Berliner Verleger und Buchhändler appellieren an die Mitglieder der Abgeordnetenversammlung: Mehr Transparenz und mehr Kontrolle gefordert

Auf der Frankfurter Messe hatte es bei einer Reihe von Verlegern Unmut über die nicht überall nachvollziehbare Nichtverlängerung des Vertrages von Messedirektor Neumann gegeben. Hinzu kam Ärger mit dem VlB. Anlass für den unten abgedruckten Appell an den Börsenverein, mit dem sich jetzt eine Gruppe von Berliner Verlegern und Buchhändlern an die Mitglieder der Abgeordnetenversammlung im Börsenverein gewandt hat.

Christoph Links, einer der Unterzeichner: „Wir wollten es nicht bei allgemeinem Gerede an den Abenden belassen und haben uns dann anschließend nochmals in Berlin ausgetauscht, wobei weitere Themen zur Sprache kamen. Schließlich habe ich mit Viktor Niemann einen ersten Entwurf erarbeitet, der dann mit den anderen abgestimmt und überarbeitet worden ist. Uns scheinen die jüngsten Ereignisse Symptom für tieferlegende Vorgänge: Verabschieden sich die Mitglieder weitgehend aus der Steuerung der Verbandsarbeit und überlassen sie diese vorrangig dem angestellten Hauptamt oder verlangen sie mehr Transparenz, eine regelmäßig genaue Information und Konsultationen in Schlüsselfragen? Dies Abgeordneten sollten sich dies bewusst machen und hierzu klar Stellung beziehen.“

Hier der Appell:

Bei der Reform des Börsenvereins vor zwei Jahren war uns Mitgliedern durch die Zusammenlegung mit den Landesverbänden und die Neustrukturierung der Wirtschaftsbetriebe eine größere Professionalität und Effizienz des neuen Gesamtvereins versprochen worden. Qualifizierte Fachleute sollten mit modernem Management eine Organisation führen, die mehr Leistung bei weniger Kosten für die Mitglieder bewirkt. Dafür waren wir Mitglieder bereit, auf bisherige Formen der Einflußnahme auf das Geschehen in den Betrieben, etwa über einzelne Aufsichtsräte, zu verzichten und auch die Mehrheit im Aufsichtsrat der Gesamtholding an Branchenfremde zu übergeben.

Nach zwei Jahren Praxis müssen wir nunmehr aber feststellen, daß sich die Pannen häufen, daß das Ansehen unseres Vereins in der Öffentlichkeit immer mehr Schaden nimmt und daß sich keine wirtschaftliche Besserung abzeichnet. Über viele Vorgänge erhalten wir Mitglieder keine wirklich transparenten Angaben. Statt die bisherigen Baustellen in Ordnung zu bringen, zeichnen sich neue Probleme ab.

In dieser Situation appellieren wir an die Mitglieder der Abgeordnetenversammlung – also unseres Parlaments – den Vorstand und die Geschäftsleitung – zusammen so etwas wie unsere Regierung – stärker zu kontrollieren. Schließlich sollte in einer demokratischen Gesellschaft alle Macht vom Volke – also von den Mitgliedern und ihren Abgeordneten – ausgehen. Die Satzung unseres Vereins sieht daher auch klar vor, daß die Geschäftsleitung den Weisungen des Vorstandes unterliegt und der Vorstand die Beschlüsse der Abgeordnetenversammlung und des Länderrates auszuführen hat.

Bitte stellen Sie auf der nächsten Abgeordnetenversammlung kritische Fragen.

1.) Mit welchen Kosten ist die Nichtverlängerung des Vertrages von Messedirektor Volker Neumann verbunden? Wie hoch sind die Honorare der nunmehr eiligst engagierten Headhunter? Warum konnte der bisherige Direktor nicht die verbleibenden zwei Jahre bis zur Rente in seiner Funktion verbleiben und in dieser Zeit in Ruhe ein geeigneter Nachfolgekandidat aus unserer Branche gesucht werden, der dann auch ordentlich eingearbeitet wird? Warum hat es bei der Besetzung einer solchen Schlüsselstellung keine Konsultationen mit dem Vorstand und dem Verlegerausschuß gegeben, obwohl die Messe von uns Ausstellern, den Verlegern, lebt und wir mit der jüngsten Messepolitik durchaus zufrieden waren?

2.) Welche Kosten sind mit den personellen Umstrukturierungen bei den Tochterunternehmen verbunden? Gibt es nachweisbare Einsparungen dadurch, daß Mitarbeiter der Buchmesse bei der Service-Gesellschaft angestellt wurden und deren Leistungen jetzt an die Buchmesse wieder zurück berechnet werden? Gibt es belegbare Einsparungen dadurch, daß Aufgaben an externe Dienstleister vergeben werden wie beim „Buchjournal“ und bei der Öffentlichkeitsarbeit? Ist die bisherige Arbeit dadurch nicht eher teurer geworden? Wie sehen die viel beschworenen Synergieeffekte tatsächlich in Zahlen aus?

3.) Wie konnte es zum gegenwärtigen Desaster beim VlB kommen? Nachdem Verleger und Buchhändler sich vehement für einen professionellen Ausbau dieses unabhängigen Bibliographiersystems ausgesprochen haben und die Geschäftsstelle beauftragt worden ist, dies energisch voranzutreiben, sind nun die beiden entscheidenden Personen ausgeschieden und gibt es keine greifbare Alternative. Wie soll es hier weitergehen?

4.) Nach jüngsten Gerüchten soll es ein internes Papier über die neuen Funktionsverteilungen im Börsenverein geben, wonach dem Vorstand vor allem repräsentative Aufgaben zugedacht sind. Ist das wahr? Dies würde einen eklatanten Demokratie-Abbau bedeuten, weil dann nicht nur die Kontrolle über die Wirtschaftsbetriebe verloren wäre, sondern auch noch über die angestellten Mitarbeiter der Geschäftsleitung, was einer Selbstentmachtung der Mitglieder nahekäme.

Die Abgeordnetenversammlung ist „Willensorgan der im Börsenverein zusammengefaßten buchhändlerischen Unternehmen“, wie es in unserer Satzung heißt. Daher fordern wir Sie, die Mitglieder der Abgeordnetenversammlung, dringend auf, den Willen der Mitglieder nach mehr Transparenz, stärkerer Kontrolle und größerer Sparsamkeit energisch durchzusetzen.

Wir brauchen einen wirklich effizienten Verein, der durch weniger Kosten auch uns Mitglieder über geringere Beiträge entlastet und nicht neue Kosten produziert und nicht überschaubare Risiken eingeht.

Wir verkennen nicht die Probleme, die die Neuorganisation mit sich bringt, doch machen wir uns Sorgen, daß die gegenwärtige Entwicklung die Mitglieder von ihrer Organisation weiter entfernt und Transparenz verlorengeht, so daß der Gesamtverband Schaden nimmt.

Erstunterzeichner: Arnulf Conradi (Berlin Verlag), Gerd Gerlach, Margrit Starick (Starick-Buchhandlungen), Ulrich Hopp (be.bra-Verlage), Christoph Links (Ch. Links Verlag),
Bernd F. Lunkewitz und René Strien (Aufbau Verlagsgruppe), Viktor Niemann (Ullstein Buchverlage), Oliver Schwarzkopf (Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag), Martina Tittel (Dussmann das KulturKaufhaus), Klaus Wagenbach, Nina Wagenbach und Susanne Schüssler (Wagenbach Verlag)

Wer diesen Appell ebenfalls unterzeichnen möchte, kann dies per kurzer Mailmitteilung tun:
mail@linksverlag.de

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