DREI FRAGEN an: A.N. Herbst über seine eBay-Auktion

Eben ist die Auktion [mehr…] zu Ende, gebracht hat sie 645 €. Und einen Wirbel im Feuilleton ob der Einzigartigkeit der Aktion. buchmarkt-online sprach nach Abschluß der Auktion mit dem Autor www.albannikolaiherbst.de.

Alban Nikolai Herbst

buchmarkt-online: Eine neue Romanfigur hat sich heute per eBay in Ihren „Argo“-Roman gesteigert, von dem etwa zwei Drittel, also über 600 Druckseiten schon fertig sind. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden? Und wie wollen Sie das hinkriegen?
Alban Nikolai Herbst: Sagen wir so: Imgrunde fiel mir ein Stein vom Herzen, weil es nun keine tragende Figur geworden ist. Vom Roman ist ja schon ein großer Teil geschrieben, und so muß ich strukturell nichts mehr ändern. W e l c h e Rolle nun genau die neue Nebenperson haben möchte, darüber werde ich mich mit dem Bieter selbstverständlich erst einmal verständigen müssen. Indes ist der Roman eine Art Schwamm: Er hat bereits sehr viel Gegenwart in sich aufgesogen, sehr viele Geschehen, sehr viele Personen ohnedies – also gemessen, an Härtling, nicht Pynchon -, und eine weitere Person wird sich ebenfalls schön einschmiegen lassen – als eine kunstvolle Intarsie. Ja, das gefällt mir. Und liebevoll werde ich sie auch gestalten. Mag freilich sein, daß sie dann doch – da Romane und ihre Konstruktion Eigengesetzlichkeiten unterliegen – etwas Tragendes bekommt. Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Aber ich bin ausgesprochen gespannt.

Daß bereits 640 Seiten vorliegen – welch hübscher Zufall, daß fast die gleiche Summe geboten wurde -, heißt nun aber nicht, ich würde die Nebenfigur erst danach einfügen… rein handwerklich ist es viel reizvoller, sie unter den, sagen wir, ersten 300 Seiten unterzubringen und immer wieder einmal auftauchen zu lassen. Ich möchte s c h o n, daß der Bieter (oder die Bieterin, Pardon) sein/ihr Vergnügen daran hat. Dagegen finde ich auch nichts einzuwenden, denn sehen Sie: viele Maler haben von Portraitaufträgen gelebt, ohne daß jemand ihnen das ankreiden würde; weshab sollte ich als Dichter so etwas nicht ebenfalls dürfen?

Wie waren die Pressereaktionen auf diese wohl bislang einzigartige Aktion?
Einzigartig ist die Aktion allenfalls für den deutschsprachigen Raum; in den USA hat es dergleichen schon gegeben, wenn auch nicht, soweit ich weiß, in der sogenannten ernsten belletristischen Literatur. Dafür kamen dort auch erklecklich höhere Summen zusammen, wobei etwa Stephen King natürlich auch von seinem Weltruf dabei lebt. Vergleichbares habe ich – schon wegen des vergleichsweise kleinen deutschsprachigen Kulturraums – sicher nicht aufzubieten. Andererseits geht es hier um Kunst (was Übersetzern sehr schöne, aber auch große Probleme bereitet). Jedenfalls entsprachen die Reaktionen hier dem allgemeinen Vorbehalt, selten waren sie sachlich, bisweilen neutral, meist nicht ohne Häme. Das muß einen allerdings nicht betrüben, es war ja zu erwarten. „Wer mit dem Teufel Suppe ißt, braucht einen langen Löffel“, sagt Brecht. Man kann diese Suppe an den Argumentationsinhalten erkennen: wie ich aussehe, was für Ringe ich trage, daß ich angeblich ein silbernes Zigarillodöschen habe (und also, so die kenntnislose Unterstellung, eigentlich reich sei) – und der schlimmste Vorwurf: daß ich, 1955 geboren, ein Ribbentrop bin. Das verzeiht man mir nicht. Man hätte wohl gern schon das Baby zum Schweigen gebracht: ein Baby schlimmer Abkunft k a n n nur ein böses Geschöpf sein. So denken halt die Leute. Wirklich schlimm allerdings hätte die Häme nur dann werden können, wäre zum Beispiel nicht geboten worden. Es wurde aber geboten.

Werden Sie im Roman „Argo“ kenntlich machen, welche Figur sich in Ihre Handlung eingesteigert hat?
Das kann ich jetzt wirklich nicht sagen; wenn der Hauptbietende das so möchte, dann gewiß. Möchte er es nicht, dann nicht. Wobei es mir sehr gefiele, w e n n er es mögen sollte. Das entspricht ja dann dem literarischen Verfahren, das ich seit nahezu zwanzig Jahren mehr und mehr kultiviert habe: sog. reale Personen (die freilich alle entfremdet sind, weil wiederum die Romanbewegung es ist, was sie letztlich gestaltet) mit „rein“ fiktiven zu mischen und beide sagen wir Positionen ganz gleichwertig wie Romanfiguren zu behandeln. Dabei nehme ich mich selber nicht aus; auch ich mache mich ja zur Figur. In THETIS. ANDERSWELT habe ich zudem Burkhard Spinnen auch namentlich gestaltet: „Bitte“, sagte er mir in der U-Bahn, „ich wäre so gern mal ein Schurke! Kannst du mir nicht so eine Rolle schreiben?“ Ich tat es, das Ergebnis steht heute im Roman. – So etwas ist aber nicht nur ein Spiel. Sondern die Konsequenz dieses poetologischen Verfahrens hat einen neuen Realitätsbegriff im Auge, um den es mir recht eigentlich geht. Um ihn befinde ich mich seit rund zehn Jahren in einem permanenten Kampf mit dem Mainstream.

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