Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Alles nur geklaut? Der „Da Vinci Code“

Immer wieder beschäftigen sich Juristen angesichts erfolgreicher Filme oder Bücher mit der Frage, ob deren Grundideen unerlaubt von anderen Werken übernommen wurden.

In den letzten Monaten gab es hierzu Streit in Zusammenhang mit Frank Schätzings „Schwarm“. Ein Meeresbiologe sah eigene wissenschaftliche Erkenntnisse in Schätzings Thriller übernommen und stellte Strafanzeige, die allerdings nicht zum Erfolg führte.

Auch Hollywood-Regisseur Roland Emmerich konnte sich 2004 vor dem Kölner Landgericht erfolgreich gegen den Vorwurf wehren, er habe große Teile seines Eiszeit-Thriller „The day after tomorrow“ unerlaubt aus einem Roman übernommen. Der US-Autor und Harvard-Professor Ubaldo DiBenedetto behauptete, Emmerich habe weite Teile seines Klima-Katastrophenfilms von seinem Science-Fiction Roman „Polar Day 9“ abgekupfert.

Aktuell geht es um das Buch „The Da Vinci Code“ des US-Schriftstellers Dan Brown, das bisher weltweit in 40 Sprachen übersetzt und mehr als 30 Millionen Mal verkauft wurde. Abgeschmettert wurde bereits die Klage des Autors Lewis Perdue. Er sah in folgendem Sachverhalt ein Plagiat: Ein Hobbykunstkenner, Vance Erikson, kommt bei seiner Forschungsarbeit einem Skandal auf die Spur: Uralte Unterlagen über das Schaffen Leonardo da Vincis sind gefälscht. Erikson stolpert in der Folge über Leichenberge und mitten in die Verschwörung einer Geheimgesellschaft. Die will die mächtigste Waffe der Welt bauen sowie den Papst stürzen. Perdue verklagte den US-Verlag auf Schadenersatz in der Höhe von 150 Millionen Dollar und forderte, dass der Weiterverkauf von „Sakrileg“ (Originaltitel „The Da Vinci Code“) sowie die Verfilmung des Krimis gestoppt werden. Der Plagiatsvorwurf wurde von einem New-Yorker Gericht im vergangenen August mit der Begründung abgewiesen, Perdue rücke da Vincis militärische Konstruktionen ins Zentrum seiner Story. Brown hingegen suggeriere in „Sakrileg“ etwas ganz anderes, nämlich dass da Vinci im Gemälde „Das letzte Abendmahl“ sein geheimes Wissen versteckt habe.

Nun steht die Premiere der Verfilmung des Weltbestsellers „The Da Vinci Code“ bevor, mit dessen Vorführung am 17. Mai das 59. Filmfestival von Cannes eröffnet werden soll. Der 100 Millionen Dollar teure Streifen des US-Regisseurs Ron Howard mit US-Filmstar Tom Hanks in der Hauptrolle soll weltweit zwei Tage später in den Kinos anlaufen.

Kein Wunder, dass der bevorstehende Filmstart potentiellen Klägern als gute Gelegenheit für öffentlichkeitswirksame Rechtsstreitigkeiten (und lukrative Vergleichsverhandlungen?) erscheint. So erheben die Autoren Michael Baigent und Richard Leigh Klage vor dem Londoner High Court und weisen darauf hin, dass sie vor 22 Jahren das Sachbuch The Holy Blood and the Holy Grail veröffentlicht haben. Auf deutsch erschienen von den Autoren „Der Heilige Gral und seine Erben“ sowie „Der Tempel und die Loge. Das geheime Erbe der Templer in der Freimaurerei“, jeweils bei Lübbe. Eines davon dürfte die deutsche Übersetzung sein. Im englischen Original jedenfalls stellten sie die These auf, dass Jesus Maria Magdalena geheiratet hatte und beide zusammen ein Kind hatten, dessen Nachkommen von den Tempelrittern geschützt wurden.

Sehr ähnlich lautet bekanntlich auch die Story von „Sakrileg“, wo die Protagonisten bei ihren Recherchen zu den Hintergünden eines spektakulären Todesfalls immer wieder auf verborgene Zeichen und Symbole in den Werken Leonardo da Vincis stoßen, die zum einen auf den Heiligen Gral hindeuten, zum anderen die These stützen, dass Jesus Christus und Maria Magdalena einen gemeinsamen Sohn hatten.

Michael Baigent und Richard Leigh beklagen deshalb eine Urheberrechtsverletzung und verlangen nun vor dem High Court, Buch und Film zu stoppen. Sollten Sie sich in England durchsetzen, steht zu befürchten, dass sie ihr Glück vor Gericht auch in anderen Ländern suchen könnten.

Nach deutschem Recht müssten die Gerichte vor Feststellung einer Urheberverletzung prüfen, ob die möglichen Parallelen der Grundidee beider Bücher bereits ein urheberrechtliches Plagiat darstellten. Hierbei gilt allerdings der Grundsatz, dass nicht ausreicht, wenn schon eine Idee ähnlich ist, sondern dass dies auch deren konkrete Ausgestaltung und künstlerische Umsetzung sein müssen.

Hier dürften trotz der ähnlichen Grundidee zahlreiche Unterschiede zwischen beiden Büchern bestehen, so dass ein Verbot nach deutschem Recht eher unwahrscheinlich ist. Hinzu käme, dass, wollten sie sich gegen das Buch wenden, die Lübbe-Autoren Baigent und Leigh gegen ihren eigenen Verlag und ihren Verlagskollegen Dan Brown klagen müssten.

Rainer Dresen, 40, arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. Mail: Dresen-Kolumne@freenet.de

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