägliches Messe-Update

Nur bei mir: Spezial-Fauxpas-Service

Wenn Sie mit einem Sikh sprechen, vermeiden Sie bitte das Thema Uhrzeit. Tatsächlich sagt man den Sikhs nach, dass Sie um die Mittagszeit durchdrehen, deshalb nehmen sie jede Anspielung auf die Uhrzeit sehr persönlich.

(KulturSchock Indien, Reise KnowHow Verlag)

Indien!

Herzlich willkommen!

Bei mir finden Sie alle Klischees, die das Börsenblatt weit von sich weist.
Ich zeige Ihnen schon mal meinen Lieblingsinder. Er trug mehr zum Verständnis indischer Kultur bei als Kaya Janas und Bastian Pastewkas Inderparodien zusammen.

Apu Nahasapimapeetilon,
Supermarktpächter

Meine Messe wird jedenfalls eine Messe der Currys, des Bollywood und der Saris, eine Messe der Farben, der fremden Töne und Gerüche, eine Messe der Widersprüche und Erstaunlichkeiten. Etliche dieser Zutaten, eigentlich alles außer Currys und Saris, kann man übrigens auch bei Eichborn finden.

Dort demonstriert mir Pressechefin Uta Niederstraßer das erste errötende erotische Buch der Welt. Sein Umschlag ist mit einer gering toxischen Substanz überzogen, die sich von Purpur in Hellrot verändert, sobald man es betatscht, ableckt oder an der Innenseite seiner Oberschenkel entlangreibt.

Ich bin völlig baff. Ich probiere all das aus, aber die Leute um mich herum erröten schneller als das Buch. Natürlich finde ich, dass von Purpur nach Hellrot eher ein Erblassen stattfindet als ein Erröten, aber ich habe auch mit Farben so meine Probleme.

Frau Niederstraßer untersagt mir, diese Tests auch an Ihr durchzuführen.

Uta Niederstraßer treibt es bunt

Als ich mich auf den Weg zu Dieter Hildebrandt machen will, um mein Blut wieder zurück in mein Hirn zu bekommen, begegne ich einem richtigen Hollywood-Star. Langenscheidt lässt sich sein 400jähriges Jubiläum ganz schön was kosten, dachte ich, als ich mein großes Idol SpongeBob Schwammkopf traf.

Weeeeeer sucht seine Ananas
vor Halle Vier?

Dieses Jahr gelang es mir endlich, Manfred Mai bei der Begrüßung nicht mit anderen Autoren zu verwechseln, wie z.B. Thomas Brezina oder Astrid Lindgren.

merken, Mayer, merken, Mayer,
so ein netter Mann!

Wesentlich rascher in meiner Auffassungsgabe bin ich bei dem Gesichterpaar Greser & Lenz: Letztes Jahr dachte ich noch, wie drollig die aber gucken; heute weiß ich: Das sind ihre Gesichter.

So. Aber wir waren bei Dieter Hildebrandt.

Ich hatte das große Vergnügen, diesen Vater der Klamotte bei Kiepenheuer & Witsch zu treffen. Er mag nicht Legende genannt sein, weil Legenden meistens tot und selten wahr sind, und obwohl das im Groben seine Antwort war, stammt die hervorragende Ausformulierung doch von mir.

Der Messe-Rummel gefällt ihm, denn in der Kunst sieht und fühlt er sich nach wie vor eher als Auftretender denn als Autor.

Ich wollte sehr gerne wissen, was die schlimmste Frage sei, die ihm Journalisten am liebsten stellen. Er konnte sofort antworten: „Haben Sie auch etwas gegen den Comedy-Boom?“ Diese Frage findet er nicht nur dumm, sondern auch lästig.

Als nächstes fragte ich ihn, ob er auch etwas gegen den Comedy-Boom habe. Aber er verteidigte die jungen Kollegen vehement: Er habe auch schon immer Comedy gemacht, nur hieß es damals Klamotte.

Wir beratschlagten noch ein wenig über Verbesserungsmöglichkeiten der BuchMesse, und so endet ein Gespräch mit Dieter Hildebrandt, ohne dass ein einziges mal das Wort „Kabarett“ fällt.

Aporpos Kabarett: Sollte das dieses Jahr nicht eine rauchfreie Messe werden? Oder war das die in England? Egal, ist ja beides nix geworden.

Wenn Sie jedenfalls ganz, ganz leise sind, können Sie immer noch das Echo des Gelächters hören, das durch die Branche ging. Rauchfreie Messe. Ich wünschte, den Scherz hätte ich als erster gemacht.

