Und das war’s!

Matthias Mayers
letztes Messe-Update

Bitte entschuldigen Sie meine Verspätung!
Bin mit dem Gesicht auf der Tastatur eingeschlafen und gucke immer noch ganz QWERTY. Zum Glück hat mich Frau von Bestenbostels Mail geweckt, weil Sie sich Sorgen um mich machte.

Am Sonntag Morgen war allerorten eine gewisse Antriebslosigkeit zu spüren. Wer zeitig ankam, fiel ermattet auf sein Sitzpolster und sog Kaffee und Zigaretten in sich, bis die verspäteten Kollegen eintrudelten. Dann sog man gemeinsam Kaffee und Zigaretten in sich, bis man einigermaßen aussah. Kollege Faure macht Witze des Kalibers „Halleluja – Nee, Halle Vier.“
So viel kann ich gar nicht rauchen, dass ich den noch länger ertrage.

Kein Wunder, war es doch die Buchmesse der Aussteller- und Besucherrekorde. 280.000 Besucher in fünf Tagen! Das entspricht fast der Bevölkerung Islands! Für Nordic Walking wäre es eindeutig zu voll gewesen.
Auch komme ich auf den persönlichen Rekord von zwölf Kugelschreibern.

Und da ist mir ein FEHLER unterlaufen: Das Säckchen Kugelschreiber von der ERFA-Gruppe war gar nicht von der ERFA-Gruppe, sondern vom Softwareanbieter ERFABUCH! Sorry! Mein Fehler, Danke für den Hinweis. Und für die Kulis.

Wie ich mich nun wieder ohne Coupons von Dr. Oetker ernähren soll, weiß ich auch nicht.
Und ich verbrauche viele Kalorien, wenn ich Sachen höre wie

„Ich schlepp mich hier ab für ein Buch, das im Laden genau soviel kostet!“

Jawohl, fremder Schnorrer: Wer die Preisbindung bricht oder zu umgehen sucht, dem sollen die Arme weh tun! So steht’s auch wörtlich in der Verkehrsordnung unserer einzigartigen Branche.

Die Messe wächst, und wir wachsen mit. Letztes Jahr dachte ich noch: Huch! Seltsam kostümierte Jugendliche! Und dieses Jahr denke ich: Ah, da sind ja wieder die Mangaleserinnen und -leserer, die, obschon von überall her, sich zusammentun und das Comicforum zur Zentrale erklären.

Nächstes Jahr denke ich sicherlich nur noch: Ah, da neben dem Mangafreak ist ja schon der Hot Dog Stand.

nicht mehr wegzudenken:
Der Fischer und seine Frau

Dass Sie von mir so gar nichts über Fußball erfahren haben, liegt an Winston Churchill oder eher noch daran, dass ich mir dessen Einstellung zum Sport zu eigen gemacht habe. Instinktiv habe ich mich immer weit weg von Halle 1.2 aufgehalten, obwohl sie mir heute früh, als sie noch leer war, einen schönen Anblick bescherte. Schnödes Thema, aber schöne rasengrüne Mottodekoration.

allein der Anblick löst bei mir Ballangst aus

Ich verabschiede mich von den mobilen Buchhändlerinnen Kinga S. Löffler und Bärbel Tárai, die in Halle 4.0 sitzen. Auf mich wirken sie dort ja eher immobil, aber dann verwackelt das Bild wenigstens nicht.

Haben mobile Buchhäbdlerinnen
Füße oder Räder?

Von meinem guten Freund, dem GABAL-Roboter Robby konnte ich mich leider gar nicht verabschieden. Er war plötzlich sabotiert worden, aber ich schwöre, dass ich damit nichts zu tun habe!

Ich habe weder den Nylongurt in sein Getriebe gesteckt, noch seine Empfangsantennen verbogen, und ich habe ihn auch nicht hinaus in den Regen geschoben.
Sie haben gar nichts gegen mich in der Hand. So sieht’s doch mal aus.

Und dabei hatte ich mich wirklich darauf gefreut, Robbys Geheimnis endlich zu enttarnen: Der Roboter wurde in Wahrheit von dem Menschen Harald Durner gesteuert!
Das war gar kein Android!
Immer in der Nähe der Maschine konnte der folgende Mann beobachtet werden, wie er den ganzen Tag an einer nichtrauchenden Zigarette zog, durch die er seine Frechheiten in des Roboters lose Klappe funkte.

Aktenzeichen XY: Gelöst

Es war nicht leicht, ihn unbemerkt zu fotografieren, daher entschuldigen Sie bitte die Qualität der Fotos. Aber wenn Sie ihn oder seine rattenscharfen Minizeppeline für, sagen wir mal, Ihre eigene Buchmesse buchen wollen, dann müssen sie ihn obig nur anklicken oder www.robbyservice.de notieren.

Bitte buchen Sie diesen Mann. Ich will auf der nächsten Messe unbedingt so einen Zeppelin in der Halle sehen.

Auf den letzten Drücker erfahre ich, dass es sowas Tolles wie den Rowohlt-Mediablog gibt! Ein Bild- und Ton-Archiv von Interviews und Lesungen von der Buchmesse. Tolle Seite, tolle Idee, jede Messe was Neues von Rowohlts Herrn der Tasten, Dirk Moldenhauer.

Trotz des wochenendbedingten Promischwundes lohnt das Lesezeltimmer auch Sonntags den Besuch. Diesesmal statte ich ihn einem Triumvirat der Fantasy-Jugendliteratur ab: V.l.n.r. T.A. Barron, Kai Meyer, dazwischen Rotkäppchen, dann Tad Williams. Tad Williams guckt so, als könne er kein Deutsch und als wäre das auch okay.

