Woran erkennen Sie den als Burn-out bezeichneten Zustand des Ausgebranntseins? – Was können Sie tun, diesen Zustand zu bewältigen? – Was sollten Sie unternehmen, um Burn-out zu vermeiden?

Redaktionelle Vorbemerkung

Helmut Benze

BuchMarkt-Leser haben in den ersten Monaten dieses Jahres das Angebot unseres Autors Helmut Benze genutzt, ihn zu den beiden bislang veröffentlichten Themen (Nachfolgeregelung und Teamarbeit)befragt, um Folgerungen für jeweils individuell oder firmenspezifische Besonderheiten noch besser ableiten zu können.
Unter den Themen, zu denen unser Autor darüber hinaus konsultiert wurde, zeichnet sich folgende Gewichtung ab:
– Umgang mit dem Burn-out-Syndrom
– konstruktive Bearbeitung von Konflikten
– nonverbale Kommunikation in der Menschenführung
– Kritik- und Korrekturgespräch mit schwierigen Mitarbeitern
– kreative Arbeitstechniken (mit Schwerpunkt Ideenfindung in Buchhandel und Verlag)
– Einstellungsgespräche (mit Schwerpunkt: Wie kann man die besten BewerberInnen für die Buchbranche herausfinden?)
– Selbst-, Zeit- und Zielmanagement
– Umgang mit Medienvertretern
– CI-Entwicklung (mit Schwerpunkt in kleinen und mittleren Buchhandlungen und Verlagen)
– Optimierung der Führungsarbeit von Inhaberpaaren

Viele Themenwünsche also bereits nach drei Monaten. Sie werden nach und nach erfüllt werden. Helmut Benze beginnt mit dem erst- und mehrfach genannten Thema, das in Zeiten besonderer Herausforderungen an Leitende und an Mitarbeiter offensichtlich vielen auf den Nägeln brennt.
Woran erkennen Sie bei sich und bei Mitarbeitern den als Burn-out bezeichneten Zustand des Ausgebranntseins? – Was können Sie tun, um diesen lähmenden Zustand zu bewältigen? – Was sollten Sie unternehmen, um Burn-out, diese gefährliche Form der Arbeits- und oft auch Lebensunzufriedenheit zu vermeiden?
Im April-BuchMarkt des finden Sie das praxisnahe Telegramm zu diesem Thema, das selbst in dieser längeren Online-Form nur in Grundzügen und Orientierungsbeispielen dargestellt werden kann. Dieser Beitrag ist in vier Blöcke gegliedert:

A

– [Woran erkennen Sie das Burn-out-Syndrom?

B

Drei Beispiele für Burn-out-Verhalten

C

Was können Sie tun, um bei sich und bei Ihren Mitarbeitern den Zustand des Ausgebranntseins zu bewältigen – und künftig zu vermeiden?

D

Literaturtipps

A

Woran erkennen Sie das Burn-out-Syndrom?
Im Allgemeinen ist ein Mensch von Burn-out betroffen, um nicht zu sagen befallen, bei dem sich in oft unterschiedlicher Folge diese Stufen eines gravierenden Misserfolgskreislaufes erkennen lassen:

> Die Fähigkeit zur Selbstmotivation sinkt rapide. Auch Motivationsanstöße von anderen werden kaum mehr wahrgenommen, geschweige denn in positive Energien umgesetzt. Beobachtet man sich selbst oder Mitarbeiter mit verstärkter kritischer Distanz, stellt man häufig Arbeitsunlust, Überdruss und Stillstand in der Bereitschaft fest, dem Kollegenkreis Impulse zu geben oder Anregungen aus dem Team aufzunehmen.
> Die Körpersprache verrät in dieser Phase oft depressive Zustände: Blickkontakt wird vermieden, es häufen sich Gesten des Überfordertseins, wie zum Beispiel Schultern hilflos nach oben ziehen, Kopf aufstützen, Schultern schlaff nach unten hängen lassen, eher gebeugte Körperhaltung, unentschieden und kraftlos wirkende Köperbewegungen und energieloser, oft auch feuchter Händedruck sowie resonanzarm klingende Stimme. Diesen und anderen Körpersignalen entsprechen oft auch die verbalen oder auch die schriftlichen Äußerungen. Es ist auffallend häufig von Frust und von Mäkelei an allem und jedem zu hören, von Vorbehalten gegenüber Dritten, von Missgunst und von Neid.
> Nach einer Zeitspanne von einigen Wochen bis zu zwei oder drei Monaten geht dieser Zustand über in die gefährliche Phase, aus der Betroffene ohne entschiedene Hilfe und Selbsthilfe kaum herausfinden: Was bislang vielleicht als zeitweilige Schwäche und Unlust erlebt wurde, schlägt um in Verzweifelung oder schlimmer noch, in Teilnahmslosigkeit. Der Betroffene fühlt sich überflutet von Gefühlen wie zum Beispiel erledigt und zu nichts mehr fähig oder nütze zu sein. Oft wird erst in diesem Stadium der Schlüsselbegriff „Ausgebranntsein“ assoziiert oder anderen gegenüber bekannt. Sollte die Krise überwiegend am Arbeitsplatz ausgelöst worden sein, besteht nun Gefahr, dass der Betroffene in eine schwere Lebenskrise gerät, da nichts mehr zusammenläuft und da der Misserfolgskreislauf oft alle Lebensbereiche erfasst.

