Auftakt

Matthias Mayers
tägliches Messe-Update

Heute wurden die Tore geöffnet. Es gibt so viele Konferenzen, Eröffnungen, Einladungen und Zeremonien, dass ich einen Terminplaner brauche, um allen auszuweichen.

Unser diesjähriges Gastland Korea ähnelt uns in vielen Dingen. Der Koreaner hat deutsche Schwächen (Folklore, Würstchen) und deutsche Tugenden (Pünktlichkeit, Gründlichkeit). Der Koreaner weiß aber hoffentlich, dass das mehr auf meinen Opa als auf mich zutrifft.
Die Koreaner haben lange vor Gutenberg schon Bücher gedruckt. Nur damit Sie’s von mir auch noch mal aufs Brot geschmiert bekommen, was seit Tagen durch alle Feuilletons, Specials und Newsletter geistert.

Der Rump Reise Know-How-Verlag hat es leider versäumt, passend zur Buchmesse einen Kulturschock Korea herauszubringen.

Da uns durch die Teilung des Landes im Kalten Krieg ein politisches Schicksal eint, ist Korea an deutscher Geschichte und Kultur sehr interessiert. Man liest dort Brecht, Kafka und Camus. Wir Deutschen interessieren uns natürlich wieder mal nicht die Bohne für das Gastland, aber damit sich das ändert, ist es ja Gastland.

Von uns kann man zum Beispiel lernen, dass die Teilung unseres Landes ein großes Trauma war, aber dass wir die Wiedervereinigung mit Humor tragen. Außerdem ist Diktatorenspott ein äußerst kulturelles Ventil. Ich trage hierzu dieses niedliche Foto bei.

Kim Jong Il,
erfolgreicher Autor

Die Bookcity Paju ist eine echte Stadt, die vom Entwurf bis zur heutigen Bewohnung und Benutzung komplett dem koreanischen Buchhandel verschrieben ist. Schauen Sie sich das imposante Modell an.

So sieht Random House
in ein paar Jahren auch aus

Ich hatte das aufschlussreiche Vergnügen, den Catering- & Beveragemanager (dtsch: „Wirt“) der Buchmesse zu treffen, Matthias Seuring. Alles, was Sie auf dieser Messe in den Mund nehmen, ging durch seine Hände. Er hat die komplette Caféteria des Sortimenterzentrums entworfen und selbst genäht. Aus gastronomischer Sicht ist zu bemerken, dass Korea sich bevorzugt Malteser servieren lässt, weil er dem koreanischen Reisschnaps Sochu am ähnlichsten schmeckt.

Matthias Seuring organisiert schnell
30 Stehtische und zwei Eiswürfel

Im übrigen entspricht Halle Sechs exakt meinem Verständnis von Erdkunde: Auch ich würde Thailand, Singapur und Dänemark direkt nebeneinander platzieren.

Der Fernsehsender 3sat ist dieses Jahr unser Standnachbar. Ich habe mal bei Cees Nooteboom (dtsch. Klaus Nussbaum) reingeschaut. 3sat-Moderatorin Gabi Madeja übersetzte alle Antworten Herrn Nootebooms, obwohl Herr Nooteboom selbst bereits fließend deutsch antwortete. Ihre Wortwahl war immer auffallend reicher als die Herrn Nootebooms.

Nooteboom & Madeja:
Deutsch – 3sat, 3sat – deutsch

Im Innenhof der Messe findet wie immer der Kunsthandwerksmarkt statt. Ich habe mir ein paar Exponate angesehen und muss auf den kleinsten, aber schönsten Stand hinweisen: Ein einziger Quadratmeter voller Holzfiguren, die mit der Kettensäge (!) geschnitzt wurden. Sibylle Szukala heißt die berufliche Holzbildhauerin.

Eine dieser Fratzen gehört der Künstlerin

Ich sah Matto H. Barfuss. Ich hörte ihm nicht lange zu, weil ich Hunger hatte, aber was er sagte, passte jedenfalls nicht gut zu seinen lackierten Fußnägeln. Mist. Ich wollte eigentlich gerade zu Dr. Oetker essen gehen, aber jetzt habe ich dauernd diese Fußnägel vor Augen.

Text nicht nötig
Bild nicht nötig

Am Vormittag hängte ich mich an ein Interview mit Federica de Cesco bei Blanvalet, eine sehr angenehme Zeitgenossin. So wie sie sich beim Schreiben zwangsläufig in jede ihrer Figuren verwandeln muss, schlage ich den Begriff Method Writing als literarischen Neologismus vor. Und stellen Sie sich vor, sie hatte ihre eigene BuchMarkt-Ausgabe dabei!

