Empörung gegen Aus des Deutschen Bücherpreises, das der Börsenverein verordnet hat: Christa Wolf, erste Preisträgerin: „Politisch instinktlos“

Heute in der „Leipziger Volkszeitung“ Christa Wolf, die 2002 mit dem nunmehr entwerteten Deutschen Bücherpreis [mehr…] für ihr Lebenswerk geehrt wurde: “Die Nachricht, dass der Bücherpreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels der Leipziger Buchmesse entzogen und, in veränderter Form, der Frankfurter Buchmesse zugesprochen wurde, wollte ich zuerst kaum glauben – so politisch instinktlos kam mir diese Entscheidung gerade in der jetzigen Phase der Entwicklung in Deutschland vor. Aber sie stimmt also.

Weiter findet die Autorin, die 2002 in Leipzig den ersten Deutschen Bücherpreis für ihr Lebenswerk erhalten hatte: „Der Vorwand – Missfallen an der Fernsehgala, die den Preis begleitete und die schwachen Einschaltquoten – ist so dürftig, dass man sich geniert, darauf überhaupt einzugehen: Natürlich wären die gewiss nicht idealen Umstände unschwer veränderbar, unter denen dieser Preis der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Nicht ersetzbar aber ist für Leipzig dieser nationale Bücherpreis, wie er vertraglich mit dem Börsenverein vereinbart war. Also muss ich leider annehmen, dass bestimmte Mehrheitsverhältnisse in dem Entscheidungsgremium (wieder einmal) zu Ungunsten eines ostdeutschen Standorts entschieden haben und zu Gunsten eines westdeutschen – der durch die Vergabe des Friedenspreises während der Buchmesse schon gut bedacht ist, während Leipzig und vor allem die Leipziger Buchmesse jede Unterstützung durch Öffentlichkeit dringend braucht.

Die Reaktion, die diese Entscheidung nicht nur in Leipzig, sondern bei sehr vielen ostdeutschen Büchermachern, Buchhändlern, Verlegern und nicht zuletzt Autoren auslösen wird, wurde kühl ignoriert. Ich reagiere mit Empörung, und traurig bin ich auch. Eine solche Vertiefung der Ost-West-Konflikte ausgerechnet durch Menschen, die mit Literatur zu tun haben, ist so unnötig!

Ganz nebenbei sind durch diesen Abzug des Preises die bisher in Leipzig vergebenen Bücherpreise entwertet worden. Und das Porzellan, das hier zerschlagen wurde, wird auch nicht dadurch gekittet, dass die Leipziger nun vom Frühjahr 2005 an unverdrossen und wohl auch trotzig einen eigenen „Preis der Leipziger Buchmesse“ in einem Festakt vergeben wollen. Mit dem „Butt“ von Günter Grass? Der hat also als Symbol für einen nationalen Preis nicht lange gehalten. Schade eigentlich.“

In einem Gespräch mit der LVZ betont der Leipziger Messedirektor Oliver Zille, dass das gescheiterte Konzept der per Fernsehgala verliehenen Trophäen vom Börsenverein zu verantworten sei – die Schuld an dem Flop sei deshalb nicht nach Leipzig zu delegieren.

Der Schriftsteller Werner Heiduczek findet den Vorgang „höchst undemokratisch“ und zieht eine Parallele zu den aktuellen Wahlergebnissen. Demütigungen dieser und anderer Art vertieften nicht nur „die gewachsene Kluft zwischen den beiden Teilen Deutschlands“, sie stärkten das „Gefühl von Nicht-Gleichberechtigung und Entmündigung unter den Menschen hier zu Lande“. Das Ergebnis sei ein Zorn, der sich dann „auch schon mal als Denkzettel entlädt“. Die deutsche Einheit „ist nicht zuerst eine Frage des Geldes“, so Heiduczek: „Politiker, Manager oder Börsenvereinsköpfe, die etwas wie die Seelenlage gering schätzen, haben nichts verstanden, sind zu Unrecht im Amt.“

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