Schluss mit der Begriffsverwirrung im „Modernen Antiquariat“

Das Problem für die Preisbindung“, meinte jüngst ein Verleger, „ist das Moderne Antiquariat, vor allem Ramsch wie die SZ-Bibliothek. Das macht uns allen das Leben schwer.“ Er ist ein Verleger klassischen Stils.

Wenige Tage später schimpfte ein Traditionsbuchhändler: „Die Billigpreisangebote des Modernen Antiquariats machen uns alles kaputt. Sie höhlen die Preisbindung aus.“

Wenn schon Brancheninsider ein so grundsätzlich falsches Verständnis von Preisbindung und Preisbindungsgesetz haben, wie verwirrt müssen dann die Buchkäufer und –leser sein? Wer könnte ihnen da überhaupt erklären, was die Buchpreisbindung bezweckt, welchen Sinn sie hat, wie sie funktioniert?

Die Misere beruht nicht zuletzt auf einem fahrlässigen Umgang der Branche mit dem Begriff Modernes Antiquariat. So, wie er heute gebraucht wird, ist er des Teufels.

Die Geschichte der desaströsen Fehlentwicklung des Begriffs: Das klassische Antiquariat – ein seit langem etablierter, ehrwürdiger Gewerbezweig – handelt mit alten gebrauchten Büchern aus Privatbesitz. Als später gebrauchte Bücher jüngeren Erscheinungsdatums –ebenfalls aus Privatbesitz – in den Verkauf kamen, wurde – zur Abgrenzung – der Terminus Modernes Antiquariat geprägt. Etwa seit Anfang der 1970er Jahre entwickelte sich in zunehmend größeren Ausmaßen der Verkauf von Remittenden, Restposten und beschädigten Exemplaren aus dem Bestand von Verlagen und Buchhandel selbst, die unter dem erweiterten Begriff „Modernes Antiquariat“ subsumiert wurden. Nun gut. Auch sie waren in gewissem Sinne „gebraucht“ und (meist) neu nicht mehr lieferbar, so dass sie die Preisbindung nicht berührten. (Dass mit „Mängelexemplare“ preisbindungsrechtlich heute oft massiv Missbrauch getrieben wird, ist eine andere Sache.)

Doch die Sonder- und Billigausgaben jeglicher Art – so wie eben auch die Titel der SZ-Bibliothek – gehören schlichtweg nicht unter diesen Begriff. Sie sind kein Ramsch, sondern neu produzierte Bücher: Original- oder Lizenzeditionen (in dieser Hinsicht dem Taschenbuch gar nicht unähnlich). Sie fallen heute unter das Preisbindungsgesetz, d. h. sie haben einen festen Ladenpreis. Sie stellen ein Phänomen des mass-market dar, über den offiziell nachzudenken die deutsche Buchbranche sich bislang geweigert hat. Sie unter „Modernes Antiquariat“ oder „Ramsch“ zu führen, ist Unfug – ein gefährliche Verwirrung stiftender Unfug – der, angefangen mit der Branche selbst, (siehe oben) auch ein rechtes Verständnis der Preisbindung gefährdet.

Wie ist es, von der Praxis her gesehen, zu solchem Unfug gekommen? Nur weil der Buchhandel Ramsch, Restposten, Mängelexemplare und (preisgebundene) Billigausgaben in Grabbelkisten, Schmuddelecken oder „Schnäppchen“-Fluren auslegt, um sie vom „normalen“ Angebot abzutrennen. Dabei sind, um es noch hinzuzufügen, die meisten neuproduzierten billigen Titel überhaupt keine kurzfristigen „Schnäppchen“, sondern durchaus längerfristig lieferbare Werke, die lediglich, um Kunden zu raschem Kauf zu bewegen, als „Schnäppchen“ angepriesen werden.

Es ist daher höchste Zeit, den Begriff „Modernes Antiquariat“, wie er heute gebraucht wird, aus dem Verkehr zu ziehen. Er macht nur alle verrückt, schadet dem Geschäft mit „richtigen“ Büchern und stellt die Buchpreisbindung unnötig in ein falsches Licht.

Gerhard Beckmann sagt hier regelmäßig seine Meinung … und freut sich über Antworten an GHA-Beckmann@t-online.de. Natürlich können Sie diese Kolumne auch im BuchMarkt-Forum diskutieren. Einfach oben auf der Seite den Button „Forum“ anklicken, einloggen und los geht‘s.

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