Warum Dr. Harald Heker für den Börsenverein unersetzlich ist

Aber nein, es ist nicht überraschend, dass Harald Heker den Börsenverein verlässt.

Es ist das Natürlichste von der Welt. Ist er doch zum Vorstandsvorsitzenden der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) gewählt worden.

Das Angebot, vom Posten des Hauptgeschäftsführers eines Verbandes – noch dazu eines volkswirtschaftlich unbedeutenden, also kleinen und überdies nach Mitgliedern, Einkommen wie Einfluss offenbar rapide schrumpfenden Verbandes an die operativ wie repräsentativ unumstrittene Spitze, also in eine mächtigere Führungsfunktion einer wesentlich größeren und üppiger ausgestatteten Organisation zu wechseln, hätte wohl so gut wie kein Manager ausgeschlagen. Und das schon gar nicht, wenn er, wie in diesem Fall, auf Grund seiner juristischen Ausbildung und Spezialisierung sowie spezifischer Tätigkeitsfelder während seiner bisherigen Karriere für die neue Position prädestiniert scheint – warum Harald Heker bei der GEMA am Ende ja auch einstimmig gewählt worden ist. Seine langjährigen intensiven Erfahrungen mit der EU – in seiner Eigenschaft als Justitiar des Börsenvereins in dessen Kampf mit Brüssel um den Erhalt der Buchpreisbindung – hat die GEMA ausdrücklich als ein entscheidendes Moment seiner Wahl genannt.

So freut Harald Heker sich – und das darf man ihm wirklich glauben – ganz einfach „auf die neue Aufgabe“, über diese neue „grosse Herausforderung“ [mehr…]. Die Höflichkeit, die Konvention gebietet, ihm dazu nun viel Glück und Erfolg zu wünschen.

Weitere Fragen sind müßig….

Lassen wir hier also ab von der Versuchung, für Harald Hekers Abgang im Frankfurter Großen Hirschgraben negative Gründe im Umkreis seiner bisherigen Tätigkeit zu finden.

Waren es „der Dilletantismus, ein Machtkampf oder die Schwerfälligkeit des Börsenvereins“? – Sind es „Konflikte, der missglückte Umzug in die Braubachstrasse, interne Streitereien, der Ärger um die Leitung der Buchmesse“ gewesen? – Oder „eine aufgebrachte Mitgliederschaft“, „eine schwierige Lage“?

Solche Fragen hat Peter Michalzik – einer der wenigen deutschen Feuilletonjournalisten mit soliden Branchenkenntnissen – am vergangenen Freitag Harald Heker in einem Interview der Frankfurter Rundschau http://www.frankfurterrundschau.de/ressorts/kultur_und_medien/feuilleton/?cnt=630088& natürlich gestellt. Ich kann die Lektüre des Interviews dennoch nur allen dringend empfehlen. Denn die Fragen mögen für uns jetzt noch so müßig sein; es gibt

….es gibt jedoch aufschlussreiche Antworten.

In den Antworten hat Harald Heker – auf den ersten Blick – eine ehrwürdige Konvention aller achtbaren Spitzenreisenden beim Weiterziehen gepflegt: Kein Sterbenswörtlein lassen sie fallen, das auch nur den Schatten eines Verdachts von Austrocknung oder Gefahr auf das Paradies der Oase werfen könnte, die sie verlassen. Er lobt den Hirschgraben gar in den Himmel:

1. Der Börsenverein – „eine der wichtigsten Institutionen, die wir in diesem Land haben“!!! – „ist ein hoch angesehener, aktiver, politisch erfolgreicher Verband“.

2. Er ist auch ein wirtschaftlich erfolgreicher Verband, insofern „alle Unternehmen des Börsenvereins mittlerweile schwarze Zahlen schreiben“.

3. Er entspricht den Intentionen sowie seiner Verfassung als Mitgliederinteressenverband: „Der Börsenverein ist ein demokratisches Gebilde… „Dass in ihm als dreistufigem Verband aus Verlagen, Buchhändlern und Zwischenbuchhändlern Konflikte ausgetragen werden, ist selbstverständlich und gut so.“

4. Der Börsenverein ist zudem organisatorisch modern und effizient. „Wir haben in den letzten Jahren verlässliche professionelle Strukturen geschaffen, wo nichts mehr davon abhängt, ob jemand an einem bestimmten Platz steht oder nicht.“

5. Auf den Einwand Peter Michalziks, es sei aber doch unbestreitbar, dass es, egal zu welchem der Themen, eine aufgebrachte Mitgliederschar gebe, erwidert Harald Heker: „Ja, das ist so, seit es den Börsenverein gibt.“

Spiel mit gezinkten Karten?