> Bevor Sie sich selbst eingestehen, dass Sie ausgebrannt sind und bevor Sie Mitarbeiter mit einer derartig schwerwiegenden Wahrnehmung konfrontieren, empfehle ich folgende zusätzlichen Überlegungen und Vergleiche des aktuellen Zustandes mit früheren Befindlichkeiten:

Waren Ihre eigene oder die Arbeitseinstellung des Mitarbeiters vor der Krise eindeutig geprägt von Freude an der Arbeit und von der grundsätzlichen Bereitschaft auch zu den weniger spannenden Tätigkeiten?

Sind Engagement und Idealismus für die gemeinsame Sache sowie die Loyalität gegenüber dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern vor der Krise deutlich und beständig hervorgetreten?

Haben Sie selbst oder der betroffene Mitarbeiter auch in Zeiten überwiegender Klein-Klein-Routine oder in Phasen mit Stillstand oder gar mit wiederholten Rückschlägen gleichwohl gern zugepackt und ohne Resignation längere Strecken ohne nennenswerte Erfolge durchgehalten?

Zählen mehr oder weniger Pessimismusbereitschaft und Selbstzweifel zu Ihren oder zu Merkmalen von Mitarbeitern ohne dass dadurch die Arbeitsfreude andauernd gelähmt wurde?

Gibt es andere Erklärungen für nachlassende Arbeitsleistung?

Gibt es für Reizbarkeit und für das Gefühl, vom Team nicht immer vorbehaltlos angenommen zu werden andere Gründe als Burn-out?

Diese Überlegungen empfehle ich auch deshalb so nachdrücklich, weil ich dazu anregen möchte, sehr behutsam mit der „Diagnose“ Burn-out umzugehen. Nur das Zusammenspiel der Mehrzahl der oben beschriebenen Zustände und Befindlichkeiten sowie die umfassende Würdigung aller anderen Faktoren, die Arbeitsfreude entstehen oder verkümmern lassen, erlauben eine einigermaßen verlässliche Feststellung, ob Burn-out vorliegt oder nicht.

B

Drei Beispiele für Burn-out-Verhalten
{Mit diesen Beispielen möchte ich Ihnen die Orientierung erleichtern und Ihre Wahrnehmung schärfen. Die Beispiele habe ich aus konkreten „Fällen“ zusammengesetzt, denen ich in Jahrzehnten Arbeit in Buchhandel und Verlagen begegnet bin. Durch Verfremdung halte ich die einen Berater besonders verpflichtende Regel strikter Diskretion ein.

Der Teefreund
Bereits sein Eintritt in die Geschäftsleitung eines großen Verlages war überschattet von Selbstzweifeln, ob er der Aufgabe und dem Wettbewerb innerhalb des Führungsgremiums gewachsen sei. Die in vieler Hinsicht ausgezeichneten fachlichen Voraussetzungen und eine sehr gute Kommunikationsfähigkeit würden nicht ausreichen, um die hohen Erwartungen zu erfüllen, die der Eigentümer mit der Berufung des ehemaligen Lektors verband. Der Teefreund suchte viel zu schnell Verbündete und Vertraute und stürzte sich selbst sowie sein engeres Umfeld in Wechselbäder von Hyperaktivismus und spürbar aufgesetzter Härte (die er als Mensch gar nicht hatte) oder Klagen über die passiven Mitarbeiter, einige unloyale Abteilungsleiter und die eigene Ersetzbarkeit. Letztere Angst, führte u. a. dazu, dass er kaum Urlaub nahm, da er befürchtete, seine längere Abwesenheit werde von seinen Abteilungen und von seinen gleichrangigen Geschäftsleitungskollegen nicht als Mangel empfunden.

