Wieder eine ruhige Kinderbuchmesse in Bologna – aber diesmal mit Sonne!

Tenor bei den deutschsprachigen Aussteller auf der 42. Kinderbuchmesse in Bologna [mehr…], die am Samstag zu Ende ging: Eine ruhige, konzentrierte Arbeitsmesse. Keine Hypes, dafür nach wie vor wachsendes Interesse aus dem Ausland an deutschsprachigen Titeln – was auch der Tatsache geschuldet sein könnte, dass viele deutschsprachige Verlage wieder mehr auf Eigenproduktionen setzen und vorsichtiger beim Lizenzeinkauf geworden sind.

Erster Treffpunkt: avj-Empfang

Einen ersten Treffpunkt der deutschsprachigen Aussteller und Besucher bildete erneut der traditionelle Empfang der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) am Messevorabend. avj-Vorsitzender Klaus Willberg begrüßte zahlreiche Gäste in den Räumlichkeiten des deutschen Kulturinstituts in Bologna. Insgesamt verzeichnete der Messekatalog 72 Einträge unter der Rubrik „Germany“, Verlage, Agenten und Institutionen aus Deutschland, die mit einem eigenen Messestand oder am Gemeinschaftsstand der Frankfurter Buchmesse (organisiert in Zusammenarbeit mit der avj und mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes) mit ihren Produktionen vertreten waren.

Trends? Fantasy, sagen die meisten, sei nach wie vor stark, manche sehen das Interesse – zumindest bei den Amerikanern – aber bereits wieder abebben. Die Herbstprogramme der deutschsprachigen Verlage bringen die Nachfolgebände der gestarteten Trilogien – Ravensburger zum Beispiel präsentiert den dritten „Charlie Bone“, cbj den zweiten „Bartimäus“ und den zweiten „Eragon“, Dressler bringt „Tintenblut“ und bei Oetinger erscheint der zweite „Kinder des Dschinn“-Band.

Gute Gespräche bei gutem Wetter

Außerdem hat Loewe einen Einzeltitel von Kai Meyer im Programm, „Frostfeuer“, dtv junior setzt u.a. auf Herbie Brennan und T. A. Barron. Und Fans von Ralf Isau können sich auf eine neue Trilogie bei Thienemann freuen, „Chroniken von Mirad“. Starke Konkurrenz untereinander also, wie bereits im Frühjahr. Dazu ist im Herbst allerdings auch mit dem sechsten „Harry Potter“ zu rechnen, ein Erscheinungstermin steht noch nicht fest.

Was kommt nach der Fantasy? Mystery, Thriller, Gothik – so wird spekuliert. Dabei dürfte mancher den Manga-Markt im Auge behalten. Der Boom scheint ungebremst, die Frage, wie man so zahlreiche Leser zum Jugendroman abholen kann, liegt auf der Hand. Zumindest die Cover-Gestalter in den Jugendbuchverlagen, beispielsweise bei Egmont Schneider, setzen inzwischen immer häufiger auf Manga-Elemente.

Erstmalig präsentierte sich der deutsche Ableger von Tokyopop mit einem eigenen Stand in Bologna. Der in kurzer Zeit auf 18 Mitarbeiter gewachsene Hamburger Verlag startet Ende des Jahres auch mit DVDs. Das amerikanische Mutterhaus wiederum hat von Ueberreuter die Rechte an der „Märchenmond“-Trilogie von Wolfgang Hohlbein erworben und startet damit ein Fantasy-Segment.

Auch historische Romane bleiben stark im Jugendbuch, Ravensburger bringt nach dem Fantasy-Titel „Ozean des Mondes“ das zweite Buch von Jamila Gavin – „Die Stimme des Waldes“ spielt in England und sei in „bester Charles Dickens-Tradition“ geschrieben. Ein Vergleich, der auch von Carlsen zur Charakterisierung des Erstlings von Livi Michael, „Die flüsternde Straße“ herangezogen wird.

Sehenswert: Die Illustratorenschau

Und dann das Bilderbuch. Es nimmt in Bologna mit der Illstratorenschau – dieses Mal mit Schwerpunktland Spanien – einen zentralen Platz ein. Die Stimmen aus Deutschland: Wie bereits im vergangenen Jahr wird in vielen Verlagshäusern ein Rückgang in diesem Segment beklagt, die avj hat das „Sorgenkind“ zum Thema des (ausgebuchten) Praxisseminars gemacht, das im Mai in Kassel stattfinden wird [mehr…].

In vielen Bilderbuch-Programmen werden also weniger Titel gemacht und Experimente zurückgefahren. Auch ein Grund dafür, dass mancher den Eindruck hatte, dass sich in diesem Jahr weniger Illustratoren auf nach Bologna gemacht hätten?

Dieses Jahr weniger Illustratoren unterwegs?

Neue Illustratoren lassen sich im Herbst u.a. bei NP und Sauerländer entdecken. Bei NP hat Susanne Eisermann mit „Na ja“ eine eigenwillige Geschichte von Jutta Treiber zum Thema „Ich sein“ umgesetzt. Katharina Bußhoffs erstes Bilderbuch erscheint bei Sauerländer. Neben der Umsetzung einer Geschichte von Eugène Ionesco ist sie außerdem mit Illustrationen zu einem Kinderbuch von Bettina Wegenast im Programm vertreten.