Nun entspricht es wiederum durchaus guten Sitten, dass ein Topmanager dem Unternehmen, das er über lange Zeit maßgeblich mitgestaltet hat, exzellente Befindlichkeit bescheinigt, wenn er es verlässt. Damit rückt er – und das ist beim Ausscheiden sein gutes Recht – auch die eigene Leistung ins Licht.

Hinsichtlich dieses Interviews möchte ich zudem auf ein für Dr. Heker heikles Moment hinweisen. Sei’s aus Überzeugung des Interviewers; sei’s aus dem Standortdenken der Zeitung (sie darf bei der FR in Sachen Börsenverein nie ganz außer Acht gelassen werden); sei’s ein tückischer Trick journalistischen Handwerks, um den allen Fährnissen zwischen Scylla und Carybdis am Main stets meisterlich geschickt umschiffenden Harald Heker in eine Falle zu locken – aber das Motiv spielt eigentlich keine Rolle, die tatsächliche Ausrichtung des Interviews aber um so mehr.

Die Fragen folgen einer suggestiven Grundlinie, etwa so: Herr Dr. Heker, Sie sind die moderne Leit- und Lichtgestalt des Börsenvereins. Und für Ihren Abgang sind doch gewiss die unzeitgemäss ineffizienten, schwerfälligen Verbandsstrukturen verantwortlich – – nicht zuletzt „ein selbstherrlicher Vorsteher“, der – und „ das ist keine Petitesse“- „ sich mit einem erfolgreichen Buchmessedirektor“ anlegt. „Und … mit Dieter Schormann ist es, nach allem, was man hört, auch nicht einfach.“

In die Falle hat Harald Heker sich natürlich nicht locken lassen. Damit hätte er sich nämlich im Verband total disqualifiziert; denn so berechtigt die Kritik an den alten Verbandsstrukturen (gewesen) sein mögen – in entscheidenden Punkten gibt es sie ja bereits seit vier Jahren nicht mehr. Seit 2001 hat hier eine weitreichende Reform stattgefunden: Und der Hauptreformator, bei dem seither letztlich alle Fäden des offiziellen Börsenvereins irgendwie zusammenlaufen, heißt nach Auffassung vieler der Verbandsmitglieder: Harald Heker. Hätte er hier nun das Eingeständnis gemacht, eine andere Stelle gesucht zu haben, weil er über den Zustand des Börsenvereins entsetzt ist oder weil ihm „beim Börsenverein irgendetwas auf den Nerv geht“, so hätte er – zumindest für die meisten Verbandsmitglieder erkennbar – sein eigenes Scheitern offen eingestanden.

Doppelte Kriegsführung, mit Bumerang

Das Interview entwickelte sich jedoch, und das macht es von so nachhaltigem Interesse, zu einer Doppelfalle.

Die kritischen Punkte, die es in Form von Fragen zur Sprache bringt, sind nämlich nicht – wie so häufig sonst – journalistisch aus der blauen Luft gegriffen. Sie sind offensichtlich Ergebnis von Recherchen. Sie reflektieren, Punkt für Punkt, knapp und bündig all das, was schon seit längerem in immer weiteren Kreisen der Mitglieder des Börsenvereins zunehmend lauter für Unruhe sorgt. Der Interviewer hat sich da zu ihrem Sprachrohr gemacht. Wenn Heker die Substanz seiner Fragen ablehnt – „das ist ein falscher Eindruck“,„wir haben vollkommen unterschiedliche Wahrnehmungen des Börsenvereins“ bzw. „wir haben wirklich andere Wahrnehmungen“ -, so heißt das in Wahrheit: Die Wahrnehmung des Börsenvereins durch Harald Heker stimmt nicht mit der Wahrnehmung des Börsenvereins durch die Mitglieder überein.

Man kann es, man muss es bedauern. Einen persönlichen Vorwurf darf man daraus nicht machen. Es ist vielmehr ein Problem nahezu aller Bürokratien und ihrer Repräsentanten.

An diesem Punkt aber haben Konventionen und Höflichkeiten aufzuhören. Hier hat der Vorstand des Börsenvereins, der über Harald Hekers Nachfolge entscheidet, Konsequenzen zu ziehen. Da ist die Wahrnehmung des Börsenvereins durch den alten Hauptgeschäftsführer irrelevant. Was an ihr richtig, was falsch ist, braucht darum auch nicht mehr diskutiert zu werden.

Zu bedenken ist einzig und allein folgendes: Wie sieht die Herausforderung aus, der ein neuer Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins sich zu stellen hat? Und wie muss demzufolge sein Profil aussehen?

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de

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