Erleichterungstherapie nach Eichborn

Matthias Mayers
tägliches Messe-Update

Bitte mal das Megaphon, Danke.

(räusper):

R E C H T S
S T E H E N ,

L I N K S
G E H E N !

So, das musste mal raus.

Ich stehe nämlich noch völlig unter Besucherstrom. Obwohl ich ja schon wissen müsste, was auf mich zukommt, wenn das Messeshuttle plötzlich nicht mehr mit Koreanern, sondern mit mitteleuropäischen Rentnern gefüllt ist.
Sätze wie „Och, kuck mal, da kann man auch was essen“ oder „In welcher Halle stehen denn die Krimis?“ haften dem Nichtfacheindringling auffälliger an als ein markiertes Isotop.

Wieso legen wir diese öffentlichen Tage eigentlich nicht an den Anfang der Messe? Dann wäre der unangenehme Teil erledigt, und trotzdem wär’s nicht so voll, weil die Nichtfachbesucher werktags ohnehin arbeiten müssen!

Ja ja, ich weiß. Keine Endkundenarroganz an den Tag legen.
(Darf ich nur noch einmal das Megaphon haben, bittebitte?)

Im Gegensatz zu den Myriaden von Stromern lässt die Disziplin bei den Verlagen und Prominenten am Wochenende langsam nach. Da werden Stände erst „gegen halb zehn“ eröffnet, oder der Herr Dings ist „schon mal heimgefahren“.

Ich bitte Sie!
Reißen Sie sich noch einen Tag zusammen! Was sollen denn unsere koreanischen Gäste denken?

Bei Ehapa tröstet mich Marion Egenberger mit dem Test-Relaunch des legendären Yps-Heftes (mit Gimmick!) über den neuen Asterix hinweg. Da wir mittlerweile alle erwachsen sind, ist Yps zum Retro-Gut avanciert. Trotzdem sind wir Nostalgiker nicht die anvisierte Zielgruppe. Das wäre ja noch schöner. Erst wird’s eingestellt, weil wir alle herausgewachsen sind, und plötzlich wollen wir wieder Zielgruppe sein.

Jetzt müssen wir nur noch unseren Kindern sagen, was Yps ist, und losgehen kann’s.
Phönyps aus der Asche, sozusagen.
Ob es das leuchtende Flugsaurierskelett auch wieder geben wird?

Der Verlag Rythm House legt mit „Das Reich der Stille“, verfasst vom asiatischen Multi-Unternehmer Vijay Eswaran, anscheinend wieder so ein Buch vor, dass mir mein eigenes Glück in die Schuhe schieben will. Also habe ich ihn und sein Buch mal besucht.

Hält die Balance: mein neuer Onkel

Aber ich las lauter wahre Sätze. Dann plauderten Herr Eswaran und ich ein wenig über Balance, Chaos, Haltung und Krieg. Ich roch Lunte und fragte ihn, ob das nicht alles sehr Zen klingt. Aber wie alle Buddhisten will er sich nicht auf den Buddhismus festlegen lassen.

Ich verwickle ihn in eine Diskussion darüber, dass ich Gott ebenfalls für einen Buddhisten halte. (Das hatte ich mal so in South Park gesehen.) Die Kontroverse endet unentschieden; der Kerl ist wirklich gut.

Wenn es mir schlecht gehe, dürfe ich Herrn Eswaran jedenfalls immer anrufen.

Und das ist mehr, als ich von Dale Carnegie sagen kann. Jetzt habe ich einen multimillionendollarschweren Briefkastenonkel auf der anderen Seite der Welt. Und zwei sehr schöne Bücher.

Kugelschreiber, und kein Ende in Sicht:
Holger Schlecht von der ERFABUCH hat zwar nicht so schnell reagiert wie der GABAL-Verlag, aber dafür bekam ich hier mein erbetenes Kontingent von sieben Kugelschreibern vorbehaltlos zur Verfügung gestellt.

Eine ganze Tüte voller Kulis!
Jetzt, wo die Messe vorbei ist.

Und die ERFABUCH hetzt auch keinen Niedlichkeitsandroiden auf mich.

Den ich übrigens enttarnen werde – aber erst, wenn diese Messe vorbei ist, das habe ich GABAL versprochen.

Endlich habe ich mal Denis Scheck getroffen! Ich habe mir von ihm eine echte Gutenbergbibel signieren und dann in den Müll werfen lassen. Das macht er eben gerne. Er bat mich, Ihnen auszurichten, dass „Klavier im Nebel“ von Eginald Schlattner bei Zsolnay sein Buchmesse-Favorit sei. Ich wiederspreche nicht, sonst schmeisst er alle überlebensgroßen Deko-Brockhäuser auf der Agora um wie eine Dominosteinbahn.

netter Kerl, solange Sie
kein schlechtes Buch sind

Auf den Scheck hilft nur Dr. Oetker. Heute hat Josef Laufer aus dem Krug in Eltville gekocht. (Josef Laufer, Johann Lafer – anscheinend typische Kochnamen.) (engl.: Johhny Walker?)

Es gab:

Kürbissuppe mit Majoran und gebackener Blutwurst.

