Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: Keine besonderen Vorkommnisse auf dem Weg nach Verona, aber auch keine Gefahr für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland

Seit den Zeiten von Bohlen und seiner ehemaligen Begleiterin „Naddel“ und deren während und sogar auf der Buchmesse 2003 schlagzeilenträchtig verbotenen Titeln fragt man sich als Jurist vor jeder Buchmesse, ob es wohl auch dieses Mal Anlass für den Frankfurter Gerichtsvollzieher geben wird, sich zum Zwecke der Zustellung von Einstweiligen Verfügungen auf das Messegelände zu begeben.

Um es vorweg zu nehmen, dieses Mal war es erfreulicherweise eine juristisch absolut ereignislose Messe, der Gerichtsvollzieher konnte währenddessen ungestört außerhalb der Messehallen seiner gewohnten Tätigkeit nachgehen.

Das lag allerdings auch daran, dass einige Titel bereits vor der Messe ins Visier klagefreudiger Juristen gerieten und deshalb erst gar nicht den Weg nach Frankfurt fanden. So etwa suchte man die aktuellen Biografien einer Operndiva oder einer verstorbenen deutschen Schauspielerin vergebens in den Regalen der entsprechenden Verlage. Hier hatten das notorische Landgericht Hamburg bzw. ein berüchtigter Anwalt bereits vorab zugeschlagen.

Eichborn hingegen hatte Glück. Den Verlag mit der Fliege ereilte wegen des „Schwarzbuch VW“ seines Autors Hans-Joachim Selenz [mehr…] bereits so rechtzeitig vor der Messe der Bannstrahl des scheidenden Kanzlers, dass eine sowieso gerade in Vorbereitung befindliche Neuauflage noch abgeändert werden konnte.

Der Autor mutmaßte in der ersten Auflage seines Buchs unter der Kapitelüberschrift „59 Minuten zu viel für Gerhard Schröder“, dass ein 1992 u. a. Gerhard Schröder im Auftrag von VW ins italienische Verona transportierender Privatjet dafür laut den Flugunterlagen länger gebraucht habe, als für die Strecke üblich sei. Deshalb, so die Vermutung, sollten die überhöhten Flugkosten womöglich Aufwendungen für mitreisende Damen verschleiern.

Auf diese eher abenteuerliche Idee kam der Autor auch deshalb, weil genau derselbe Privatjet in der sog. West LB- Flugaffäre mit allerdings gänzlich anderen Protagonisten bereits einschlägig aufgefallen war.

Da der Autor vorliegend seine Spekulationen jedoch nicht belegen konnte, lag es nicht allzu fern, dass der in Rechtsdingen spätestens seit der Kanzlerhaarklage nicht gerade als zurückhaltend bekannte Gerhard Schröder gegen das Buch vorgehen würde. Wie mittlerweile nahezu jeder Klägeranwalt, der Buchinhalte verbieten lassen möchte, wählte der Kanzleranwalt für seinen Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung das Landgericht Hamburg, das ja bekanntermaßen nicht nur bei Kanzlerklagen gerne mal einstweilen verfügt und nun eben auch Passagen des „Schwarzbuch VW“ verbot.

Nach Erhalt der vom Gerichtsvollzieher zugestellten gerichtlichen Verfügung kehrte schnelle und tiefe Einsicht beim Verlag ein. Eichborn erklärte jedenfalls umgehend seine Bereitschaft, die monierten Textstellen zu ändern, um, so die staatstragende Begründung, „dem Ansehen der Bundesrepublik keinen Schaden zuzufügen.“

Warum sich Autor und Verlag trotz des Risikos zur Veröffentlichung dieser Passage entschlossen, bleibt unklar. Vielleicht dachte man, dass ja auch Tageszeitungen regelmäßig Spekulationen über Politiker veröffentlichen, ohne dass man von Verboten hört.

Dies mag aber an der relativen Vergänglichkeit von Zeitungen liegen, gegen die Unterlassungsverfügungen deshalb wenig Sinn machen. Buchveröffentlichungen mit angreifbarem Inhalt jedoch werden von Betroffenen mittlerweile viel stärker verfolgt als tagesaktuelle Publikationen, gegen die zumeist „nur“ Gegendarstellungen bemüht werden, aktuelles Beispiel hierfür war die letzte „Bild am Sonntag“ mit der interessanten Schlagzeile auf Seite 1: „Gegendarstellung. Lafontaine: Ich habe nicht gelogen.“

Auf die immer mehr Überhand nehmenden Rechtsstreitigkeiten haben sich die Verlage mittlerweile eingestellt. Entweder werden Bücher, die sich auch nur zum Teil auf nicht beweisbare Spekulationen stützen, gar nicht erst veröffentlicht oder doch umfangreich juristisch lektoriert. Hin und wieder rutscht aber insbesondere bei aktuellen Titeln, also bei Schnellschüssen wie eben dem „Schwarzbuch VW“, einem Verlag aufgrund des Zeitdrucks eine kritische Passage schon mal unbeanstandet durch, so dass sicher auch in Zukunft regelmäßig von Rechtsstreitigkeiten um Buchpassagen zu berichten sein wird.

{Rainer Dresen, 40, arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. Mail: Dresen-Kolumne@freenet.de

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