Gespräche mit ihm waren immer sehr angenehm – jedoch fast immer ohne konkrete Ergebnisse. Entscheidungen fielen ihm schwer. Er zog es vor nahezu alle Themen, die an ihn herangetragen wurden und für deren Entscheidung er laut Geschäftsordnung auch allein zuständig war, dem obersten Führungszirkel vorzutragen. Gespräche – immer bei bestem Tee und Plätzchen – dauerten überaus lange. Er unterhielt sich gern. Er glaubte, das sei effektive Führung. In Wahrheit gaukelte er sich vor, derart intensiv von seinen Leuten gefordert zu werden, dass er zu vielen wesentlichen Aufgaben, die nur er erledigen durfte, nicht kommen konnte. Delegation von Aufgaben nahm er oft stillschweigend zurück, indem er die Sache selbst erledigte. Andere Aufgaben, die er seinen Leitenden übertragen hatte verlor er völlig aus dem Blickfeld.

Sein Kommunikationsstil wurde von Jahr zu Jahr hektischer und unausgeglichener. Er wehrte sich nicht, wenn ihm seine Leitenden Kompetenzen entzogen oder seine Geschäftsleitungskollegen gegen alle Vorgaben der sorgfältig abgegrenzten Bereichszuständigkeiten an ihm vorbei seine Leute steuerten. Überstunden und Wochenendarbeit im Verlag wurden immer ausgedehnter. Sie hatten stets etwas Demonstratives, so als wolle er ständig beweisen, wie fleißig und präsent er sei. Im zweiten Jahrzehnt seiner „Führungs“arbeit im Verlag wurden seine bis dahin sehr guten Texte für die Redaktionen, seine Briefe und Vorlagen immer fahriger. Er entwickelte eine Art Verschwörertheorie und fühlte sich aufgrund seiner schwachen (von ihm selbst als liberal und tolerant eingestuften) Haltungen zu vielen Themen ausgenutzt und ausgebootet. Sein Vertrag wurde – viel zu spät – nicht verlängert. Er resignierte und beendete sein Berufsleben um einige Jahre zu früh.

Das Genie
Er wäre noch immer ein Buchhändler wie er im Buche steht, hätte ihn nicht Krankheit aus Überlastung zu früh zum Rentnerdasein gezwungen. Er ist hoch gebildet und umfassend belesen. Seine geradezu begnadete Fähigkeit Menschen für sich und seine Buchhandlung einzunehmen, ließ ihn zur Institution in der Region werden. Sein Verhandlungsgeschick war bei Verlagen, Banken und Behörden geachtet aber auch gefürchtet.

Je mehr Mitarbeiter und Filialen er innerhalb von knapp zehn Jahren um sich scharte, desto getriebener wirkte er. Delegation fand kaum statt. Er wünschte sich zwar ständig Entlastung durch seine guten Leute. Diese hatten jedoch keine Chance, sich wirklich zu bewähren und ihren allgegenwärtigen Chef zu entlasten. Selbst Umräumarbeiten in einem Kellerlager, leistete er nahezu allein, da er beweisen wollte, wie viel Raum man durch kluge Ordnung schaffen könne. Da seine Zeit hinten und vorn nicht reichte, saß er oft bis gegen Mitternacht in seinem bescheidenen Büro. Die Wochenenden verbrachte er in einer seiner Buchhandlungen und räumte permanent um. Immer auf der Suche nach der perfekten Präsentation und nach der außergewöhnlichen Dekoration.

Er wurde immer unzugänglicher. Seine aufbrausenden Auftritte in Mitarbeiterrunden waren gefürchtet.

Zu Gesprächen mit leitenden Mitarbeitern fand er immer weniger Zeit. Er führte zunehmend durch Hausbriefe, die sich wie Erlasse lasen. Der ausgeprägte und mitreißende Optimismus der ersten Jahre wurde von Verzagtheit und Pessimismus abgelöst. Der Chef wurde immer reizbarer, er verlor oft das Augenmaß beim Tadel. Lob für wirklich sehr gute Leistungen gab es nicht mehr. Weiterbildung mussten die Mitarbeiter erkämpfen und schließlich selbst zahlen. Die Kunden hatten oft das Gefühl nicht mehr mit ihrem einst so beliebten „Büchergenie“ zu sprechen, sondern mit seinem Schatten.

Rat von Freunden lehnte er ab. Seine Familie fühlte sich ausgeschlossen und entmündigt. Eines Tages kündigte er seinen Rückzug aus der Firma an, er fühle sich „wie eine Kerze, deren Docht an beiden Ende brenne“. Die Buchhandlungen wurden unter Wert an Wettbewerber verkauft.