Fantasy-Garde
I wish Neil Jordan was here

Im Signierzelt habe ich noch Manuel Andrack mitgenommen, den einzigen erwachsenen Menschen, den ich kenne, der immer noch Jeansjäckchen trägt.

Bekannter Seitentritt

Sie erinnern sich, dass mir der nicht ganz buddhistische Malaye Vijay Eswaran am Samstag versprach, ich könne ihn jederzeit anrufen, wenn ich ein Problem hätte? Da ich einen Satz in seinem Buch Im Reich der Stille nicht verstand, sprach ich abermals bei Rythm House vor.

Und wirklich: man setzte für meine Pupsfrage alle Hebel der Welt in Bewegung und holte Herrn Eswaran telefonisch aus einer Konferenz in London, nur um mit mir über Seite 62 zu sinnieren.

Ich lief an einer Diskussion vorbei, die aus Marcel Reich-Ranicky bestand. Mehr als einen passiven Zuhörer zum Diskutieren und eine Person, die die Kamera hält, braucht die Frau Mahlzahn der deutschen Literaturkritik ja nicht.

Genial beginnt auf diesem Sessel

Als ich die Worte „dumm“ und „genial“ schnarren hörte, beschleunigte ich meinen flüchtenden Schritt, wohl ahnend, dass Herr Reich-Ranicky die Linie zwischen dumm und genial exakt da zieht, wo er steht, sitzt und schnarrt, aber sein R rollte mir noch zwei Rolltreppen lang hinterher.

Das macht hungrig. Also ergaunerte ich mir aus rein journalistischen Gründen mein letztes Oetker-Menue für dieses Jahr, zubereitet von Olaf Brummel aus dem Bielefelder Schlosshof.

Und was soll ich morgen essen?

Es gab Kartoffel-Kürbis-Frikadellen mit Rucola, Kräuterquark und Baguette.

Der Rucola war so frisch und knackig, wie ich es von keiner Lebensform auf der ganzen Messe erwartet hätte. Der Quark war dezent, die Bratlinge köstlich und mit Kürbiskernen zubereitet. Das Baguette würde ich nächstes mal lieber von einem kleinen lokalen Bäcker bestellen anstatt en gros beim Filialisten.

Dead Man walking, der ich heute bin, wollte ich mein letztes Mahl nicht alleine zubringen, deshalb stellten die Verlage Gerstenberg und Kosmos mir reizende Gesellschaft zur Verfügung.

Frau Gerstenberg und Frau Kosmos

Der Prestel-Verlag hatte den Instantkünstler Frank Birdman Langner engagiert. Instant heißt nicht, dass man den Künstler oder sein Werk erst mal heiß aufbrühen muss. Obwohl ihn das auch nicht stören kann, denn Herr Langner integriert alles, was auf ihn zukommt, in seine Aktionen.

Bring mir einen Gegenstand, und ich mache was völlig neues draus. Wenn Herr Langner nicht auf Buchmessen anderer Leute Eigentum kreativ verformt und artistisch kaputtmacht, dann bemalt er Heuballen in der Landschaft. Oder macht sonstwas. Man weiß es vorher nie.
Sie sind ein lustiger Typ, und ich hoffe, Sie sind auf der nächsten Messe auch wieder da.

Einer muss es ja tun

Mein Top Event des Tages war das BuchQuiz, das in Halle 4.0 zum Thema „Studium rund ums Buch“ vorgestellt wurde. Anika Kleinert von der Uni Mainz ließ Bilderrätsel an die Wand werfen dergestalt, dass man angesichts z.B. eines Richters und eines Henkers den entsprechenden Buchtitel erraten musste.
Den höchsten Spaßeffekt hatte dieses Quiz für mich in den haarscharfen Verfehlungen der richtigen Antworten:

Hier meine Favoriten derjenigen Bücher, auf die die Weltliteratur noch wartet:

Das Sportfeld (statt „Der Fänger im Roggen“)

Die zerbrochene Vase (statt „Der zerbrochene Krug“)

Walfischeltern (statt „Wahlverwandtschaften“)

Die Sprudelwasserkette (statt „Das Glasperlenspiel“)

und, schon nicht mehr zu toppen,

natürlich Heinrich Bölls Klassiker „Der Ansichtsclown“.

Die würde ich alle viel lieber lesen wollen als die schnöden Originale. Originell auf die Beine gestellt und kess moderiert, Frau Kleinert!

Der Bundesgerichtshof und seine Hinrichtung

Als der Schlussgong die Messe feierlich ausläutete, applaudierten alle. Ein letzter Moment der Einigkeit. Jetzt aber endlich abbauen, einpacken, heimfahren und neue Füße kaufen.

Was wird es nächstes Jahr Neues geben? Wird Random House nächstes Jahr der Einfachheit halber gleich eine komplette Halle belegen? Oder lieber eine RandomHouse-Messe eröffnen, mit Gastland Deutschland?

Und wo ist eigentlich Halle Zwei?

Ich ziehe jetzt wieder zu all den Stellwänden und Sitzpolstern in den Messekeller, von wo aus meine monatliche Kolume Mayer meint im Ideenmagazin für den Buchhandel erscheint. Ich verabschiede mich bis zum nächsten Jahr und habe mich riesig über Ihre Beteiligung gefreut.
Nächstes Jahr mache ich bessere Fotos, ich versprech’s.

Dank an Frau von Bestenbostel fürs Wecken.

Mein letztes Anagramm für diese Messe lautet natürlich:

After Hour Party – Foyer ruht apart.

Und das reicht auch jetzt. Für Sie und auch für

Ihren

Matthias Mayer

Beauty (l) and the beast(r):
Matthias Mayer, Nicole Lindgens

herrmayer@hotmail.com

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