Ein Debut anderer Art bei Bloomsbury: Verlegerin Elisabeth Ruge legt im fünften Kinderbuchprogramm des Berliner Verlags erstmals zwei „eigene“ Bilderbücher vor, nachdem bislang in diesem Segment Lizenzen verlegt wurden. Helga Bansch hat Antonie Schneiders Geschichte „Die Verwandlung“ illustriert und Sybille Hein eine Katzengeschichte von Maxim Biller.

Kaum eine andere Illustratorin übrigens, die derzeit so vielbeschäftigt scheint wie Sybille Hein; ihren Bildern begegnet man im Herbst u.a. auch bei Dachs und Bajazzo, fürs Frühjahr 06 kündigt Aufbau-Bilderbuch-Programmleiterin Heike Clemens ebenfalls einen Titel mit Bildern der Künstlerin aus dem Berliner Atelier Gute Gründe (s. a. BuchMarkt 3/2005, S. 132f.) an.

Auch auffällig: Manuela Olten, die letztes Jahr mit „Echte Kerle“ bei Bajazzo debutierte, in diesem Frühjahr sowohl bei Bajazzo als auch bei Oetinger jeweils ein weiteres Bilderbuch vorlegt, ist im Carlsen-Herbstprogramm mit einem Titel vertreten, mit dem sie unlängst das zweite Troisdorfer Bilderbuchstipendium gewann www.bilderbuchmuseum.de.

Bologna-Schwerpunkt: Illustrationen aus Spanien

Esslinger hat in der Geschenkbuchrange in diesem Frühjahr einen Erstling mit dem Mainzer Studenten Sebastian Meschenmoser gewagt. „Seine Illustrationen zu ‚Fliegen lernen‘ landeten auf Anhieb auch in der Illustratorenschau in Bologna“, freut sich die Geschäftsführerin Anke Klein.

Bilderbuch funktioniert gut, wenn es Geschenkbuchcharakter hat – diesen Mechanismus nutzen immer mehr Verlage. Eva Kutter, Programmleiterin der Fischer Schatzinsel (auch dort ein Titel von Sybille Hein im aktuellen Frühjahrsprogramm), beobachtet große Erfolge mit Mini-Formaten, ebenso Jeanette Hammerschmidt, Leitung Lizenzen und Presse bei Loewe. Von „Weil ich dich lieb hab“ zum Beispiel habe Loewe inzwischen in Original- und Miniausgabe zusammen an die 60.000 Exemplare verkauft.

Auch die Programmgeschäftsführerin von arsEdition, Ute Freudenberger, setzt auf eine stärkere Verzahnung von Bilderbuch- und Geschenkbuchprogramm. Sie freut sich, dass entgegen dem Billig-Trend ein hochpreisiger Titel wie „Expedition in die geheime Welt der Drachen“ von Ernest Drake sehr gut laufe. Im Herbst plant man in ähnlicher Ausstattung einen Titel zum Thema Ägypten.

Thienemann legt ein aufwändiges Projekt mit Angelika Glitz und Marie Hübner sowie den Komponisten Wanja Olten und Thomas Wolff vor. „Prinzessin Murks“ ist ein Bilderbuch mit CD, auf der eine erweiterte Hörbuchfassung und viele Lieder sind – ein Buch, das man auf unterschiedliche Weise nutzen (und verschenken) kann.

Und auch cbj-Programmleiterin Martina Kuscheck hat eine besondere Form von Bilderbuch entwickelt, zusammen mit der Papieringenieurin und Bilderbuchkünstlerin Antje von Stemm: Ein Haus zum Aufklappen, in dem sechs verschiedene Wohnungen samt Bewohner besichtigt werden können. Ein Titel, der wohl auch in den Architektur-Buchhandlungen landen wird.

Messenächte in der Neonbar

Also doch einiges an Neuigkeiten aus der Halle 30 in Bologna. Dass es dort in den dreieinhalb Messetagen eher ruhig zuging, mag auch am Wetter gelegen haben. Einige Gespräche wurden kurzerhand vor die Halle in die Sonne verlegt. Bei einem im Gegensatz zu den Vorjahren angenehmen Klima – bis zum Samstag Morgen hielt es zumindest an – ließen sich auch die allabendlichen Ausflüge in die Stadt und schlussendlich in die Neonbar genießen.

Sorgenvoll wurde jedoch der Bologna-Termin fürs nächste Jahr kommentiert. 2006 findet die Kinderbuchmesse vom 27. bis zum 30. März statt, also von Montag bis Donnerstag – und ungünstiger als bisher gelegen, zwischen Leipzig, London und Vertreterkonferenzen.

Entdeckung: Isidro Ferrer

NB: Eine Entdeckung im Illustratorencafé: Die Performance des spanischen Künstlers Isidro Ferrer. Was er aus dem Koffer zauberte, veranlasste sein Publikum zu lang anhaltendem Applaus.

Und ein Nachtrag: Inzwischen sind auch die offiziellen Besucherzahlen ausgezählt. Wie die Frankfurter Buchmesse meldet, kamen vom 13. bis 16. April 4.600 ausländische Fachbesucher, was einem Zuwachs von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. 1.200 Aussteller aus 63 Ländern haben ausgestellt. Zuwächse gab es im Vergleich zum Vorjahr vor allem bei den asiatischen Ausstellern und bei den angemieteten Flächen. Die fast gleichzeitig (14. bis 17. April) auf dem Gelände stattfindende italienische Schulbuchmesse „Docet“ habe sich beim dritten Mal etabliert und sei von den italienischen Ausstellern und Besuchern gut angenommen worden.

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