Die Hilfsbereite
Diese Buchhändlerin war bei allen Kollegen, Vorgesetzten und Kunden gleichermaßen hoch beliebt. Fachliche Kompetenz in allen buchhändlerischen Fragen zeichnet sie ebenso aus wie ihre Fähigkeit, die unzähligen Bücher, die sie gelesen hat, ihren Gesprächspartnern ans Herz zu legen und auf geradezu vollkommene Art zu verkaufen: Die Kunden hatten ähnlich wie jene in Shines Buchhändlerroman „Der Brief“, das Gefühl, während eines Rendezvous mit der Buchhändlerin wunderbare und immer wertvolle Lesetipps zu bekommen. Die auf sympathische Art und Weise perfekte Kollegin hat wohl immer noch eine Schwäche: Sie kann nicht „Nein“ sagen. Wer sie um Rat und Unterstützung bat, wurde freundlich angehört. Und dann packte sie zu. Sie übernahm Arbeiten anderer. Zusätzlich zu ihren vielen Aufgaben. Sie hielt den Vorgesetzten den Rücken frei. Kümmerte sich um die Auszubildenden als sei sie die Lehrherrin. Entwickelte erfolgreiche Drehbücher für die stets sehr gut besuchten Kundenveranstaltungen. Und sie war bei Verlagsvertretern ebenso beliebt wie bei manchen gefürchtet, weil sie ein fast immer zutreffendes, unbestechliches Urteil über Neuerscheinungen hatte und 70% der Novitäten der Belletristikverlage für in jeder Hinsicht schwach und überflüssig hielt.

Nach etwa 20 Berufsjahren begann sich ihr Verhalten zu ändern. Sie reagierte immer häufiger ohne erkennbaren Anlass abweisend und sogar aggressiv. Kunden gegenüber bewahrte sie zwar Contenance, jedoch wirkte die bislang sehr ansprechende Art des Umgangs mit Kunden wie unter einem schweren Netz gelähmt. Bei anfangs freundlichen Nachfragen von Kollegen, reagierte sie abweisend. Den einzigen (so weit ich später erkennen konnte, gut gemeinten aber falsch begonnenen) Gesprächsversuch eines Vorgesetzen wehrte sie ab. Sie soll dabei verstockt gewirkt haben. Aus der zwanzig Jahre lang heiter gestimmten, in sich ruhenden Frau war fast unversehens eine extrem empfindliche Person geworden, die in schwierigen Situationen oft cholerisch reagierte. Auf Phasen hektischer Aktivitäten folgten Phasen geradezu demonstrativ präsentierter Trägheit. Wenn sie eine Bitte aus dem Kollegenkreis ablehnte, geschah das fast immer schroff. Kollegen und Vorgesetzte begingen den Fehler, die frühere Zuneigung, Wertschätzung und Hochachtung in Abneigung und sogar in schlechte Nachrede umschlagen zu lassen. Sie machten ihre Kollegin allein dafür verantwortlich, dass man sich in ihrer Umgebung nicht mehr wohl fühlte. Es setzte eine regelrechte Ausgrenzung ein. Was als Leid hätte begriffen werden müssen wurde als „Starallüren“ abgetan.

Die Hilfsbereite bekam keine Hilfe. Was sie freiwillig mehr geleistet hatte wurde als Persönlichkeitsmerkmal vereinnahmt und ausgenutzt. Als sie nicht mehr konnte, wurde sie als Verweigerin gebrandmarkt. Dass alle ohne Ausnahme am Burn-out dieser Kollegin Mitverantwortung tragen, wurde erst eingesehen, als die Hilfsbereite kündigte und wie befreit darüber sprechen konnte.

C

Was können Sie tun, um bei sich und bei Ihren Mitarbeitern den Zustand des Ausgebranntseins zu bewältigen – und künftig zu vermeiden?

> Schärfen Sie Ihre Selbstwahrnehmung und prüfen Sie regelmäßig, ob die unter A dargelegten Symptome bei Ihnen oder bei Mitarbeitern auftreten und ob sie im Lebens- und Arbeitskontext als Zeichen von Überforderung gedeutet werden müssen

> Versuchen Sie dabei vor allem herauszufinden, ob Sie problematische Verhaltensweisen, die auf Burn-out hinweisen könnten, im „Blinden Fleck“ oder im toten Winkel Ihres Lebensrückspiegels gar nicht wahrnehmen können. Bedenken Sie dabei bitte, wie sehr Sie als Vorgesetzter sich anderen regelrecht ausliefern, wenn Sie Ihre Blinden Flecken nicht kennen:

Wissen Sie und andere über Ihre Verhaltensweisen gut bescheid, sind Sie im Feld relativ freien und unbekümmerten Handelns.

Durchschauen nur andere einige Ihrer wichtigen Verhaltensweisen und Einstellungen, wie zum Beispiel Anfälligkeit für Anerkennung und Komplimente, stecken Sie im Blinden Fleck. Andere können Sie steuern, ohne dass Sie diese Fremdnavigation erkennen.