So ein Zufall, Frau de Cesco

Unangenehme Kerlchen sind ja die Kollegen vom Fernsehen. Also rein räumlich, meine ich. Mitten im schönen Gespräch mit Frau de Cesco baute ein Kamerateam vom Hessischen Rundfunk seine Geräte genau auf mir auf. Ich konnte das gerade noch fotografieren, bevor man mich anschloss.

Endlich mal wieder Körperkontakt

Autor Jan Weiler (u.a. „Maria, ihm schmeckts nicht!“ bei Ullstein) hatte seine Ausgabe vom BuchMarkt vergessen, und so musste ich ihm meine leihen. Als Jan Weiler ging, wollte er meinen Aktenkoffer stehlen.
Na klar, ein „Versehen“.

Steht nix zu essen drin

Typisch: Bei allen Bildbandverlagen drängeln sich die Herren Buchhändler und Verleger an der Aktfotografie, während die Architekturbände jungfräulich bleiben.

Ich weiß es, ich habe mitgedrängelt.

Andererseits gibt es, ebenso typisch, im Pressezentrum zwar ein Regal mit Frauenmagazinen, aber keines mit Männermagazinen.

Ich weiß es, ich habe selbst gesucht.

Pierre Brices Frau Hella Brice hat bei Lübbe ein Buch herausgebracht. Es heißt „Pierre – Wie ich Dich sehe“. Auf dem Titel ist Pierre Brice abgebildet, allerdings als Winnetou. Muss ich das Buch noch lesen, wenn das Cover es bereits auf den Punkt bringt?

Wie sieht Hella Brice eigentlich ihren Mann?

Hatte kein Glück bei Brockhaus. Anlässlich der neuen Enzyklopädie „BE 21“ (wahrscheinlich auch noch englisch ausgesprochen) wurde ein Eimer der teuren USB-Sticks gratis unter den Besuchern verteilt, weil die Kugelschreiber gerade aus waren. Ärgerlich, das. Ich schreibe immer noch mit dem vom letzten Jahr.
Die übernächste Ausgabe (BE twentythree) wird dann bereits mit einer neuronalen Schnittstelle direkt in den Schläfenlappen des Users eingelinkt.

Bei Dr. Oetker nahm ich dann endlich folgendes zu mir:

Ricotta-Maultaschen mit gedämpftem Lachs an Spinatsauce,
zubereitet von Gerd Eis vom Nassauer Hof, Wiesbaden.

Die Maultaschen hätten sich über eine Prise Salz gefreut, die Spinatsauce war sehr delikat, und der Lachs war ein Gedicht.

Dafür habe ich Susanne Fröhlich (Deutsch – Mann / Mann – Deutsch bei Langenscheidt) im Lesezelt verpasst. Aber so sehr ich mich auch anstrenge, es will sich einfach kein Bedauern einstellen, solange ich noch verdaue.
Sorry, Langenscheidt, ein Punkt für Oetker.

Lachs gegen Fröhlich

Am späten Nachmittag sah ich die Karikaturisten und titanic-Mitarbeiter Achim Greser & Heribert Lenz bei der FAZ. Lenz guckte auch lustig. Lenz guckt im Grunde wie eine ihrer Zeichnungen.
Ich fand die verkannten und unterschätzten Cartoons im Börsenblatt letztes Jahr besser als alle anderen Cartoons im Börsenblatt jemals.

Greser, Lenz

Ein Verb, das das diesjährige Rezensionsvokabular verschmutzt, ist „irrlichtern“. Irrlichternde Figuren in irrlichternden Situationen haben irrlichternde Gedanken. Ich selbst weiß nicht, wie das geht. Auch würde ich all diese Attribute einzig einem, sagen wir mal, Irrlicht zugestehen. Also bitte etwas drauf achten. Dies zum Geleit.

Auf dem Rausweg sehe ich noch zwei Polizisten, die beide keinen Oberlippenbart tragen. Das mag daran gelegen haben, dass es Frauen waren. Attraktive Blondinen mit Waffen. Ich frug, ob ich sie fotografieren dürfe. Durfte ich nicht. Da bin ich heimgegangen.

War schön heut.

Ach ja – mein Anagramm des Tages:
Signierstunde – Durstiges Nein

Auf den Donnerstag freut sich

Ihr

Matthias Mayer

P.S.: Ich brauche dringend neue Kugelschreiber, aber habe noch keinen Verlag gefunden, der welche verschenkt. Bitte schicken Sie mir eine Mail, falls ich bei Ihnen einen oder sieben Stück abholen kann. Sie werden es nicht bereuen.

herrmayer@hotmail.com

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