Heute wurde der Chamisso-Preis an irgendwen bei Zsolnay verliehen, aber das habe ich verpasst, weil die Warteschlange an Jeff Smiths Zeichentisch so groß war. Der Bone-Autor und -Zeichner malte mir einen aufdringlichen Journalisten in mein Moleskine (ja, das aus Maulwurfsvorhautleder), aber ich habe keine Ahnung, wer das sein soll.

Kunst…
…und Wirklichkeit?

Auch sehr kühn: Steffen Merte vom Comicladen Xtra-Boox, der auch den Shop im Comiczentrum betreut, ließ gleich sein ganzes Ladenschild vom Künstler verzieren.

Matt Groenings Comic Book Guy
So ganz konnte ich es nicht verhindern

Na super. Vielleicht sollte ich mir gleich die Tür vom Gästeklo daheim aushängen und mitbringen, damit Martin Walser sie mir signieren kann.

Apropos Gäste: Denis Scheck hatte Ralf König und Volker Reiche zu Gast. Das Thema war „Tabubruch“. Wie Volker Reiche in diese wüste Gesellschaft geraten war, weiß ich nicht, aber ich hab’s mal fotografiert.

Wann wird denn nun gebrochen?

Vom Comiczentrum ging’s zum Arbeitskreis Sortiment, was ja fast dasselbe ist. Herr Joos (KNV Köln) saß bei Illona Rehme, und ich saß bei Anne von Bestenbostel. Seit zwei Jahren bemailen wir uns schon, jetzt haben wir uns endlich mal persönlich kennengelernt.

Da hat eigentlich nur noch die Schwarzwälder gefehlt. So gemütlich ist es beim AKS.

Frau Rehme, Frau von Bestenbostel und ich haben eine Gemeinsamkeit festgestellt, die mich schier erschütterte: Wir haben alle drei im Leben bisher nur einen Manga gelesen, und das war ausgerechnet Manga Love Story, die hanebüchenen, halb-pädophil-pornographisch-pseudo-aufklärerischen Eheabenteuer von Yura und Makoto (bei Carlsen).

Frau von Bestenbostel fand die koitalen Lautmalereien immer am besten („slurp, slurp“), während mein Favorit die komplette Phallusparaphrasierung vermittels einer gezeichneten Banane war. (Frau Rehme fand anscheinend alles gut.) Die Gründe für diese Lektüre haben wir nicht weiter erörtert.

Also, ich verbringe jeden Tag mehrere Stunden nackt vor dem Spiegel, und ich habe da noch nirgends Obst entdeckt.

Beim MVB – und ich meine nicht die Magdeburger Verkehrsbetriebe – verspeise ich den mir zustehenden original amerikanischen Hot Dog, den mir eine Frankfurterin aus einem dänischen Würstchen zubereitet.

Beim Verdauen treffe ich die berühmte Claudia Roth, die Managerin von Rio Reisers Band Ton Steine Scherben. Sie beabsichtigt, bald mit der Musik abzuschließen, um in die Politik einzusteigen.
Also das kann ich mir nun beim allerbesten Willen nicht vorstellen. Ich habe sie nur fotografiert, weil sie den BuchMarkt unbedingt in die Kamera halten wollte.

da seh ich roth

Was unser Chef von meiner journalistischen Kompetenz hält, ersehe ich daran, dass er mich nicht zu wichtigen Preisverleihungen schickt, sondern zum Kebab.

Aber was für ein Kebab:
Der Verlag Rolibooks aus Neu-Delhi lud zum Launch seines Buches „Kebab Journeys to Bukhara“ ins Sheraton ein, wo indische Meisterköche ihre Kunst darboten.

Und die war so gut, dass wildfremde Menschen miteinander die Bestecke teilten und sich gegenseitig von ihren Tellern probieren ließen. Ich selbst habe sogar Heruntergefallenes vom Boden aufgeklaubt, aber das mache ich ja daheim auch immer so.

Pah, Friedenspreis – lasst mir das Buffet!

Es ist doch wahr: Lesen ist und bleibt also eine höchst sinnliche Beschäftigung.

Rush Hour im Sheraton Neu-Delhi
Verleger Kapoor (beide)

Falls Frederking & Thaler das Buch nächstes Jahr in Deutsch veröffentlichen, möchte ich natürlich gerne wissen, ob sie sich mit der indischen Gastfreundschaft messen lassen können.

Sheraton!

She – ra – ton !

Ich beschließe somit den Tag mit einem sichtbaren Hauch von Koriander zwischen den Zähnen und fühle mich ganz wie Kurma, die Schildkröte, Vishnus zweite Inkarnation.

An die ganze Lauferei müssen wir uns nämlich erstmal wieder gewöhnen,

Sie und auch

Ihr

Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com

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