Kennen nur Sie bestimmte Ihrer Verhaltensweisen und Einstellungen, wie z. B. extremen Ehrgeiz, können Sie agieren, wie Siegfried unter der Tarnkappe. Das mag gut für Sie sein, verführt jedoch auch dazu, anderen nicht gerecht zu werden.

Sind sowohl Ihnen als auch anderen bestimmte Ihrer Einstellungen und Verhaltensbereitschaften nicht bekannt, sitzen Sie mit verbundenen Augen im Cockpit und landen auf einem Flugplatz dessen Lotsen auch nichts sehen. Das kann mal gut gehen. Wahrscheinlicher sind Bruchlandungen, die sich niemand recht erklären kann. Ein weites Feld für unproduktive Schuldzuweisungen oder für die Flucht in sogenannte Sach- oder Strukturmängel. Diese Bruchlandungen sind bei Burn-out-Opfern besonders häufig.

> Machen Sie eine Risiko-Nutzen-Analyse, ob Sie eine Ihnen gegenüber absolut unabhängige, also konstruktiv kritische Person als Verhaltens-Scout oder Coach einbeziehen:

Fragen Sie sich, wie ausgeprägt Ihr Selbstbewusstsein ist, um den ungeschönten Rückmeldungen eines anderen gewachsen zu sein.

Versuchen Sie das dadurch eingeleitete Vertrauensverhältnis vorher zu definieren, um mit dem anderen einen gemeinsam anerkannten Rahmen für diese Zusammenarbeit formulieren zu können.

> Wenden Sie bei der Analyse problematischen Verhaltens ein in der Praxis bewährtes Schema an, mittels dessen vor allem positive Verstärker für eine Verhaltensänderung ermittelt werden können:

Wann, seit wann und in welchen Arbeits- oder Lebenssituationen trat des Verhalten auf?

Aufgrund welcher Anstöße, Umfeldbedingungen oder Assoziationen trat das Verhalten zutage?

Wie haben Sie und andere auf das Verhalten reagiert?

Wie ließen sich positive Konsequenzen aufgrund des Verhaltens herbeiführen oder verstärken?

Wie könnten negative Auswirkungen rechtzeitig abgewendet oder aufgefangen werden?

> Unterziehen Sie künftig Auffälligkeiten von Mitarbeitern auch der vor- und fürsorglichen Prüfung, ob Überforderung vorliegt.

> Stellen Sie als Chefs Ihre Ziele einmal jährlich auf den Prüfstand. Fragen Sie sich, ob sie sich zu hohe Ziele gesteckt haben. Ob Sie vielleicht zu perfekt sein wollen. Ob Ihre Selbst- und Zeitnavigation von falschen Orientierungsmarken irregeleitet wird. (Z. B.: Sie wollen zu anspruchsvolle Ziele in zu kurzer Zeit erreichen und haben darüber hinaus die dafür erforderlichen persönlichen Stärken oder fachlichen Fähigkeiten noch nicht gut genug entfaltet.)

> Stellen Sie für sich und für Ihre Mitarbeiter eine Checkliste zusammen die Ihnen hilft, Ursachen für Burn-out zu erkennen und angemessene Reaktionen zu entwickeln. Bei den von mir beobachteten oder begleiteten Burn-out-Prozessen haben häufig folgende Ursachen eine Rolle gespielt. Mal nur eine, oft jedoch auch ein Zusammenwirken mehrerer Ursachen:

Sie selbst oder führende Mitarbeiter haben alles erreicht, was in dieser Firma in dieser Position zu erreichen ist. Es geht „nur noch“ darum, den Status zu erhalten. Die Karriere befindet sich – pessimistisch betrachtet – in der Flaute.

Sie oder Mitarbeiter erkennen den Sinn der Arbeit immer weniger.

Ihr oder der Mitarbeiter Lebenslauf wirft grundsätzliche Fragen auf. War die bisherige Arbeit alles? Gibt es andere wesentliche Ziele, die der Arbeit bislang zum Opfer gebracht wurden?

Die Strukturen eines Unternehmens oder die Familiendynamik eines inhabergeführten kleineren Betriebes sind zum Selbstzweck geraten. Es geht weniger um die Kernziele eines markt- und kundenorientierten Unternehmens als mehr um die Befriedigung vermeintlicher Bürokratiezwänge oder um die Erfüllung von Familienwünschen. Wobei die Familie mehr Patient als Protagonist im guten Sinne ist.

Sie oder Mitarbeiter fühlen sich deutlich unter Leistung bezahlt, empfinden das als ungerecht und erwarten (vergeblich) Angebote der Inhaber.

Das Betriebsklima ist so schlecht, dass Identifikation mit den Firmenzielen und Loyalität gegenüber Vorgesetzten und Kollegen verloren gegangen sind.

