Gerhard Beckmanns Meinung – Nadine Gordimer hat mit ihrem literarischen Engagement zum diesjährigen Welt-AIDS-Tag etwas Besonderes geleistet (auch für die deutsche Literatur)

Dass, wie gestern geschehen, ein Band mit Erzählungen im New Yorker UN- Hauptquartier vom Generalsekretär der Vereinten Nationen gemeinsam mit dem Herausgeber offiziell lanciert wird, dürfte ein bisher einmaliges Ereignis sein. Die Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer hat es zuwege gebracht. Sie hat sich hier gleich in mehrfacher Weise hohe Meriten verdient.

Benefizveranstaltungen und –Editionen großen Stils zugunsten der Armen in der Welt sind bislang vor allem von Pop-Musikern organisiert worden. Legendär ist da etwa der von Bob Geldof vor genau zwanzig Jahren herausgebene Hit „Do They Know It’s Christmas“, dessen Gewinne den Hungernden in Äthiopien und Eritrea Hilfsgüter zugute kamen. Dieser Hit ist soeben, zum großen Teil mit aktuellen Pop-Stars unserer Tage, neuaufgelegt worden.

Nadine Gordimer ist der Ansicht, dass bei Aktionen zur Linderung von Not in der Dritten Welt die Literatur und Schriftsteller nicht hintan stehen dürfen. Deshalb ihre Erzählanthologie „Telling Tales“, die in elf Sprachen erscheint: Sie soll den AIDS-Opfern im südlichen Afrika zugute kommen. Nadine Gordimer hat alle 21 Autoren und lizenzgebenden Verlage dazu bewegen können, zu diesem Zweck auf ihre Honorareinnahmen zu verzichten.

Die künstlerische Qualität von „Do They Know It’s Christmas“ aber galt schon vor zwanzig Jahren eher als Problem. Da will Nadine Gordimer eben auch für die Literatur selbst etwas bewegen. Deshalb hat sie ihre Lieblingserzählungen aus der zeitgenössischen Weltliteratur zusammengestellt. Die vollständige Namensliste ihrer Autoren in alphabetischer Reihenfolge: Chinua Achebe, Woody Allen, Margaret Atwood, Gabriel Garcia Marquez, Nadine Gordimer, Günter Grass, Hanif Kureishi, Claudio Magris, Arthur Miller, Es’kia Mphalele, Njabulo Ndebele, Kenzaburo Öe, Amos Oz, Salman Rushdie, Ingo Schulze, Susan Sonntag, Paul Theroux, Michel Tournier, John Updike und Christa Wolf.

Für die deutsche Gegenwartsliteratur, die sich, wie erst kürzlich G U Gumbrecht wieder bemerkte, gerade in der englischsprachigen Welt schwer tut, ist dieser Band ein Extrabonus. Er enthält nicht nur, wie zunächst verlautbarte, einen Text von Günter Grass. In ihm sind auch Christa Wolf und Ingo Schulze vertreten.

Auf Deutsch wird er übrigens im Februar 2005 als Originaltaschenbuch im Berlin Verlag herauskommen.

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