Jawohl, gebackene!

Diese Kombination war so überraschend wie delikat.
Beim Verdauen frug ich unsere koreanischen Gäste, ob man in Korea auch Blut esse.
Man isst. Die hervorragende Bandnudelsuppe Sunde wird beispielsweise mit Blut gekocht.
Hätte ich nur nicht gefragt.

Über Eichborn habe ich ja etwas Drolliges erfahren: Uta Niederstraßer berichtet, dass zornige Mitarbeiter in ein Zimmer gesperrt werden, das nur einem Zwecke dient: Sie sollen ihren Zorn an Büchern auslassen, gegen die einstweilige Verfügungen vorliegen und die deshalb geshreddert werden müssen.
Das Wutbuchzimmer.

Aber in der Telefonwarteschleife auf Blumenwiese machen, das haben wir gerne.

Frau Niederstraßer ist auch schon deshalb der Erwähnung wert, weil Sie heute die pinkfarbenste Person auf der ganzen Buchmesse war. Das Ensemble gewinnt noch zusätzlich durch die passende Tragetasche, die es beim Bertelsmann Club gab.
Ich denke mir, dass ein Wutbuchzimmer überall eine gute Investition ist, wo Frauen solche Farben auf roten Sofas tragen.

Kann Ihr Monitor das noch auflösen?

Als ich ins Signierzelt kam, war Gudrun Landgrebe gerade am Aufbrechen. („Vom Aufgabeln und Anbeißen“ bei List.) Doch dadurch durfte ich Zeuge werden der sinnfreiesten wie eisenhärtesten Konsequenz, derer ich junge Menschen nie für fähig gehalten hätte:

Eine junge Leserin, die ebenfalls kein Landgrebe-Autogramm mehr in ihr Buch bekommen hatte, ließ sich stattdessen kurzerhand von einer Mitarbeiterin des Börsenvereins ein Autogramm in ihr SpongeBob-Heftchen geben.
Signierzelt sei schließlich Signierzelt.

Gewiss, aber dennoch hätte ich niemals erwogen, dass SpongeBob und Frau Landgrebe einander eine ebenbürtige Ablöse seien!

Gudrun Landgrebe
SpongeBob Schwammkopf

Sehr gerne halte ich mich übrigens im Pressezentrum auf. Feinster Kaffee soviel man will, gespendet vom edlen, generösen LavAzza-Kaffeeverlag. Es gibt viel Platz, wenig Geräusche, kostenloses Trinkwasser aus dem Cooler und PC-Arbeitsplätze.

Und Sie alle dürfen da nicht hin.
Sie nicht, Sie nicht und Sie schon gar nicht.
Keine Fachbesucher, keine Aussteller. Nur wir Presse.

Hier kann sogar Rattelschneck Pause machen, ohne belästigt zu werden.

endlich fotografiert mich mal niemand

Von Zittwitz empfahl mir, ich solle ihn in meinen Übertreibungen nicht immer wie einen Machiavelli darstellen. Sonst halbiert er mein Gehalt und haut mir wieder mit dem Rohrstock auf die Handflächen, Sie kennen ihn ja.

Letztes Jahr wies ich ihn darauf hin, dass ich mehr Seitenabrufe gehabt hätte als Elfriede Jelinek. Seine Entgegnung lautete: „Na, das ist doch besser als Honorar!“

Sie sehen, Chef, Sie sind die letzte Person, über die ich irgendwas erfinden müsste.

Als nächstes frug er mich, warum einige der Fotos beim Messe-Mayer so unscharf seien. Ich erklärte ihm, dass diese Fotos nicht unscharf seien, sondern dynamisch.

Ab morgen wird mein Posten neu ausgeschrieben. Aber wir bleiben gute Freunde.

Aber wenn Sie unbedingt scharfe Fotos wünschen:

Beim neugegründeten Verlag Max Winter haben zwei Models ihre bequemen Klamotten angelegt, um das Sortiment zu repräsentieren. Der Fotograf Stefan Gesell legt einen stilsicheren, eigenwilligen Fotobildband vor, der nicht nur hohe Könnerschaft, sondern auch ein breites Spektrum verrät.

Und auch sonst tippe ich willfährig jedes Wort, das mir die beiden Betschwestern diktieren.

Meine neuen besten Freundinnen,
Linda Black und Chimaira

Mit 71.000 Besuchern erreichte die Frankfurter Buchmesse heute ihren Rekord seit ihrer Eröffnung 1949. Das entspricht der Einwohnerzahl von Bamberg. Deshalb freute ich mich besonders, meine Nachhausefahrt im Regionalexpress mit der Fankurve der Eintracht Frankfurt nach einem 6:3-Sieg zu teilen.

Ich bin gespannt, wie der Sonntag das übertreffen will.

Das vorletzte Anagramm des Tages lautet:

Messegelände – Mädel, segne es.

Jetzt nochmal richtig durchstarten!
Jetzt bloß nicht mehr durchstarten!

Zutreffendes bitte aussuchen für sich und

Ihren

Matthias Mayer

herrmayer@hotmail.com

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