Die Mitarbeiter erkennen lediglich Ihre Macht als Chef, nicht jedoch Ihre persönliche oder fachliche Autorität an. Sie glauben das nicht verdient zu haben. Fühlen sich ausgeschlossen. Meinen vielleicht sogar, Ihre Position werde von übertrieben karriereorientierten Mitarbeitern gezielt untergraben. (Chefs, die von derartigen Vermutungen heimgesucht werden, rate ich, weniger über ehrgeizige Mitarbeiter, als vielmehr über die eigene Führungsstärke, persönliche Souveränität und über die Schlüsselkompetenzen guter Menschenführung nachzudenken, Stärken zu verstärken und etwaige Defizite – die ja keine Schande sind! – allein oder mit Unterstützung zu beheben.)

Die interne Kommunikation ist objektiv betrachtet schlecht (das muss nicht unbedingt am Betriebsklima ablesbar sein) oder die Mitarbeiter oder die unteren Führungszirkel fühlen sich nicht so gut und direkt informiert, wie sie es ihrer Leistungsbereitschaft nach sein sollten. Viele Mitarbeiter erleben eine schlechte interne Kommunikation auch als Verweigerung von Wahrnehmung und gerechter Anerkennung. Die bei weitem wenigsten Mitarbeiter sind so gefestigt und selbstmotiviert, dass sie der Anerkennung von Vorgesetzten und Kollegen nicht bedürfen.

In schwierigen Zeiten oder in Krisen, die Ängste um den Arbeitsplatz auslösen, wird häufiger gemobbt. Gemobbte Menschen geraten in Stress, der dazu führen kann, dass die bislang gut bewältigte Arbeit als Belastung empfunden wird, und dass die gefühlte Wehrlosigkeit anfällig macht, Aufgaben und Umfeldfaktoren als nicht mehr hinnehmbar zu erleben. Alles zusammen ergibt Zunder für das allmähliche Ausbrennen.

Vorgesetzte und Mitarbeiter fühlen sich insgesamt oder in Teilbereichen überfordert. Es schleicht sich ein Misserfolgskreislauf ein, der wirkliche Fehler begünstigt und restliches Selbstvertrauen zerstört.

Auch das Gegenteil kann zum Burn-out führen: Vorgesetzte der unteren und mittleren Führungsebenen fühlen sich unterfordert. Sie entwickeln das Gefühl, ihnen würden Erfolge verweigert. Menschen, die über eine längere Zeit von zwei bis drei Monaten bis zu einem Jahr keine Erfolgserlebnisse verbuchen können, werden häufig in Selbstzweifel oder in Wahrnehmungen von Sinnverlust getrieben. Sie erfüllen dann oft nicht einmal mehr relativ einfache Pflichten. Empfinden fast alles als Zumutung oder als Überforderung und gleiten in den Zustand des Burn-outs hinein. Oft ist diese Entwicklung an Frühwarnsignalen zu erkennen, die jedoch nicht alle eindeutig als burn-out-bedingt interpretiert werden können. So z. B. Leistungsabfall, häufigere Krankheit, Leistungsverweigerung (offen oder häufiger, verdeckt), Dienst nach Vorschrift, und innere Kündigung.

> Angemessene Reaktionen nach der gründlich überprüften Wahrnehmung, ob Burn-out vorliegt können sein:

Generell, die umfassende Analyse der oben genannten Symptome oder möglicherweise Burn-out auslösenden Faktoren.

Das frühzeitige und nachhaltige Bemühen um entspannte und vertrauliche Gespräche mit Betroffenen. Wichtig ist es, dabei auf jegliche Vorwürfe oder Rügen zu verzichten. Burn-out ist sehr selten ein bewusst herbeigeführtes oder nachlässig in Kauf genommenes Fehlverhalten, dem man durch Abmahnung gerecht werden kann.

Entscheiden Sie für sich oder für Mitarbeiter, ob Weiterbildung helfen könnte, den unguten Zustand Schritt für Schritt zu beenden. Die Art und Weise sowie die Inhalte der Weiterbildung leiten Sie aus den Symptomen sowie aus der Reflexion Ihres eigenen Befindens oder aus dem Gespräch mit dem Mitarbeiter ab. Bewährt haben sich z. B.: Schulung in Sachen Selbstorganisation und Zeitmanagement / Kommunikationstraining / Einführung in den lösungsbereiten Umgang mit Konflikten / Hilfe zur Selbsterkenntnis und darauf basierenden Verhaltenskorrekturen / Verbesserung der Teamkultur im Unternehmen. Mit klar definierten und erfolgsversprechenden Aufgaben für den Betroffenen / Vermittlung kreativer Arbeitstechniken und Ideenfindungsmethoden. Wenn diese professionell vermittelt werden, verändern sie das Denken der Teilnehmer positiv und fördern u. a. die Fähigkeit, Herausforderungen so umzuformulieren, dass sie weniger bis gar nicht bedrohlich wirken. / Coaching, was die oben genanten Themen maßgeschneidert aufgreifen und vertiefen könnte./ Präsentations-, Beratungs- und Verkaufstraining. Wobei Präsentationstraining bei Burn-out-Betroffenen immer auch die Präsentation der eigenen Person einbeziehen, ja an erste Stelle rücken sollte. Mit Augenmaß und Bodenhaftung praktizierte wirkungsvolle Selbstpräsentation stärkt das Selbstbewusstsein.

Vornehmlich mit Burn-out-Geschädigten oder -Gefährdeten haben sich Zielvereinbarungen als Instrument der Selbst- und Menschenführung bewährt. Mindestens sechs +1 Voraussetzungen empfehle ich dabei zu erfüllen:

1.) Definieren Sie für sich selbst und für Mitarbeiter die Werte, die mittels der Ziele erreicht oder erhalten werden sollen. Ein Wert wie z. B. höhere Kundenzufriedenheit kann in seiner Auswirkung definiert werden, womit gleichzeitig ein verbindlicher Verhaltenskanon beschrieben und festgelegt werden kann, der generell, vorzüglich jedoch Menschen in schwieriger Lage einen hilfreichen Orientierungsrahmen absteckt.

2.) Beschreiben Sie sich selbst oder gemeinsam mit betroffenen Mitarbeitern die Ausgangslage und die auf eine realistische Zeitleiste projizierte Zielleistung. Nur so sind Erfolge messbar und dienen als Motivation für weitere Zielsetzungen.

3.) Sind die Zielvereinbarungen anspruchsvoll und erfordern sie vernetztes Denken sowie im Team koordiniertes Verhalten, sind (verbessertes) Zeitmanagement und optimierte Arbeitstechniken unerlässlich.

4.) Ziele sollten stets präzise und unter dem Maßstab transparenter Erfolgskontrolle formuliert werden.

Das oben als Beispiel erwähnte Ziel „höhere Kundenzufriedenheit“ sagt noch zu wenig aus. Woran soll diese erhöhte Kundenzufriedenheit gemessen werden? Welcher Aufwand darf betrieben werden, um dieses Ziel in der gesetzten Frist X zu erreichen? Welche Kernziele sind unverzichtbar? Welche Teilziele oder welche positiven Nebenwirkungen wie z. B. Imageverbesserung des Unternehmens sind willkommen?

5.) Ziele müssen schriftlich festgehalten und mit einem Maßnahmenkatalog hinterlegt werden.

6.) Ziele, die nach einem längeren Zeitraum (ab drei Monaten) oder im rasanten Wandel auf allen oder wesentlichen Arbeitsfeldern des jeweiligen Unternehmens verfolgt werden, dürfen (und müssen oft) auf den Prüfstand. Zum Beispiel: Gibt es neue Erkenntnisse, die zu berücksichtigen sind? Erfordert der Wettbewerb teilweise Abwandlungen? Muss aus unvorhersehbaren Gründen der Zeitrahmen geändert werden? Welche Folgen hat das auf die Inhalte?

+ 1) Je nach beteiligten Personen und nach Lage des Unternehmens, dürfen grundsätzlich immer realistisch und konkret zu formulierende Ziele auch mal Visionäres anstreben und damit zu außergewöhnlichen Leistungen anspornen. Nach meinen Erfahrungen übrigens ohne die Gefahr der Überforderung. So könnte sich z. B. eine Buchhandlung vornehmen, nicht nur die kompetenteste geistige Tankstelle am Ort zu werden, sondern auch die mit Abstand bei allen Kunden oder bei bestimmten Adressaten (z. B. bei Kindern) beliebteste.

> Aus allem oben gesagten ergibt sich , dass es sich für Sie lohnen könnte, sowohl zum Selbstschutz als auch zur Vorsorge für Burn-out-Gefährdete Ihr Delegationsverhalten unter die Lupe zu nehmen. Erlaubt es Ihnen Ihre professionelle Delegation, sich auf die Führungsaufgaben zu konzentrieren, mit denen Sie das Unternehmen und seine Angehörigen voranbringen? Sind Ihre Mitarbeiter sowohl gerecht und Ihren Fähigkeiten oder Potentialen entsprechend in alle grundsätzlich für alle MitarbeiterInnen geltenden Pflichten eingebunden als auch mit Sonderaufträgen von Ihnen betraut, so dass sich alle gleichermaßen gefordert und gefördert fühlen?

> Haben Sie für Ihr Unternehmen ein Anerkennungs- und Belohnungskultur entwickelt, die für Ihre Mitarbeiter einen zusätzlichen Anreiz schafft, überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen? Wir sind damit wieder beim Anerkennungsgespräch unter vier Augen oder je nach Anlass und Situation vor dem Team. Oder auch bei Zuwendungen, die gleichermaßen Belohnungen für sehr gute Leistungen und Treibsätze für noch bessere Leistungen sein können. Wie z. B. Weiterbildungsangebote.

D

Literaturtipps:
Burn-out bei sich und bei Mitarbeitern zu erkennen oder rechtzeitig zu vermeiden, setzt immer auch Selbst- und Menschenkenntnis voraus.

Eine gut lesbare, nebenbei anzapfbare Lesequelle bieten:

Gabriele Stöger / Anton Jäger
Menschenkenntnis – Schlüssel zu Erfolg und Lebensglück
ISBN 3-280-05072-3, Orell Füssli Verlag 2004

Wer einen umfassenderen Einstieg in das übergreifende Thema sucht, „Es gibt kein richtiges Leben im falschen, findet manche Anregung in dem teilweise missionarisch formulierten Buch:

Stefan F. Gross
Life Excellence
Die Kunst, ein souveränes, erfolgreiches und glückliches Leben zu führen
ISBN 3-446-22651-6, Carl Hanser Verlag 2004
Burn-out entsteht auch durch Stress und löst Stress aus. Wer von einem Psychologen und Sportwissenschaftler in sieben Modulen lernen will, seine Ressourcen besser = ökonomischer zu nutzen, wird sich mit einigem Gewinn auf den Leseparcours begeben:

Hans Eberspächer
Ressource ICH
Der ökonomische Umgang mit Streß
ISBN 3-446-22092-5, Carl Hanser Verlag 2002
Burn-out lässt sich durch gute Selbstpräsentation allein nicht vermeiden. Überzeugende und durch Leistung gerechtfertigte Wirkung auf andere kann jedoch einen Erfolgskreislauf in Gang setzen, der dazu beitragen kann, Ausbrennen zu vermeiden.

Werner Knigge
Wer wirkt, gewinnt
Persönliche Potentiale entdecken und entwickeln
ISBN 3-407-36111-4, Beltz Verlag
Viele Führungskräfte legen den Grund zu späterer Überlastung ungewollt dadurch, dass sie am Anfang ihrer Karriere in Führungsfallen geraten, aus denen es dann nur mit Mühe ein Entrinnen gibt. Wer also souverän die Seite wechseln oder Mitarbeiter bei diesem Rollenwechsel unterstützen will, ist mit einem Buch gut beraten, das die Tücken der ersten Monate in erweiterter Verantwortung aufzeigt und anhand von Fallbeispielen, Checklisten und in der Praxis bewährten Tipps unter anderem Schlüsselfaktoren guter Menschenführung wie z. B. sehr gute Kommunikationsfähigkeit / den richtigen Umgang mit Macht und vor allem soziale Kompetenz nahe bringt:

Heike M. Cobaugh / Susanne Schwerdtfeger
Gerade befördert – und jetzt?
Führungsfallen schnell erkennen und gezielt überwinden
ISBN 3-407-36120-3; Beltz Verlag 2004
Zwei Bücher für alle diejenigen, die sich grundlegend mit Ihrer Führungsaufgabe auseinandersetzen, sich vorbereiten oder als erfahrene Chefs frischen Wind in die Segel lenken möchten, empfehle ich uneingeschränkt als die meiner Meinung nach zur Zeit besten Bücher , die Burn-out aus ganzheitlicher Sicht erkennen und vermeiden lehren. Übrigens ohne, dass der Begriff in Inhaltsverzeichnis oder Register auftaucht:

Peter R. Wellershöfer
Schlüsselqualifikation Sozialkompetenz
Theorie und Trainingsbeispiele
ISBN 3-8252-0268-3-X, Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft / ISBN 3-8252-2516-X, UTB 2004

Wolfgang Seidel
Emotionale Kompetenz
Gehirnforschung und Lebenskunst
ISBN 3-8274-1541-1, Elsevier / Spektrum Akademischer Verlag 2004

Viel Erfolg bei Ihrer Auseinandersetzung mit Burn-out und viel Gewinn aus der Lektüre!

Helmut Benze

Telefon 0049 (0) 621 – 41 49 74 / e-mail: helmut.benze@t-online.de

Zur 1. Folge „Cheftreff“ zum Thema Nachfolgeregelung: [mehr…]
Zur 2. Folge “Cheftreff” zum Thema gute Teams: [mehr…]

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